LEHREN

In beiden Testamenten gründet sich der Glaube auf eine göttliche Offenbarung deren Träger die Propheten (im allgemeinen Sinne dieses Wortes) sind. Doch muss diese Offenbarung bis in ihre Einzelheiten und bis in ihre praktischen Auswirkungen zur ( Er -kenntnis der Menschen gelangen. Daher die Bedeutung, die das Volk Gottes der Aufgabe des Lehrens beigemessen hat, das in Form eines Unterrichts das Wissen um die göttlichen Dinge vermittelt.

AT

Im Alten Testament wurde diese Aufgabe je nach der Beschaffenheit derer, die damit befasst waren, auf verschiedene Art und Weise erfüllt. Auf dem Weg über sie alle aber ist es stets Gott, der sein Volk lehrt.

I. Verschiedene Formen der Unterweisung

1. Der Familienvater, der die Verantwortung für die Erziehung seiner Kinder trägt, muss ihnen daher auch das religiöse Vermächtnis der nationalen Vergangenheit vermitteln. Es handelte sich dabei nicht um eine tiefschürfende Unterweisung, sondern um eine einfache Katechese, die die wesentlichen Elemente des Glaubens umschloss; um eine sittliche Katechese, die auf die Gebote des göttlichen Gesetzes Bezug nahm: ,,Diese Gebote, die ich dir gebe, sollst du deinen Kindern wiederholen .. .,, (Dt 6, 7; 11, 19); um eine liturgische und historische Katechese, die die Hochfeste Israels zum Anlasse nahm, um deren Sinn zu erklären und jene großen Erinnerungen wachzuhalten, deren sie gedachten. Hierher gehörte vor allem das Paschaopfer (Ex 12, 26) und der Ritus der Ungesäuerten Brote (Ex 13, 8). Die Fragen, die die Kinder in bezug auf Brauchtum und Riten stellten, führten den Vater von selber dazu, sie das israelitische Credo zu lehren (Dt 6, 20-25). Er brachte ihnen auch jene alten Lieder bei, die zum Bestande der UEberlieferung gehörten (Dt 31, 19. 22; 2 Sm1, 8f). Auf diese Weise begann die religiöse Unterweisung im Rahmen der Familie.

2. Doch kommt den Priestern in diesem Bereiche eine viel weiter reichende Verantwortung zu. Sie waren von Berufs wegen verpflichtet, für den Kult und das Gesetz Sorge zu tragen, und hatten schon auf Grund dessen eine Lehraufgabe zu erfüllen. Am Sinai hatte Moses das Gesetz empfangen mit dem Auftrag, es dem Volke zur Kenntnis zu bringen. Auf diese Weise war er zum ersten Lehrer in Israel geworden (Ex 24, 3. 12). Nun aber hatten die Leviten dieses Gesetz zu lehren und auszulegen, um ihm den Weg ins Leben zu erschließen (Dt 17, 10f; 33, 10; vgl. 2 Chr 15, 3). Ein Mann wie Samuel ist dieser Pflicht gewissenhaft nachgekommen (1 Sm 12, 23). Andere Priester vernachlässigten, sie und erfuhren aus diesem Grunde von seiten der Propheten heftigen Tadel (Os 4, 6; 5, 1; Jr 5, 31; Mal 2, 7). Es bereitet keine Schwierigkeit, sich den konkreten Rahmen dieser Unterweisung vorzustellen. Da waren die Feste, die an den Heiligtümern gefeiert wurden, wie jene Bundeserneuerung zu Sichem (Dt 27, 9f; Jos 24, 1-24), von der die Promulgation des Gesetzes durch Esdras nur eine Variante darstellte (Neh 8). Die erteilte Unterweisung bezog sich auf das Gesetz, das vorgelesen und erklärt werden musste (Dt 31, 9-13), und auf die Geschichte des Ratschlusses Gottes (vgl. Jos 24). Zur Unterweisung gesellten sich natürlich Mahnreden, die das Volk dazu bewegen sollten, aus dem Glauben zu leben und das Gesetz in die Tat umzusetzen. Ein Echo dieser priesterlichen Predigt tönt uns aus den Kapiteln 4-11 des Deuteronomiums entgegen, in denen sich ein ganzes Vokabular der Unterweisung fest stellen lässt: ,,Höre, Israel . . .,, (Dt 4, 1; 5, 1); ,,wisse, dass ...,, (4, 39); ,,frage nur..." (4, 32); ,,nimm dich in acht und vergiss nicht" (4,9; 8, 11f). War es doch für Israel von größter Bedeutung, das Wort Gottes kennenzulernen, um es ständig vor Augen zu haben (Dt 11, 18-21).

3. Die Propheten hatten eine Sendung anderer Art. Das Wort Gottes, das sie verkündeten, schöpften sie nicht aus der UEberlieferung sondern erhielten es unmittelbar von Gott; bei dessen Verkündigung drohen sie, ermahnen sie, verheißen sie, trösten sie ... All dies aber gehört nicht unmittelbar zur Unterweisung. Indes stützen sie sich beständig auf eine Katechese, die sie als bekannt voraussetzen (vgl. Os 4, 1f und den Dekalog) und auf deren wesentliche Themen sie zurückgreifen. Sie selber hatten wiederum Schüler (Is 8, 16; Jr 36, 4), die ihre Wahrsprüche weiter >> trugen und ihre Botschaft wurde in die herkömmliche Unterweisung eingebaut, deren Gegebenheiten bereichernd.

4. Die Weisen sind wesentlich Lehrer (Prd 12, 9). Sie erfüllten ihren Jüngern gegenüber dieselbe erzieherische Aufgabe wie jeder Vater seinen Söhnen gegenüber (Sir 30, 3; vgl. Spr 3,21; 4, 2-17.20). Wehe den Schülern, die auf die Stimme ihrer Lehrmeister nicht gehört haben (Spr 5, 12)! Wenn die Weisheitslehre bis zum Exil mehr auf der Erfahrung der Geschlechter als auf dem göttlichen Worte zu ruhen scheint, machte sie sich in der Folge in zunehmendem Maße den Inhalt des Gesetzes und der prophetischen Bücher zu eigen und prägte ihn zu gängiger Münze um. Auf diese Weise entnahm der Lehrer der traditionellen Unterweisung seine geistige Nahrung und war bestrebt, seinen ,,Söhnen" die wahre Weisheit (Jb 33, 33), die Erkenntnis und die Furcht Jahves (Spr 2, 5; Ps 34, 12), mit einem Wort, jenes religiöse Wissen zu vermitteln, das die Voraussetzung für ein glückliches Leben bildet. Führt er nicht die Gottlosen dadurch zur Bekehrung, dass er sie die Wege Gottes lehrt (Ps 51,15)? Die in den Schriftgelehrtenkreisen geübte Lehrweise wandte also die der Priester und der Propheten gleich zeitig an. Im ,,Lehrhause" (Sir 51, 23) erteilten die Lehrer allen einen gründlichen Unterricht (Sir 51, 25f), der ihnen die Wege wies, wie man Gott finden kann.

II. Jahve, der oberste Lehrer

1. Hinter all diesen menschlichen Lehrern aber gilt es den einzigen wahren Lehrer zu entdecken, der allen anderen erst ihre Autorität verleiht: Jahve. Das Wort dessen, der Moses und die Propheten inspiriert hat, bildet die Quelle jener Tradition, die Eltern, Priester und Weise weitergeben. Er ist es also, der durch die genannten Menschen das Wissen und die Weisheit lehrt, indem er sie seine Wege und sein Gesetz erkennen lässt (Ps 25, 9; 94, 10ff). Seine personifizierte Weisheit wendet sich an sie, um sie zu lehren (Spr 8, 1-11. 32-36), wie ein Prophet oder ein Lehrer dies täte; durch sie kommt ihnen alles Gute zu (Weish 7, 11ff). Deshalb ist sich jeder fromme Jude bewusst, von den Tagen seiner Kindheit an von Gott belehrt worden zu sein (Ps 71, 17); umgekehrt bittet er ihn unablässig, ihn seine Wege, seine Gebote, seinen Willen zu lehren (Ps 25, 4; 143, 10; 119, 7. 12 und passim). Dieses Erschließen des Herzens gegenüber der göttlichen Unterweisung geht weit über die theoretische Kenntnis des Gesetzes und der Heiligen Schrift hinaus; sie setzt eine innere Bereitschaft voraus, die es ermöglicht, die Botschaft Gottes tiefer zu erfassen und sie in die Tat umzusetzen.

2. Doch wissen wir, dass das Verhalten Israels Gott gegenüber nicht immer von dieser Bereitschaft des Herzens getragen gewesen ist: die Angehörigen des Volkes Gottes haben ihm oft den Rücken gekehrt und seine Unterweisungen nicht angenommen, obwohl er sie beständig zu belehren suchte (Jr 32, 33). Darauf sind die exemplarischen Strafen zurückzuführen, die Gott über seine ungetreuen Schüler verhängte. Um dieser Herzenshärte zu begegnen, verheißt Gott durch die Propheten, dass er sich den Menschen am Ende der Zeiten als Lehrer schlechthin offenbaren wird (Is 30, 20f); er wird auf ihr Innerstes einwirken, so dass sie sein Gesetz kennen werden, ohne sich gegenseitig belehren zu müssen (Jr 31, 33f). Auf solche Art von ihm selbst belehrt, werden sie das Glück finden (Is 54, 13). Eine Großtat der Gnade, die alle Mühe, die die Gesandten Gottes aufgeboten haben, um die Menschen zu belehren, erst wirksam werden lässt. Damit aber wird das Gebet der Psalmisten seine Erhörung finden.

NT

Christus ist der Lehrer schlechthin. Indem er aber seinen Aposteln sein Wort anvertraute, hat er ihnen einen Lehrauftrag erteilt, der sein Lehramt fortsetzt.

I. Christus der Lehrer

1. Während des öffentlichen Lebens Jesu bildet die Unterweisung einen wesentlichen Aspekt seiner Tätigkeit: Er lehrt in den Synagogen (Mt 4, 23 par.; Jo 6, 59), im Tempel (Mt 21, 23 par.; Jo 7, 14), anläßlich von Festen (Jo 8, 20), ja täglich (Mt 26, 55). Die Form seiner Unterweisung entspricht der Lehrweise der Lehrer in Israel, denen er sich in der Zeit seiner Jugend zugesellt hat (Lk 2, 46), die gelegentlich zu ihm kommen (Jo 3, 10) und die mehr als einmal Fragen an ihn richten (Mt 22, 16f. 36 par.). Deshalb gibt man ihm auch gleich jenen den Titel eines Rabbi, d. h. eines Meisters, und er lässt dies auch zu (Jo 13, 13), obwohl er den Schriftgelehrten seiner Zeit vorwirft, dass sie auf diesen Titel pochen, als wenn es für die Menschen nicht bloß einen Meister gäbe, nämlich Gott (Mt 23, 7f).

2. Wenn er dem Volk auch als ein Lehrer unter anderen erscheinen mochte, so unterscheidet er sich von diesen doch in mehr als einer Hinsicht. Zuweilen spricht und handelt er als Prophet Oder er erhebt Anspruch darauf, der bevollmächtigte Interpret des Gesetzes zu sein, das er zu seiner Vollendung führt (Mt 5, 17). In dieser Hinsicht lehrt er mit einer einzig dastehenden Autorität (Mt 13, 54 par.), zum Unterschied von den Schriftgelehrten, die stets bestrebt waren, sich durch die Autorität der Alten zu decken (Mt 7, 29 par.). Zu dem zeichnet sich seine Lehre durch einen Neuheitscharakter aus, der seine Zuhörer in Erstaunen versetzt hat (Mk 1, 27; 11, 18), gleichviel, ob es sich dabei um seine Ankündigung des Reiches Gottes handelt oder um Lebensregeln, die er verkündet: er schiebt die reinen Schulfragen als Gegenstand einer UEberlieferung die er ablehnt (vgl. Mt 15, 1-9 par.) beiseite, um die wahre Botschaft Gottes zu verkünden und die Menschen zu deren Annahme zu bewegen.

3. Das Geheimnis dieser so völlig neuen Haltung liegt in der Tatsache, dass seine Lehre zum Unterschied von den menschlichen Lehrern nicht von ihm selbst stammt, sondern von dem, der ihn gesandt hat (Jo 7, 16f); er sagt nur das, was sein Vater ihn lehrt (Jo 8, 28). Seine Unterweisung annehmen heißt sich also Gott selbst erschließen. Um dies zu erreichen, bedarf es aber einer gewissen Bereitschaft des Herzens, die zur Erfüllung des göttlichen Willens geneigt macht (Jo 7, 17). Noch tiefer gesehen aber, muss man jene innere Gnade erlangt haben, die den Menschen nach der Verheißung der Propheten für die Unterweisung Gottes aufgeschlossen macht (Jo 6, 44f). Hier aber rührt man an das Geheimnis der menschlichen Freiheit in ihrem Verhältnis zur Gnade: Das Wort Christi des Lehrers stößt auf die freiwillige Blindheit derer, die behaupten, sie sähen klar (vgl. Jo 9, 39ff).

II. Die apostolische Unterweisung

1. Während seines öffentlichen Lebens übertrug Jesus seinen Jüngern vorübergehende Missionsaufträge, die sich nicht so sehr auf ins einzelne gehende Unterweisungen bezogen als auf die Verkündigung der Frohen Botschaft (Mt 10, 7 par.). Erst nach seiner Auferstehung erhalten sie von ihm einen klaren Befehl, der sie gleichzeitig zu ,,Predigern, Aposteln und Lehrern" bestellt (vgl. 2 Tim 1, 11). ,,Gehet hin und machet alle Völker zu Jüngern ... indem ihr sie alles halten lehret, was ich euch geboten habe" (Mt 28, 19f). Zur Erfüllung dieser Aufgabe von ungeheurer Tragweite hat er ihnen für die hierzu vorgesehene Zeit verheißen, dass ihnen der Heilige Geist gesendet und dieser sie alles lehren würde (Jo 14, 26). Als Schüler des Heiligen Geistes der sie zu vollkommenen Jüngern Christi zu machen vermag, werden sie den Menschen eine Unterweisung vermitteln, die nicht von ihnen, sondern von Gott kommt. Deshalb werden sie auch mit Autorität sprechen können; der Herr selbst wird bei ihnen sein bis ans Ende der Zeiten (Mt 28, 20; Jo 14, 18f).

2. Nach dem Pfingstfest gingen die Apostel daran, diesen Lehrauftrag auszuführen, nicht in ihrem eigenen Namen, sondern ,,im Namen Jesu" (Apg 4, 18; 5, 28), dessen Taten und Worte sie unter steter Berufung auf dessen Autorität verkünden. Gleich Jesus lehren sie im Tempel (Apg 5, 21), in der Synagoge (Apg 13, 14...), in verschiedenen Häusern (Apg 5, 42). Den Gegenstand dieser Unterweisung bildet vor allem die Verkündigung der Heilsbotschaft. Jesus, der Messias und Sohn Gottes, erfüllt die Erwartung Israels; sein Tod und seine Auferstehung erfüllen die Heilige Schrift; es gilt, sich zu bekehren und an ihn zu glauben, um den verheißenen Geist zu empfangen und dem Gericht zu entgehen (vgl. die Reden in der Apg). Es ist eine Anfangskatechese, die die Menschen zum Glauben führen will (vgl. Apg 2, 22 bis 40); sie wird nach der Taufe durch eine mehr in die Tiefe gehende Unterweisung ergänzt, der sich die ersten Christen gewissenhaft unterziehen (Apg 2, 42). Manche ausländische Zuhörer wundern sich über deren Neuheit (vgl. Apg 17, 19f); die jüdischen Behörden geraten vor allem ob deren Erfolg in Aufregung und suchen sie jenen zu untersagen, die keine ausgebildeten Schriftgelehrten waren (Apg 4, 13; vgl. 5, 28). Doch alles vergebens; nach der Verbreitung der Lehre in Judäa wurde sie in der gesamten griechischen Welt an bedeutende Menschenmassen herangetragen. Sie wurde auch als Wort (Apg 18, 11), als Zeugnis als Evangelium bezeichnet. Sie fand den Weg zu den Herzen, weil die Kraft des Geistes sie begleitete (vgl. Apg 2, 17ff), jenes Geistes, dessen Salbung in den Christen verbleibt und sie über alles belehrt (1 Jo 2, 27).

3. Derselbe Geist aber erweckt durch seine Charismen (vgl. 1 Kor 12, 8. 29) in der Kirche neben den Aposteln auch noch andere Lehrer, die ihnen bei ihrer Aufgabe der Evangelisierung zur Seite stehen: die didáskaloi, Katecheten, die damit beauftragt waren, in den jungen Gemeinden den Inhalt des Evangeliums darzulegen und näher zu erläutern (Apg 13, 1; Eph 4, 11). Gleichzeitig bildete sich ein fester Lehrbestand heraus, der die Glaubensregel darstellt (vgl. Röm 6, 17). Zur Zeit der Pastoralbriefe hat dieser bereits eine traditionelle Form angenommen (1 Tim 4, 13. 16; 5,17; 6, 1ff). Während aber der Glaube durch die Verkündigung falscher oder seichter Lehren bedroht wurde (Röm 16, 17; Eph 4, 3. 14; 1 Tim 1, 3; 6, 3; Apk 2, 14f. 24), die durch Irrlehrer verbreitet wurden (2 Tim 4, 3; 2 Petr 2, 1), bildete die Erhaltung und Weitergabe dieses echten Glaubensbestandes eine der wesentlichsten Sorgen der Hirten. Erziehung Gesetz Jünger Milch Predigen UEberlieferung Weisheit