GESETZ

Das hebräische Wort tora besitzt einen weiteren, weniger streng juridischen Sinn als das griechische nomos, womit es die LXX übersetzt hat. Es bezeichnet eine von Gott den Menschen erteilte ,,Unterweisung", um deren Verhalten zu regeln. Es wird vor allem auf jene Gesetzessammlung angewendet, die die alttestamentiche Tradition dem Moses zugeschrieben hat. Auf diesen im Judentum klassisch gewordenen Sinn des Ausdrucks gestützt, bezeichnet das Neue Testament jene gesamte Heilsveranstaltung, deren Kernstück diese Gesetzgebung gebildet hat (Röm 5,20), im Gegensatz zu jenem Reich der Gnade, das von Jesus Christus inauguriert worden ist (Röm 6,15; Jo 1,17) als ,,das Gesetz". Doch spricht es auch vom ,,Gesetz Christi" (Gal 6,2). Deshalb unterscheidet die Sprechweise der christlichen Theologie die beiden Testamente der Art, daß sie das eine das ,,alte Gesetz" und das andere das ,,neue Gesetz" nennt. Um die gesamte Heilsgeschichte zu sammenzufassen, anerkennt sie überdies das Vorhandensein und die Gültigkeit eines ,,Naturgesetzes" (vgl. Röm 2,14f) für alle jene Menschen, die am Rande der beiden obengenannten gelebt haben oder leben. Auf diese Weise werden drei wesentliche Etappen des Ratschlusses Gottes durch ein und dasselbe Wort charakterisiert, das deren ethischen und institutionellen Charakter verdeutlicht. Sie sollen uns hier als Leitfaden dienen.

A. Bis Moses: Das Naturgesetz

Der Ausdruck ,,Naturgesetz" kommt in dieser Form in der Heiligen Schrift überhaupt nicht vor. Doch tritt die Wirklichkeit, die er bezeichnet, darin klar zu Tage, wenn sie auch mit Hilfe verschiedener Darstellungsweisen verdeutlicht wird.

1. Altes Testament. Die Kapitel 1-11 der Genesis (und die wenigen Paralleltexte) liefern uns eine bildhafte Darstellung von jenem Bereich des religiös Gültigen, dem die Menschen bis zur entscheidenden Etappe der Verheißungen (Abraham und die Patriarchen) und des Gesetzes (Moses) verpflichtet waren. Schon am Uranfang sah sich der Mensch einem positiven Gebot gegen über, das ihm den Willen Gottes zum Ausdruck brachte (Gn 2,16f); in diesem Gebot bestand die Prüfung des Paradieses, und die UEbertretung dieses Gebotes hatte zur Folge, daß der Tod in die Welt kam (3,17ff; vgl. Weish 2,24; Röm 5,12). Selbstverständlich hat Gott den Menschen auch in der Folge nicht ohne Gesetz gelassen. Es gab für ihn eine sittliche Pflicht, die Gott dem Kain vor Augen gehalten hat (Gn 4,7) und die die Sintflutgeneration mißachtete (6,5). Es gab auch religiöse Vorschriften, die dem Noe bei der Bundesschließung mit Gott mitgeteilt wurden (9,3-6), und kultische Einrichtungen, die von den Menschen der damaligen Zeit geübt worden sind (4,3f; 8,20). Je nach dem Verhalten, das die Menschen diesem keimhaft vorhandenen Gesetz gegenüber an den Tag legten, sind sie gerecht (4,3; 5,24; 6,9) oder böse (4,4; 6,5. 11f; 11,1-9; vgl. Weish 10,3ff)

2. Neues Testament. Die paulinische Darstellung des Heilsratschlusses kennt jene Etappe der heiligen Geschichte sehr wohl, die von Adam bis Moses reicht (Röm 5,13f). Denn jener Bereich des religiös Gültigen, den sie darstellt, war derselbe, dem die Heidenvölker angehörten, die an der Berufung Israels keinen Anteil gehabt haben. Denn wenn Gott sie in der Zeit der Unwissenheit (Apg 17,30) ihre eigenen Wege gehen (Apg 14,16; vgl. Röm 1,24 bis 31) und tastend suchen ließ (Apg 17,27), so war ihnen deshalb doch sein Wille nicht unbekannt, war ihnen doch sein Gesetz ins Herz geschrieben und tat es sich ihnen mittels ihres Gewissens kund (Röm 2,14f). Unter ,,Gesetz" versteht der hl. Paulus hier wesentlich Vorschriften sittlicher Ordnung. Nach diesen wird Gott die Heiden richten (1,18; 2,12); nach diesen wird er sie auch verurteilen, da sie sich trotz der Kenntnis des göttlichen Verdiktes gegen die menschlichen Vergehen dagegen schuldig gemacht haben (1,32; vgl. schon Am 1,2-2,3). Doch weist der hl. Paulus nach, daß an der Quelle dieser sittlichen Verfehlungen die religiöse Sünde gestanden ist, die die wahre Natur des Ungehorsams gegen das Gesetz offenbart: Gott erkennen ohne ihm die Ehre zu geben (Röm 1,21).

B. Moses und das alte Gesetz

Das Volk des Alten Testaments ist von den Heiden abgesondert und einer anderen Norm unterstellt worden: der Norm eines von Gott selbst geoffenbarten positiven Gesetzes, der Thora des Moses.

1. Mannigfaltigkeit der Gesetzeselemente

1. Dieses Gesetz ist ausschließlich in den fünf Büchern des Pentateuchs zu suchen. Jene heilige Geschichte, die den Ratschluß Gottes von ihren Anfängen bis zum Tode des Moses nachzeichnet, wird immer wieder von legislativen Texten unterbrochen. Ihren Rahmen bilden die Schöpfung (Gn 2,2f), der Bund mit Noe (9,1-7), der Bund mit Abraham (17,9-14), der Auszug (Ex 12,1-28. 43-51), der Sinaibund und der Aufenthalt in der Wüste (Ex 20,1-17; 20,22-23. 32; 25-31; 34,10-28; 35-40; das ganze Buch Lv; Nm 1,1-10,28; 15; 17-19; 26-30; 35; fast das ganze Dt).

2. Eine solche Gesetzesmasse enthält Stoffe jeglicher Art, denn die Thora regelt das Leben des Gottesvolkes in allen seinen Bereichen. Sittliche Vorschriften, die im Dekalog ihre kürzeste und allgemeinste Formulierung gefunden haben (Ex 20,2-17; Dt 5,6-21), zeigen die Grundforderungen des menschlichen Gewissens mit einer Genauigkeit und Sicherheit auf, wie sie die Philosophen der heidnischen Antike nicht immer und nicht in allen Punkten in so hohem Grade erreicht haben. Juridische Vorschriften, die sich in mehreren Gesetzessammlungen verstreut finden, sorgen für das Funktionieren der zivilen Einrichtungen (im Bereich der Familie,der Gesellschaft, der Wirtschaft und des Rechtswesens). Kultische Vorschriften regelten endlich den Kult Israels mit seinen Riten, Beauftragten und Vorbedingungen (Reinheitsgesetze). Nichts blieb dem Zufall überlassen. Und da das Volk Gottes in einem besonderen Volke einen Träger besaß, dessen Strukturen es übernahm, waren selbst die zeitlichen Einrichtungen dieses Volkes dem positiven religiösen Recht unterstellt.

3. Dieselbe Vielfalt ist in der literarischen Formulierung der Gesetze festzustellen. Verschiedene Artikel kasuistischer Art (z. B. Ex 21,16...) gehören einer Gattung an, die in den altorientalischen Gesetzeswerken allgemein üblich war: der Gattung jener richterlichen Entscheidungen, denen sie ihre Herkunft verdankten. Andere (z. B. Ex 21,17) bringen die volkstümlichen Fluchsprüche in Erinnerung, die die Zeremonie der Bundeserneuerung begleiteten (Dt 27,15 . . .). Die in apodiktischer Form gehaltenen Gebote (z. B. der Dekalog) stellen direkte Befehle dar, durch die Gott seinem Volk seinen Willen kundtut. Einzelne Vorschriften endlich, denen eine Begründung beigegeben ist, nähern sich der Weisheitsbelehrung (z. B. Ex 22,25f). Im großen und ganzen geben die Gebote den Ton an. Auf diese Weise unterscheidet sich die Thora Israels eindeutig von anderen Gesetzeswerken, die im wesentlichen Sammlungen von richterlichen Entscheidungen sind. Sie erscheint vor allem als eine Unterweisung, die in befehlendem Ton im Namen Gottes selbst erteilt wird.

4. Auf Grund dieser Mannigfaltigkeit erhielt das Gesetz im Alten Testament verschiedene Bezeichnungen: Unterweisung (Thora), Zeugnis Vorschrift, Satzung, Gebot, Verfügung (oder Gericht), Wort Wille Weg Gottes (vgl. Ps 19,8-11; 119; passim) ... Daraus ersieht man, daß es in jeder Hinsicht über die Grenzen menschlicher Gesetzgebungen hinausgeht.

II. Stellung des Gesetzes im Alten Testament

1. Das Gesetz steht in engstem Zusammenhang mit dem Bund Als Gott Israel durch den Bund in besonderer Weise zu seinem Volke gemacht hatte, fügte er zu dieser Auserwählung >> Verheißungen hinzu, deren Verwirklichung die Geschichte der Folgezeit beherrschen sollte (Ex 23,22-33; Lv 26, 3-13; Dt 28,1-14). Doch stellte er auch Bedingungen: Israel mußte auf seine Stimme hören und seine Gebote beobachten, widrigenfalls würden es die göttlichen Fluchdrohungen treffen (Ex 23,21; Lv 26,14-45; Dt 28,15-68). Und tatsächlich beinhaltete die Zeremonie der Bundesschließung eine Verpflichtung, das göttliche Gesetz zu beobachten (Ex 19,7f; 24,7; vgl. Jos 24,21-24; 2 Kg 23,3). Es bildet also einen wesentlichen Teil jener religiösen OEkonomie, die Israel auf das Kommen des Heiles vorbereitete. Selbst seine Forderungen, so hart sie auch scheinen mögen, sind in Wirklichkeit eine Gnade, denn sie zielen darauf ab, aus Israel das weise Volk schlechthin (Dt 4,5-8) zu machen und es mit dem Willen Gottes in Einklang zu bringen. Sie stellen eine rauhe Schule dar, die für das ,,halsstarrige Volk" jene Lehrzeit bedeutete, die es in jene Heiligkeit einführen sollte, die Gott von ihm erwartete. Dies gilt vor allem für die sittlichen Gebote des Dekalogs, des Herzstücks der Thora. Doch gilt dies auch für die bürgerlichen und kultischen Vorschriften, die dessen Ideal im Rahmen der israelitischen Einrichtungen konkret umschreiben.

2. Dieser Zusammenhang des Gesetzes mit dem Bund erklärt auch, warum es in Israel kein anderes Gesetz gibt als das des Moses. Denn Moses ist der Mittler jenes Bundes, auf den die alte Heilsökonomie gegründet ist. Er ist also auch jener Mittler, durch den Gott seinem Volke die sich daraus ergebenden Verpflichtungen kundtut (Ps 103,7). Diese wesentliche Tatsache kommt in den Texten auf zweifache Weise zum Ausdruck. Kein menschlicher Gesetzgeber selbst der davidischen oder salomonischen Zeit hat seine eigene Autorität je an die Stelle der Autorität des Schöpfers der Nation gestellt oder sie dieser hinzu gefügt (selbst Ez 40-48, so mosaisch diese Kapitel auch inspiriert sind, ist der Thora nicht einverleibt worden). Umgekehrt sind sämtliche legislativen Texte dem Moses in den Mund gelegt und dem erzählenden Rahmen des Aufenthalts am Sinai eingefügt worden.

3. Das will aber nicht heißen, daß die Thora im Laufe der Zeit keine Entwicklung durchgemacht habe. Die innere Kritik unterscheidet darin mit Recht literarische Einheiten verschiedenen Tons und Charakters. Ein Beweis dafür, daß das mosaische Erbe durch verschiedene Kanäle weitergeleitet wurde, die mit den Quellen des Pentateuchs in Wechselbeziehung gestanden sind. Es wurde zu wiederholten Malen überarbeitet, den Bedürfnissen der Zeit angepaßt, in einzelnen Punkten ergänzt. Auf diese Weise wurde der Dekalog (Ex 20,1-17) und das Bundesgesetz (Ex 20,22-23, 33) in das Deuteronomium übernommen und erweitert (Dt 5,2-21; 12-18), das aufzeigt, daß die Liebe zu Jahve das erste Gebot ist, auf das sich alle anderen zurückführen lassen (6,49). Das Heiligkeitsgesetz (Lv 17-26) versucht eine Synthese anderer Art, deren Leitmotiv die Nachahmung des heiligen Gottes bildet (19,1). Die Grundlage der von verschiedenen Königen durchgeführten Reformen (1 Kg 15,12ff; 2 Kg 18,3-6; 22,1-23,25) bildet stets eine mosaische Thora, die sich im Stande der Weiterentwicklung und Vertiefung befindet. Die abschließende Tätigkeit des Esdras, die wahrscheinlich mit der endgültigen Fixierung des Pentateuchs in Zusammenhang steht, bestätigt nur den Wert und die Autorität dieses überlieferten Gesetzes (vgl. Esr 7,1-26; Neh 8), dessen Grundlage und wesentliche Ausrichtung Mose festgelegt hat.

III. Israel und das Gesetz

Im gesamten Verlauf des Alten Testaments ist das Gesetz immer gegenwärtig, dessen Forderungen dem Volke unablässig vor Augen gestellt werden. Bei den heiligen Schriftstellern bleibt es stets im Hintergrund ihres Denkens erkennbar.

1. Die Priester sind schon auf Grund ihres Amtes die Hüter und berufenen Kenner der Thora (Os 5,1; Jr 18,18; Ez 7,26). Sie haben das Volk die Entscheidungen und Unterweisungen Jahves zu lehren (Dt 33,10). Diese im Heiligtum erteilte Unterweisung (Dt 31,10f) bezog sich klarerweise auf die kultischen Belange (Lv 10,10f; Ez 22,26; Agg 2,11f; Zach 7,3). Doch beschäftigte sie sich auch mit allem, was die Lebensführung betraf: Als Interpreten eines heiligen Schatzes hatten die Priester die Aufgabe, das religiöse Wissen, die Erkenntnis der Wege Jahves zu vermitteln (Os 4,6; Jr 5,4f). Von ihnen stammen daher auch die Gesetzessammlungen; unter ihrer Obsorge hat sich die Entwicklung der Thora vollzogen.

2. Die Propheten Männer des Wortes die unter dem Antrieb des Geistes Gottes standen, anerkennen die Autorität dieser Thora, deren Vernachlässigung sie selbst den Priestern zum Vorwurf machen (vgl. Os 4,6; Es 22,26). Osee kennt zahlreiche ihrer Vorschriften (Os 9,12), und die Sünden, die er anprangert, sind vor allem Verletzungen des Dekalogs (4,1f). Jeremias predigt zur Unterstützung der deuteronomischen Reform (2 Kg 22) den Gehorsam gegen die ,,Worte des Bundes" (Jr 11,1-12). Ezechiel zählt Sünden auf, deren Katalog dem Heiligkeitsgesetz entnommen zu sein scheint (Es 22,1-16. 26). Die erhabene Sittlichkeit, die man ihnen zuschreibt, ist also nichts anderes als ein Rückgriff auf die Forderungen der mosaischen Thora, die sie vertiefen.

3. Es ist nicht zu verwundern, daß wir bei den Geschichtsschreibern Israels derselben Geisteshaltung begegnen. Bildete doch für die Sammler der alten UEberlieferungen der Sinaibund den eigentlichen Ausgangspunkt der Nation. Was die deuteronomischen Historiker angeht (Dt, Ri, Sm, Kg), so sinnen sie über den Sinn der Geschehnisse der Vergangenheit im Lichte jener Kriterien nach, die ihnen das Deuteronomium lieferte. Der priesterliche Historiker des Pentateuchs tut auf der Grundlage der Gesetzestradition seiner Umwelt dasselbe. Und als der Chronist daranging, die Geschichte der israelitischen Theokratie auf seine Art zu überarbeiten, ließ er sich von jenem Ideal leiten, das ihm ein endgültig festgelegter Pentateuch lieferte. Jedenfalls werden den Männern der Vergangenheit je nach ihrem Verhalten der Thora gegenüber Tadel oder Lob zuteil. Die so verstandene Geschichte wird zu einer lebendigen >Predigt, die das Volk Gottes zur Treue bewegen will.

4. Bei den Weisen wird die Unterweisung der Thora in neue Formen umgemünzt: in den Sprüchen und beim Siraziden in die Form von Lebensgrundsätzen; im Buch Tobias in die Form einer als Beispiel dienenden Biographie. Ja noch mehr: der Sirazide sagt ausdrücklich, daß die echte Weisheit nichts anderes ist als das Gesetz (Sir 24, 23 . . .); sie hat in Israel ihr Zelt aufgeschlagen, als durch Moses das Gesetz gegeben wurde (24, 8 ...). In einem Judentum, das nach der Prüfung des Exils endlich zur Treue gefunden hatte, können die Psalmisten die Größe des göttlichen Gesetzes besingen (Ps 19,8...) als der wertvollsten aller Gaben, die keinem anderen Volke zuteil wurde (Ps 147,19). Wenn sie ihrer Liebe zum Gesetz Ausdruck verleihen (Ps 119), lassen sie ihre Liebe zu Gott selber durchblicken und gewähren uns einen ausgezeichneten Einblick in die Eigenart der jüdischen Frömmigkeit der damaligen Zeit.

5. Denn nach Esdras stellte die Gemeinde von Israel die Thora endgültig in den Mittelpunkt ihres Lebens. Wie groß diese Glut der Liebe zum Gesetze gewesen ist, konnte man ersehen, als Antiochus Epiphanes den Versuch unternahm, die heiligen Zeiten und das Gesetz zu ändern (Dn 7,25; 1 Makk 1,41-51). Damals schuf die Liebe zur Thora Martyrer (1 Makk 1,57-63; 2,29-38; 2Makk 6,18-28; 7,2...). Gewiß hat es neben ihnen auch Verräter gegeben, die sich hellenisieren ließen. Doch stellte der makkabäische Aufstand, der vom ,,Eifer für das Gesetz" beseelt war (1 Makk 2,27), schließlich die traditionelle Ordnung wieder her, die von da an nicht mehr in Frage gestellt wurde. Das einzige Problem, das die Lehrer und Sekten noch zueinander in Gegensatz brachte, war das der Auslegung jener Thora, in der alle die einzige göttliche Lebensregel erblickten. Während sich die Sadduzäer an die geschriebene Thora hielten, deren einzig berechtigte Ausleger in ihren Augen die Priester waren, erkannten die Pharisäer der mündlichen Thora, d. h. der UEberlieferung der Alten, eine gleiche Autorität zu. Die (wahrscheinlich essenische) Sekte von Qumran aber bereicherte diese noch im Rahmen ihres Kultes des großen Gesetzgebers (d. h. des Moses), wobei sie sie nach ihren eigenen Kriterien auslegten. Diese Liebe zum Gesetz macht die Größe des Judentums aus. Doch brachte sie auch verschiedene Gefahren mit sich. Die erste Gefahr bestand darin, alle Gesetze, religiöse wie sittliche, bürgerliche wie kultische, auf dieselbe Stufe zu stellen, ohne ihnen im Hinblick auf das, was stets ihr Herzstück bilden sollte, den richtigen Standort anzuweisen (Dt 6,4). In dem Augenblick, da der Kult des Gesetzes zur kleinlichen Observanz ausartete und den Subtilitäten der Kasuisten ausgeliefert wurde, mußte er den Menschen ein Joch auferlegen, das sie unmöglich zu tragen vermochten (Mt 23,4; Apg 15,10). Die zweite, noch größere Gefahr aber bestand darin, die Gerechtigkeit des Menschen vor Gott nicht auf die göttliche Gnade sondern auf den Gehorsam gegen die Gebote und die UEbung guter Werke in dem Sinne zu gründen, als sei der Mensch imstande, sich selbst zu rechtfertigen Mit diesen beiden Problemen mußte sich das Neue Testament auseinandersetzen.

IV. Einem neuen Gesetze entgegen

Nun aber bezeugte das Alte Testament selbst, daß das Gesetz am Ende der Zeiten zugleich mit dem Neuen Bund eine tiefgreifende Umwandlung erfahren werde. Mußte aber diese Thora, die der Gott Israels von seinem heihgen Berg aus alle Völker lehren (Is 2,3), und diese Norm, die der Knecht Jahves auf die Erde bringen sollte (Is 42,1. 4), an religiösem Wert nicht über jene hinausgreifen, die Moses gegeben hatte? Gewiß machen die prophetischen Wahrsprüche keine näheren Angaben über ihren genauen Inhalt: nur Ezechiel versucht aus einem völlig traditionsgebundenen Geist heraus eine Skizze davon zu entwerfen (Ez 40-48). Eines aber steht fest, daß die Beziehung zwischen dem Menschen und dem Gesetz eine AEnderung erfahren wird. Es wird sich nicht mehr bloß um ein Gesetz handeln, das außerhalb vom Menschen bleibt und auf steinerne Tafeln geschrieben ist, es wird in das Innere der Herzen geschrieben sein, so daß alle zu jener Erkenntnis Jahves gelangen (Jr 35,33), deren das Volk des Alten Bundes ermangelte (Os 4,2). Denn auch die Herzen werden umgewandelt werden, und unter dem Antrieb des gött lichen Geistes werden die Menschen endlich die Gesetze und Weisungen Gottes beobachten (Ez 36,26f). Dies aber wird jenes neue Gesetz sein, das Christus der Welt bringen wird.

C.Jesus und das neue Gesetz

I. Das persönliche Verhalten Jesu

1. Die Haltung Jesu dem alten Gesetz gegenüber ist klar, aber nuanciert. Wenn er sich jener UEberlieferung der Alten, zu deren Verteidiger sich die Schriftgelehrten und Pharisäer machten, heftig widersetzt, so gilt für das Gesetz nicht dasselbe. Ganz im Gegenteil: er lehnt diese UEberlieferung eben deshalb ab, weil sie die Menschen dazu führt, das Gesetz zu übertreten und das Wort Gottes zunichte zu machen (Mk 12,28-34 par.). Nun aber darf das Gesetz im Reiche Gottes nicht abgeschafft werden, sondern muß bis auf das letzte Jota erfüllt werden (Mt 5,17ff), und Jesus selbst beobachtet es (vgl. 8,4). Sofern also die Schriftgelehrten Moses die Treue hielten, mußte ihre Autorität anerkannt werden, wenn man auch ihr Verhalten nicht nachahmen durfte (23,2f). Und doch inauguriert Jesus mit der Verkündigung der Frohbotschaft vom Reiche Gottes eine radikal neue religiöse Norm; das Gesetz und die Propheten haben mit Johannes dem Täufer ihr Ende gefunden (Lk 16,16 par.). Der Wein des Evangeliums kann nicht in die alten Schläuche der Satzungen des Sinaibundes gegossen werden (Mk 2,21 f par.). Worin aber besteht die Erfüllung des Gesetzes, die Jesus gebracht hat? Zunächst darin, daß verschiedene Gebote wieder den ihnen gebührenden Platz erhielten. Seine Hierarchie der Werte weist gegenüber der von den Schriftgelehrten aufgestellten bedeutende Unterschiede auf. Vernachlässigten diese doch das Wichtigste (Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, gute Absicht), um Nebensächliches überzubetonen (Mt 23,16-26). Ferner sollten jene Unvollkommenheiten, die das alte Gesetz ,,wegen der Härte der Herzen" (19,8) noch in sich schloß, im Reiche Gottes verschwinden. Die neue Verhaltensregel ist ein Gesetz der Vollkommenheit in Nachahmung der Vollkommenheit Gottes (5,21-48). Ein undurchführbares Ideal, wenn man es an der gegenwärtigen Beschaffenheit des Menschen mißt (vgl. 19,10). Deshalb hat Jesus nicht nur dieses Gesetz gegeben, sondern auch ein Beispiel, das mitreißt, und eine innere Kraft die zu dessen Beobachtung befähigt: die Kraft des Geistes (Apg 1,8; Jo 16,13). Endlich gipfelt das Gesetz des Reiches Gottes in jenem Doppelgebot, das schon vor alters formuliert worden war und dem Menschen vorschreibt, Gott zu lieben und den Nächsten zu lieben wie sich selbst (Mk 12,28-34 par.). Alles kreist um dieses Doppelgebot, alles leitet sich von ihm her. In den Beziehungen der Menschen untereinander enthält diese goldene Regel der positiven Liebe das ganze Gesetz und die Propheten (Mt 7,12).

2. Schon auf Grund dieser Stellungnahme erscheint Jesus unter den Zügen eines Gesetzgebers. Ohne dem Moses im geringsten zu widersprechen, erklärt er dessen Unterweisungen, führt sie weiter und vervollkommnet sie; so, wenn er verkündet, daß der Sabbat für den Menschen da ist, nicht aber der Mensch für den Sabbat (Mk 2,23-27 par.; vgl. Jo 5,18; 7,21ff). Indes kommt es vor, daß er über den Buchstaben der Texte hinausgeht und ihm neue Normen gegenüberstellt. So beseitigt er z. B. die Vorschriften des Reinheitsgesetzes (Mk 7,15-23 par.). Ein solches Verhalten setzt seine Zuhörer im Erstaunen, denn es hob sich von dem der Schriftgelehrten ab und verriet das Bewußtsein einer besonderen Autorität (1,22 par.). Damit trat Moses in den Hintergrund. Im Reiche Gottes gibt es nur mehr einen einzigen Lehrer (Mt 23,10). Die Menschen müssen auf sein Wort hören und danach handeln (7,24ff). Denn nur so werden sie den Willen des Vaters erfüllen (7,21ff). Und genauso wie die gläubigen Juden nach der Ausdrucksweise der Rabbinen das Joch des Gesetzes auf sich nehmen, genauso muß man jetzt das Joch Christi auf sich nehmen und von ihm lernen (11,29). Ja noch mehr: genau so wie das ewige Schicksal der Menschen bis dahin von ihrem Verhalten dem Gesetz gegenüber abhing, wird es nunmehr von ihrer Haltung Jesus gegenüber abhängen (10,32f). Kein Zweifel, hier ist mehr als Moses. Das von den Propheten angekündigte neue Gesetz ist in Kraft getreten.

II. Das Problem im Urchristentum

1. Jesus hatte die Beobachtung des jüdischen Gesetzes nicht verurteilt; er hatte sich sogar im wesentlichen daran gehalten, ob es sich dabei um die Tempelsteuer (Mt 17,24-27) oder um die Paschagesetzgebung handeln mochte (Mk 14,12ff). Dem entsprach zunächst auch das Verhalten der apostolischen Gemeinde, die einmütig im Tempel verharrte (Apg 2,46), weshalb ,,sie beim jüdischen Volke hoch in Ehren standen" (5,13). Wenn sie sich auch gewisse Freiheiten gestatteten, wozu sie das Beispiel Jesu berechtigte (9,43) hielt man sich an die gesetzlichen Vorschriften und legte sich sogar nicht streng vorgeschriebene UEbungen der Frömmigkeit auf (18,18; 21,23f), und es fehlte unter den Gläubigen nicht an eifrigen Anhängern des Gesetzes (21,20).

2. Doch tauchte in dem Augenblick ein neues Problem auf, als unbeschnittene Heiden dem Glauben beitraten, ohne sich zuerst dem Judentum anzuschließen. Petrus selbst taufte den Hauptmann Cornelius, nachdem ihm eine göttliche Vision darüber belehrt hatte, daß er die für rein zu halten habe, die Gott durch den Glauben und die Gabe des Geistes gereinigt hat (Apg 10). Die Opposition der Eiferer für das Gesetz (11,2f) brach vor der Evidenz eines göttlichen Eingreifens zusammen (11,4-18). Doch ließ eine Massenbekehrung von Griechen in Antiochien (11,20), für die sich Barnabas und Paulus einsetzten (11,22-26), den Streit neuerdings aufflammen. Observanten, die aus Jerusalem oder genauer aus der Umgebung des Jakobus kamen (Gal 1,12), wollten die Neubekehrten zur Beachtung der Thora zwingen (Apg 15,1f.5). Petrus nahm bei seinem Besuch der Kirche von Antiochien dieser Schwierigkeit gegenüber keine klare Haltung ein (Gal 2,11f). Paulus war der einzige, der sich erhob, um die Freiheit der bekehrten Heiden von den gesetzlichen Vorschriften zu verteidigen (Gal 2,14-21). In einer zu Jerusalem abgehaltenen Vollversammlung gaben ihm Petrus und Jakobus schließlich recht (Apg 15,7-19). Selbst Titus, der Begleiter des hl. Paulus, wurde nicht gezwungen, sich beschneiden zu lassen, und die einzige Auflage, die für die Christengemeinde festgesetzt wurde, war ein Almosen für die Mutterkirche (Gal 2,1-10). Dazu kam eine praktische Verhaltensregel, die der Tischgemeinschaft in den syrischen Kirchen zugute kommen sollte (Apg 15,20f; 21,25). Diese befreiende Entscheidung ließ bei den Gesetzeseiferern jedoch eine geheime Unzufriedenheit gegenüber dem hl. Paulus zurück (vgl. 21,21).

III. Die Lehre des hl. Paulus

In seinem apostolischen Wirken auf heidnischem Boden stieß der hl. Paulus alsbald auf den Widerstand dieser Judenchristen, vor allem in Galatien, wo sie hinter ihm eine regelrechte Gegenmission organisierten (Gal 1,6f; 4,17f). Dies gab ihm Veranlassung, seinen Gedankengang über das Gesetz darzulegen.

1. Der hl. Paulus ist der Verkünder der einzigen Frohbotschaft. Nun aber wird der Mensch nach dieser nur durch den Glauben an Christus gerechtfertigt, nicht aber durch die Werke des Gesetzes (Gal 2,16; Röm 3,28). Dieser Grundsatz hat eine zweifache Bedeutung. Einerseits prangert der hl. Paulus die Nutzlosigkeit kultischer Gepflogenheiten an, die dem Judentum eigentümlich waren, wie die Beschneidung (Gal 6,12) und die Einhaltung gewisser Vorschriften (4,10). In diesem Sinne beschränkt sich das Gesetz auf die Einrichtungen des Alten Bundes. Andererseits nimmt der hl. Paulus gegen eine falsche Vorstellung von der Heilsveranstaltung Stellung, der zufolge der Mensch seine eigene Rechtfertigung durch seine Beobachtung des göttlichen Gesetzes zu verdienen vermöchte, während er in Wirklichkeit ohne sein Verdienst durch das Opfer Christi gerechtfertigt wird (Röm 3, 21-26; 4,4). Hier stehen auch die Gebote der sittlichen Ordnung mit in Frage.

2. Unter dieser Voraussetzung kann nun die Frage gestellt werden, welches denn der Seinsgrund dieses Gesetzes im Heils- Ratschluß gewesen sei. Denn es ist unbestreitbar, daß es von Gott kommt. Wenn es den Menschen auch durch die Vermittlung von Engeln gegeben worden ist, was ein Zeichen seines geringeren Wertes ist (Gal 3,19), ist es doch heilig und geistig (Röm 7,12. 14) und ist es eines der Vorrechte Israels (9,4). Doch ist es aus sich heraus nicht imstande, den fleischlichen, der Macht der Sünde verkauften Menschen zu erlösen (7,14). Selbst wenn man es vom sittlichen Standpunkt aus betrachtet, vermittelt es nur die Kenntnis des Guten, nicht aber die Kraft, dieses auch zu vollbringen (7,16ff). Es vermittelt die Kenntnis der Sünde (3,20; 7,7; Tim 1,8), nicht aber die Kraft, sich ihr zu entziehen. Die Juden, die es besitzen und seine Gerechtigkeit suchen (Röm 9,31), sind ebenso sündhaft wie die Heiden (2,17-24; 3,1-20). Statt die Menschen vom Bösen zu befreien, läßt es diese darin, fast möchte man sagen, nur noch tiefer versinken. Es liefert sie einem Fluche aus, von dem nur Christus sie erretten kann, indem er ihn auf sich nimmt (Gal 3,10-14). Als Erzieher und Vormund des Volkes Gottes in der Zeit seiner Jugend (3,23f; 4,1ff) schafft es in diesem ein Verlangen nach einer Gerechtigkeit, die unmöglich zu erreichen war, um es die absolute Notwendigkeit des einzigen Erlösers um so besser erkennen zu lassen.

3. Von dem Augenblick an aber, da dieser Erlöser kam, unterstand das Volk Gottes diesem Erzieher nicht mehr (Gal 3,25). Christus, der den Menschen von der Sünde befreit (Röm 6,1-19), befreit ihn auch von der Vormundschaft des Gesetzes (7,1-6). Er beseitigt den inneren Widerspruch, der das menschliche Gewissen zum Gefangenen des Bösen gemacht hatte (7,14-25). Auf diese Weise hat er der vorläufigen Ordnung ein Ende gesetzt, er bedeutet das Ende des Gesetzes (10,4), weil er den Gläubigen zur Gerechtigkeit des Glaubens Zugang verschafft (10,5-13). Was aber bedeutet dies? Daß es fortan für diejenigen, die an Christus glauben, keine konkrete Verhaltensregel mehr gibt? Durchaus nicht! So richtig es ist, daß jene juridischen und kultischen Vorschriften, die sich auf die Einrichtungen Israels bezogen, ihre Geltung verloren haben, so bleibt doch das sittliche Ideal der Gebote bestehen, deren Zusammenfassung jenes Gebot der Liebe ist, das die Erfüllung und die Fülle des Gesetzes ist (13,8ff). Doch hat sich dieses Ideal selbst von der alten Heilsveranstaltung losgelöst. Es ist durch die Gegenwart Christi, der es in seinem Leben verwirklicht hat, verklärt worden. Zum ,,Gesetz Christi" geworden (Gal 6,2; vgl. 1 Kor 9,21), liegt es nicht mehr außerhalb des Menschen, der Geist Gottes schreibt es in unsere Herzen, wenn er sie mit seiner Liebe erfüllt (Röm 5,5; vgl. 8,14ff). Seine praktische Verwirklichung ist die selbstverständliche Frucht des Geistes (Gal 5,16-23). In diese Perspektive stellt sich der hl. Paulus hinein, wenn er ein Bild von jenem Sittlichkeitsideal entwirft, das den Christen verpflichtet. Dabei zählt er Verhaltensregeln auf, die um so strenger verpflichten, als sie die christliche Heiligkeit zum Ziele haben (1 Thess 4,3). Er kann sich dabei sogar auf die Kasuistik einlassen und diese durch die Worte Jesu in ein neues Licht rücken (1 Kor 7,10). Dieses neue Gesetz ist nicht mehr wie das alte. Es verwirklicht die Verheißung eines Bundes, der in die Herzen geschrieben ist (2 Kor 3,3).

IV. Die übrigen apostolischen Schriften

1. Der Hebräerbrief faßt das Gesetz, d. h. die alte Heilsveranstaltung, unter dem Gesichtspunkt des Kultes ins Auge. Der Verfasser kennt die Zeremonien, die nach dessen Vorschriften vollzogen wurden (Hebr 7,5f; 8,4; 9,19. 22; 10,8). Aber er weiß auch, daß dieses Gesetz das Ziel, das es im Auge hatte, nicht zu erreichen vermochte: die Heiligung der Menschen. Das Gesetz hat nichts zur Vollendung gebracht (7,19). Denn es enthielt nur das Schattenbild der künftigen Dinge (10,1), das unvollkommene Vorbild ( Typos des Opfers Jesu. Die neue Heilsveranstaltung dagegen enthält die Wirklichkeit dieser Güter, die uns bildhaft nahegebracht werden (10,1), wobei aber dieses Bild diese Wirklichkeit nicht nur sinnenfällig macht, sondern auch mitteilt. Deshalb hat sich zur selben Zeit, da das Priestertum Jesu an die Stelle eines vorläufigen Priestertums getreten ist, auch ein Wandel des Gesetzes vollzogen (7,12). Dadurch hat die prophetische Verheißung eines Gesetzes, das den Herzen eingeschrieben ist, ihre Erfüllung gefunden (8,10; 10,16).

2. Der Jakobusbrief spricht vom Gesetz nur vom Gesichtspunkt seiner sittlichen Vorschriften aus, die durch die Lehre Jesu ihre Bestätigung gefunden haben. So aufgefaßt, bildet das Gesetz kein Element der nunmehr überholten alten Heilsökonomie mehr, sondern jenes vollkommene Gesetz der Freiheit dem wir stets unterstehen (Jak 1,25). Seinen Höhepunkt bildet das königliche Gebot der Liebe (2,8). Doch darf auch keine seiner übrigen Vorschriften außer acht gelassen werden, sonst würde man zum UEbertreter des Gesetzes und nach ihm gerichtet werden (2,10-13; vgl. 4,11). Das neue Gesetz stellt keine geringeren Forderungen an den Menschen als das alte.

3. In der Redeweise des hl. Johannes bezeichnet das Wort Gesetz stets das Gesetz des Moses (Jo 1,17. 45; 7, 19. 23), das Gesetz der Juden (7,49. 51; 12,34; 18,31; 19,7), ,,euer Gesetz", wie Jesus sagt (8,17; 10,34). Im Gegensatz zu dieser abwertenden Verwendung steht die des Wortes ,,Gebot". Jesus selbst hat von seinem Vater Gebote erhalten und hat sie beachtet, weil sie ewiges Leben sind (12,49f). Er hat das Gebot erhalten, sein Leben hinzugeben, was den höchsten Erweis der Liebe bedeutet, den es geben kann (15,13). Nun aber ist dieses Gebot eben das Zeichen jener Liebe, die der Vater zu ihm hegt (Jo 10,17f). Ebenso müssen auch die Christen ihrerseits die Gebote Gottes beachten (1 Jo 3,22). Diese Gebote bestehen darin, an Christus zu glauben (1 Jo 3,23) und in der Wahrheit zu leben (2 Jo 4). Diese Gebote unterscheiden sich nicht von den Geboten Christi selbst, dessen Lehre vom Vater stammt (Jo 7,16f); die Gebote Gottes beachten ( Gehorsam und das Zeugnis Jesu festhalten ist ein und dasselbe (Apk 12,17; 4,12).

Deshalb ist der hl. Johannes darauf bedacht, die persönlichen Gebote Jesu in Erinnerung zu rufen. Man muß diese Gebote beachten, um ihn in Wahrheit zu erkennen (1 Jo 2,3f), um seine Liebe in uns zu haben (1 Jo 2,5), um in seiner Liebe zu bleiben (Jo 14,15; 2 Jo 5), so wie er die Gebote seines Vaters beobachtet und in seiner Liebe bleibt (Jo 15,10). Ja, das ist das Zeichen der wahren Liebe, daß man die Gebote beachtet (Jo 14,21; 1 Jo 5,2f; 2 Jo 6). Unter diesen Geboten ist eines, welches das Gebot schlechthin ist, alt und neu zugleich; es ist das Gebot der brüderlichen Liebe (Jo 13,34; 15,12; 1 Jo 2,7f), das ein Ausfluß der Liebe zu Gott ist (1 Jo 4,21). Hier trifft sich das Zeugnis des Johannes mit dem des Paulus und der übrigen Evangelisten. Mit der Abschaffung des Gesetzes, das seine Geltung verloren hat, seit Jesus nach dessen Vorschriften verurteilt worden ist (Jo 18,31; 19,7), ist ein neues Gesetz in Kraft getreten, das anderer Natur ist und sich an das Wort Jesu anschließt. Dieses bleibt für immer die Regel des christlichen Lebens. Befreiung