PROPHET

I. Verschiedenheit und Einheit des Prophetentums in Israel

Wo immer es im Alten Orient Menschen gab, die die Wahrsagung ausübten (vgl. Nm 22, 5f; Dn 2, 2; 4, 3f), wurden sie für tauglich erachtet, von der Gottheit eine Botschaft zu empfangen. Man befragte sie nicht selten vor bedeutenden Unternehmungen. Es kam vor, dass auch Propheten Israels ähnliche Funktionen ausübten (1 Kg 22, 1 - 29); doch unterscheiden sie der göttliche Ursprung, der stete Fortbestand und der Gegenstand ihrer Botschaft von diesen Wahrsagern (vgl. Dt 18, 14f).

1. Ursprung. Wo beginnt das biblische Prophetentum? Abraham wird zwar der Titel eines Propheten gegeben, doch geschah dies auf Grund späterer UEbertragung (Gn 20, 7). Moses, der ein echter Gesandter Gottes gewesen ist (Ex 3 - 4), ist in bezug auf die Prophetie eine Quelle (Ex 7, 1; Nm 11, 17 - 25) und daher mehr als ein Prophet (Nm 12,6 - 8). Das Deuteronomium ist das einzige Buch des Gesetzes, das ihm diesen Namen gibt (Dt 18, 15); aber nicht im gleichen Sinne wie den übrigen Propheten, denn keiner nach ihm ist ihm gleichgekommen (Dt 34, 10). Gegen Ende der Richterzeit tauchen Gruppen von ,,Prophetensöhnen" auf (1 Sm 10, 5f), deren äusseres Gehaben (1 Sm 19, 20 - 24) den Einfluss ,der kananäischen Umwelt erkennen lässt. Mit ihnen kam das Wort nabi (der ,,Gerufene" ?) in Gebrauch. Doch bestanden neben diesem auch die alten Titel ,,Seher" (1 Sm 9, 9), ,,Visionär" (Am 7, 12), ,,Mann Gottes" (1 Sm 9, 7f) weiter, welch letzterer vor allem dem Elias und insbesondere dem Elisäus gegeben wurde (2 Kg 4, 9). UEbrigens wurde der Titel nabi nicht bloss den echten Jahvepropheten gegeben. Neben ihnen gibt es auch n.biim des Baal (1 Kg 18, 22); es gab auch Menschen, die aus dem Prophetentum einen Beruf machten, aber sprachen, ohne von Gott inspiriert zu sein (`1 Kg 22, 5f. ..). Die Untersuchung des Wortschatzes beweist also, dass das Prophetentum sehr verschiedene Aspekte aufweist; doch wird es im Zuge seiner Entwicklung seine Einheit erweisen.

2. Der stete Fortbestand. Es hat eine regelrechte prophetische UEberlieferung gegeben, die durch die Propheten- Jünger weitergegeben wurde. Der Geist konnte wie im Falle des Moses übertragen werden (Nm 11, 17), ebenso von Elias auf Elisäus (2 Kg 2). Isaias tut seiner Jünger Erwähnung (Is 8, 16), und Jeremias wurde von Baruch begleitet. Der Knecht Jahves, dessen Gestalt mehr noch als die des Moses das Prophetentum überbietet, nimmt die Züge eines lehrenden Propheten- Jüngers an (Is 50, 4f; 42, 2 ff). In diesem Rahmen einer lebendigen UEberlieferung spielte die Schrift naturgemäss eine mit der Zeit an Bedeutung zunehmende Rolle (Is 8, 16; Jr 36, 4); es sind nicht mehr bloss einzelne Worte, die Jahve Ezechiel in den Mund legt, sondern ein ganzes Buch Vor allem seit dem Exil wurde sich Israel rückschauend einer prophetischen UEberlieferung bewusst (Jr 7, 25; vgl. 25, 4; 29, 19; 35, 15; 44, 4). Das Trostbuch (aus der isaianischen Schule) stützt sich auf diese UEberlieferung, wenn es die alten Vorhersagen Jahves in Erinnerung ruft (Is 45, 21; 48, 5). Doch besitzt die prophetische UEberlieferung eine Quelle der Einheit, die einer anderen Ordnung angehört als diese mit unseren Massstäben zu fassenden Beziehungen: sämtliche Propheten sind, und dies von allem Anfang an, vom selben Geist Gottes beseelt (selbst wenn einzelne von ihnen den Geist nicht ausdrücklich als die Quelle der Prophetie bezeichnen; vgl. 1 Sm 10, 6; Mich 3, 8 (hebr.); Os 9, 7; Joel 3, 1f; Ez 11, 5). Welcher Art immer auch ihre gegenseitige Abhängigkeit gewesen sein mag, sie erhalten das Wort von Gott. Das prophetische Charisma ist ein Charisma der Offenbarung (Am 3, 7; Jr 23, 18; 2 Kg 6, 12), das den Menschen Erkenntnisse vermittelt, zu denen er aus eigener Kraft nicht zu gelangen vermöchte. Ihr Gegenstand ist vielfältig und einheitlich zugleich. Es ist der Ratschluss des Heiles, der in Jesus Christus seine Erfüllung finden und seine Einheit erweisen wird (vgl. Hebr 1, 1f).

3. Der Prophet in der Gemeinde. Das Prophetentum hatte auf Grund dessen, dass es eine UEberlieferung bildete, auch einen ganz bestimmten Platz in der Gemeinde Israels inne; es gehörte dazu, ohne dass sie es absorbierte. Der Prophet spielt im Heiligtum des Königs zusammen mit dem Priester eine bedeutsame Rolle (1 Kg 1). König, Priester, Prophet bilden lange Zeit hindurch die drei Säulen der Gesellschaft Israels. Verschieden genug, um zuweilen zueinander in Gegensatz zu geraten, normalerweise aber doch aufeinander angewiesen. Solange ein Staat existiert, sind Propheten da, um die Könige zu belehren: Nathan, Gad, Elisäus, vor allem Isaias und gelegentlich auch Jeremias. Ihnen kam es zu, zu sagen, ob das geplante Unternehmen dem Willen Gottes entsprach, ob sich eine bestimmte Politik dem Rahmen der Heilsgeschichte einfügte. Trotzdem ist das Prophetentum im strengen Sinne keine feste Einrichtung gleich dem Königtum und dem Priestertum Israel vermag sich einen König zu geben (Dt 17, 14f)' nicht aber einen Propheten. Dieser ist ein reines Geschenk Gottes, ein Gegenstand der Verheissung (Dt 18, 14 - 19), aber aus freien Stücken gegeben. Am deutlichsten wurde dies zu jener Zeit spürbar, als das Prophetentum eine Unterbrechung erfuhr (1 Makk 9, 27; vgl. Ps 74, 9). Damals lebte Israel in der Erwartung des verheissenen Propheten (1 Makk 4, 46; 14, 41). Von diesen Voraussetzungen aus versteht man auch die begeisterte Aufnahme, die die Juden der Predigt Johannes des Täufers zuteil werden liessen (Mt 3, 1 - 12).

II. Das persönliche Schicksal der Propheten

1. Berufung. Dem Propheten kommt in der Gemeinde ein Platz zu, aber das, was ihn zum Propheten macht, ist die Berufung Dies ist eindeutig der Fall bei dem Ruf, der an Moses Samuel, Amos, Isaias, Jeremias, Ezechiel erging, und nicht zuletzt beim Knecht Jahves. Die lyrischen Ergüsse des Jeremias kreisen um dasselbe Thema. Gott kommt die gesamte Initiative zu; er beherrscht die Person des Propheten: ,,Jahve, der Allherr, spricht, wer sollte nicht weissagen?" (Am 3, 8; vgl. 7, 14f.) Jeremias, der vom Schosse seiner Mutter an für das Prophetenamt erkoren war (1, 5; vgl. Is 49, 1), sagt, dass Jahve ihn betört habe (20, 7 ff). Ezechiel fühlt die Hand Gottes schwer auf sich lasten (Ez 3, 14). Die Berufung weckt in Jeremias das Bewusstsein der Schwäche (Jr 1, 6), bei Isaias das der Sündhaftigkeit (Is 6, 5). Sie zielt stets auf eine Sendung ab, deren Werkzeug der Mund des Propheten ist, der das Wort Gottes verkünden soll (Jr 1, 9; 15, 19; Is 6, 6f; vgl. Ez 3, 1 ff).

2. Die Botschaft des Propheten und sein Leben. Belehrungen durch prophetische Handlungen (mehr als 30) gehen den mündlichen Darlegungen entweder voraus oder begleiten sie (Jr 28, 10; 51, 63 ..; Ez 3, 24 bis 5, 4; Zach 11, 15 . .). Dies bedeutet, dass sich das geoffenbarte Wort nicht auf gesprochene Worte beschränkt. Es ist Leben und wird von einer symbolischen (nicht aber magischen) Anteilnahme am Handeln Jahves begleitet, der das vollzieht, was er sagt. Einzelne dieser symbolischen Handlungen zeitigen sofortige Wirkungen: Kauf eines Feldes (Jr 32), Krankheiten und Angstzustände (Ez 3, 25f; 4, 4 - 8; 12, 18). Vor allem aber ist bemerkenswert, dass bei den grössten von ihnen das Ehe- und Familienleben mit in die Offenbarung einbezogen erscheint. Dies ist bei der Ehe des Osee der Fall (1 - 3). Isaias erwähnt die ,,Prophetin" nur kurz (Is 8, 3), doch sind er und seine Kinder Zeichen für das Volk (8, 18). Im Augenblick des Exils werden die Zeichen negativ. Hierher gehören die Ehelosigkeit des Jeremias (Jr 16, 1 - 9), die Witwenschaft Ezechiels (Ez 24, 15 - 27): ebenso viele Symbole, die nicht bildhafter Natur, sondern erlebt und dadurch an die Wahrheit gebunden sind. Die Botschaft kann nicht ausserhalb ihres Trägers verbleiben. Sie ist kein Konzept, auf das er Einfluss nehmen könnte; sie ist ein Sichkundtun des lebendigen (Elias), des heiligen Gottes (Isaias) in ihm.

3. Prüfungen. Jene, die in ihrem eigenen Namen reden (Jr 14, 14f; 23, 16), ohne gesandt worden zu sein (Jr 27, 15), die ihrem eigenen Geiste folgen (Ez 13, 3), sind falsche Propheten. Die wahren Propheten sind sich bewusst, dass es ein anderer ist, der sie sprechen lässt, so sehr, dass es vorkommt, dass sie sich korrigieren müssen, wenn sie aus eigenem Antrieb gesprochen haben (2 Sm 7). Die Gegenwart dieses anderen (Jr 20, 7 ff), die Last der erhaltenen Sendung (Jr 4, 19), verursacht nicht selten einen inneren Kampf. Die heitere Ruhe des Isaias lässt davon nur wenig durchblicken: ,,Ich harre auf Jahve, der sein Antlitz verbirgt" (Is 8, 17) . . Moses aber (Nm 11, 11 - 15) und Elias (1 Kg 19, 4) haben Krisen der Niedergeschlagenheit durchgemacht. Vor allem Jeremias beklagt sich bitter darüber, und einmal hat es fast den Anschein, als wolle er seiner Berufung untreu werden (Jr 15, 18f; 20, 14 - 18). Ezechiel ist ,,voll Bitterkeit und Grimm", ,,erstarrt" (Ez 3, 14f). Der Knecht Jahves macht eine Phase innerer Bedrängnis durch, wo ihm alles vergeblich erscheint (Is 49, 4). Endlich belässt Gott den Propheten selten die Hoffnung auf den Erfolg ihrer Sendung (Is 6, 9f; Jr 1, 19; 7, 27; Ez 3, 6f). Die Sendung des Isaias führt nur zur Verhärtung des Volkes (Is 6, 9f = Mt 13, 14f; vgl. Jo 15, 22). Ezechiel muß reden ,,ob man ihn hört oder nicht" (Ez 2, 5. 7; 3, 11. 27). Auf diese Weise werden die Menschen ,,erkennen, dass ich Jahve bin" (Ez 36, 38 usw.). Doch wird sich diese Erkenntnis Jahves erst nachträglich einstellen. Das prophetische Wort greift in jeder Weise über seine unmittelbaren Ergebnisse hinaus, denn seine Wirksamkeit ist eschatologischer Natur; gilt es doch in letzter Linie uns (1 Petr 1, 10 ff).

4. Tod. Die Propheten wurden unter Achab ausgerottet (1 Kg 18, 4. 13; 19, 10. 14), wahrscheinlich auch unter Manasse (2 Kg 21, 16), sicherlich unter Jojakim (Jr 26, 20 - 23). Jeremias sieht in diesen Gemetzeln nichts Aussergewöhnliches (Jr 2, 30); zur Zeit des Nehemias sind sie bereits sprichwörtlich geworden (Neh 9, 26), und Jesus kann sagen: ,,Jerusalem, das du die Propheten mordest" (Mt 23, 37) ... Die Vorstellung, dass der Tod der Propheten die Krönung all ihrer Tatprophetien ist, bricht sich auf Grund dieser Erfahrung allmählich Bahn. Die Sendung des Knechtes Jahves, der ihre Reihe beschliesst, beginnt in der Stille (Is 42, 2) und findet im Schweigen des Lammes, das man schlachtet, ihre Vollendung (Is 53, 7). Nun aber ist dieser Abschluss ein Höhepunkt, der bereits erahnt worden war; seit Moses legten die Propheten für das Volk Fürbitte ein (Is 37, 4; Jr7, 17; 10, 23f; Ez 22, 30). So wird auch der Knecht Jahves für die Sünder Fürsprache einlegen und sie durch seinen Tod erlösen (Is 53, 5. 11f).

III. Die Stellung der Propheten zu den anerkannten Werten

Die dramatische Auseinandersetzung zwischen dem Propheten und dem Volk vollzieht sich zunächst auf dem Boden der Voraussetzungen des Alten Bundes des Gesetzes, der bestehenden Einrichtungen, des Kultes.

1. Das Gesetz. Prophetentum und Gesetz besagen nicht zwei verschiedene Entscheidungsmöglichkeiten, zwei voneinander abweichende Strömungen, es handelt sich um verschiedene Funktionen, um zwei keineswegs gegeneinander völlig abgedichtete Teile innerhalb eines Ganzen. Das Gesetz stellt das zu jeder Zeit und für jeden Menschen Seinsollende dar. Der Prophet prangert zunächst jede auftauchende UEbertretung des Gesetzes an. Was ihn hier von den Vertretern des Gesetzes unterscheidet, ist, dass er nicht erst das Eintreten eines bestimmten Falles abwartet, um zu sprechen, und dass er dies ohne Berufung auf eine Vollmacht tut, die er von der Gesellschaft erhalten hätte, oder auf Grund eines Wissens, das ihm andere übermittelt hätten. Er setzt das Gesetz auf Grund dessen, was Gott ihm für den gegenwärtigen Augenblick offenbart, zur Existenz in Beziehung, er nennt Namen, er sagt dem Sünder, was Nathan dem David gesagt hat: ,,Du bist dieser Mann" (2 Sm 12, 7), er stellt über eben Geschehenes zur Rede (1 Kg 21, 20), und dies oft völlig überraschend (1 Kg 20, 38 - 43). Osee (4, 2), Jeremias (7, 9) spielen auf den Dekalog an; Ezechiel (18, 5 - 18) auf die Gesetze und das Brauchtum. Die Vorenthaltung des Lohnes (Jr 22, 13; vgl. Mal 3, 5), der Betrug (Am 8, 5; Os 12, 8; Mich 6, 10f), die Bestechlichkeit der Richter (Mich 3, 11; Is 1, 23; 5, 23), die Weigerung, den Sklaven zur rechten Zeit die Freiheit zu geben (Jr 34, 8 - 12), die Unmenschlichkeit der Gläubiger (Am 2, 8) und jener, die ,,das Gesicht der Armen zermalmen" (Is 3, 15; vgl. Am 2, 6 - 8; 4, 1; 8, 4 ff): ebenso viele Verstösse gegen das Gesetz, gegen den Bund! Doch beschränkt sich das Wesen des Gesetzes, das die Propheten in Erinnerung rufen, nicht bloss auf den geschriebenen Text; jedenfalls kann die Schrift nicht alles bewirken, was der Prophet bei seinen Zuhörern bewirkt. Auf Grund seines Charismas rührt er in jedem Menschen an jenen geheimen Punkt, wo das Licht erfasst oder abgelehnt wird. Nun aber wird in jener tatsächlichen Situation, in der das prophetische Wort entsteht, das Recht nicht nur missachtet, sondern verdreht (Mich 3, 9f; Jr 8, 8; Hab 1, 4), in Gift verwandelt (Am 5, 7; 6, 12); das Gute wird böse genannt und umgekehrt (Is 5, 20; 32, 5). Das ist jene Lüge die Jeremias unablässig verurteilt (Jr 6, 6 ..). Die Hirten trüben das Wasser der Schafe (Ez 34, 18f), die Schwachen werden irregeleitet (Is 3, 12 - 15; 9, 15; Am 2, 7). Das selber schuldig gewordene Volk verdient keinerlei Schonung (Os 4, 9; Jr 6, 28; Is 9, 16). Noch heftiger aber tadeln die Propheten die Priester und alle verantwortlichen Männer (Is 3, 2; Jr 5, 4f), die das Recht schützen sollten (Os 5, 1; Is 10, 1), es aber verfälschen. Einer solchen Situation gegenüber ist das Gesetz wehrlos. Wo die Zeichen versagen, bleibt nur mehr ein Weg übrig: die Scheidung zwischen zwei Geistern, dem Geist des Bösen und dem Geist Gottes. Das ist die Situation, in der man Propheten gegen Propheten antreten sieht (Jr 28).

2. Die UEberlieferungen. Doch handelt es sich nicht bloss um die Sünde; die Gesellschaft hatte sich gewandelt. Die Propheten waren sich dieses Wandels der Sitten bewusst, und zwar sowohl in der Kleidung (Is 3, 16 - 23) und in der Musik (Am 6, 5) wie in den sozialen Beziehungen. Da dieser Wandel in sämtlichen Lebensbereichen immer fühlbarer wurde, erlebte Israel jene Situation, auf die Samuel im voraus hingewiesen hatte (1 Sm 8, 10 - 18): seit dem Aufenthalt in AEgypten war das Herren- Sklaven-Verhältnis in das Innere des Volkes eingedrungen. Trotz vereinzelter antimonarchischer Stellungnahmen (Os 13, 11) erstrebten die Propheten aber kein Zurück zu den Zuständen von einst; dies war nicht ihre Aufgabe. Ja sie traten dem Volke sogar entgegen, wo es ein glückhaftes Bild von der Vergangenheit als ihm zustehend betrachtete, zu der die Rückkehr jederzeit offenstünde. Das war die Selbsttäuschung derer, die sagten: ,,Ist Jahve nicht unter uns?" (Mich 3, 11), die Jahve den ,,Freund ihrer Jugend" nannten (Jr 3, 4; Os 8, 2), die glaubten, mühelos erlangen zu können, dass ,,Jahve all seine Wunder für sie erneuere" (Jr 21, 2), jener, die glaubten, es könne gar nichts passieren: ,,Morgen wird es ebenso sein wie heute" (Is 56, 12; vgl. 47, 7) ... Diese verliessen sich auf die einschläfernde Predigt der falschen Propheten (Jr 23, 17) und wollten nicht, dass man ihnen die Augen für die tatsächliche Wirklichkeit öffne. Doch traten die Propheten für alles eher denn für eine Verleugnung der Vergangenheit ein; Elias kehrte zum Horeb zurück; Osee (11, 1 - 5) und Jeremias (2, 2f) sind von den Erinnerungen an die Wüste erfüllt, der Deutero-lsaias (Is 43, 16 - 21) von denen des Auszuges Doch verwechseln sie diese Vergangenheit nicht mit deren toten UEberresten. Sie diente ihnen nur dazu, der Religion des Volkes die rechte Richtung zu weisen.

3. Der Kult. Die Propheten haben radikale Worte gefunden gegen die Opfer (Jr 7, 21f; Is 1, 11 ff; Am 5, 21 - 25), gegen die Bundeslade (Jr 4, 16) und gegen den Tempel (Jr 7, 4; 26, 1 - 15) - gegen jenen Tempel, in dem Isaias seine Berufung zuteil geworden war (Is 6) und in dem Jeremias gepredigt hatte (Jr 7), wie Amos dies im Heiligtum von Bethel getan (Am 7, 13). Diese Worte hatten die tatsächlichen Verhältnisse im Auge. Sie verurteilen jene Opfer, die in Wirklichkeit Sakrilegien sind; sie lassen sich unter analogen Voraussetzungen ebensogut auf die Akte des christlichen Kultes anwenden. Deshalb weisen sie auf den relativen Wert dieser Zeichen hin, die nicht immer so waren und nicht immer so sein werden, wie sie jetzt sind (Am 5, 25; Jr 7, 22), die an sich allein weder zu läutern noch zu erlösen vermögen (vgl. Hebr 10, 1). Diesen Opfern kommt nur im Hinblick auf das einmalige Opfer Christi Bedeutung zu; und gerade der Offenbarung dieses ihres letzten Sinnes weist die Kritik der Propheten den Weg. UEbrigens begegnen sich von der Zeit des Exils an die Organisation des Kultes und das Prophetentum in Ezechiel (Ez 40 - 48; vgl. Is 58, 13), Malachias und Aggäus. Der jüdische Kult der Spätzeit ist ein geläuterter Kult, was zu einem grossen Teil der Tätigkeit der Propheten zuzuschreiben ist, die ebensowenig je an eine Religion ohne Kult gedacht haben wie an eine Gesellschaft ohne Gesetz.

IV. Der Prophet und die neue Heilsökonomie

Die Propheten bringen den lebendigen Gott zu seiner Kreatur in der Einmaligkeit des gegenwärtigen Augenblicks in Beziehung. Aber gerade aus diesem Grunde ist ihre Botschaft auf die Zukunft ausgerichtet. Sie sehen diese Zukunft mit ihrem doppelten Antlitz herannahen, mit dem des Gerichtes und mit dem des Heiles 1. Das Gericht. Isaias, Jeremias, Ezechiel sehen über die Vielfalt der UEbertretungen hinaus den steten Fortbestand der nationalen Sünde (Mich 7, 2; Jr 5, 1), die zu einer tief verwurzelten historischen Gegebenheit geworden ist (Is 48, 8; Ez 20; Is 64, 5). Sie ist tief eingegraben (Jr 17, 1), fest anhaftend gleich dem Rost oder der Farbe der Haut (Jr 13, 23; Ez 24, 6). Als Propheten beschreiben sie diese Situation in Ausdrücken historischer Momente. Sie sagen, die Sünde habe heute ihren Höhepunkt erreicht; Gott ließ sie dies ebenso schauen, wie er dies Abraham in bezug auf Sodoma hatte schauen lassen (vgl. Am 4, 11; Is 1, 10 . .). Deshalb schliesst ihre Botschaft neben einer Warnung die Verkündigung eines Urteils in sich, mit oder ohne genaue Zeitangabe, aber niemals in der Schwebe verbleibend: Israel hat den Bund gebrochen (Is 24, 5; Jr 11, 10). An den Propheten ist es, dies mit all seinen Konsequenzen aufzuzeigen. Das Volk harrt des Tages Jahves im Sinne eines Triumhes, sie aber künden an, dass er das genaue Gegenteil davon sein wird (Am 5, 18 ff). Der Weinberg der nur Enttäuschungen gebracht hat, wird vom Winzer zur OEde gemacht werden (Is 5, 1 - 7).

2. Das Heil. Indes wissen die Propheten schon zur Zeit des Amos, dass Gott vor allem Erlöser ist. Jeremias ist dazu ausersehen, ,,auszureissen und einzureissen, zu vernichten und zu zertrümmern, zu bauen und zu pflanzen" (Jr 1, 10). Israel hat den Bund gebrochen, doch ist damit nicht alles gesagt: hat denn auch Gott, der Urheber dieses Bundes die Absicht, diesen zu brechen? Kein Weiser vermochte auf diese Frage eine Antwort zu geben, denn in der Vergangenheit hat Israel auf die Treue Gottes gebaut, um ihm untreu sein zu können, und hat sich auf diese Weise in die Sünde verschlossen. Doch wenn der Weise schweigt (Am 5, 13), spricht der Prophet. Er allein vermag zu sagen, dass Gott nach dem Strafgericht den Sieg davontragen wird, indem er vergibt, ohne dazu gehalten zu sein (Ez 16, 61), nur um seiner Herrlichkeit willen (Is 48, 11). Diese Perspektive wird von da an noch besser verständlich, da Osee begann, die Lehre vom Bunde unter dem Bilde der Brautschaft als die prophetische Antwort auf jene offenen Fragen zu entfalten, die sich auf den Bund bezogen: die Ehe bleibt ein Vertrag, doch vermag ihr nur die Liebe Sinn zu verleihen; diese Liebe aber schliesst jede Berechnung aus und macht die Vergebung begreiflich.

3. Die Herolde des Neuen Bundes. Das Exil und die darauffolgende Zerstreuung vollstreckten das Urteil. Wenn das Gesetz Israel sein Unvermögen erleben ließ (vgl. Röm 7), so deshalb, weil die Propheten ihm die Augen geöffnet hatten. Dann aber schlug die Stunde des Erbarmens Die Propheten verkündeten dies schon zur Zeit des Exils, indem sie Zukunftsverheissungen vermitteln. Was sie verheissen, ist keine Wiederherstellung (Jr 31, 32) hinfällig gewordener Einrichtungen; es wird ein neuer Bund geschlossen werden. Schon Jeremias kündigt ihn an (Jr 31, 31 - 34), Ezechiel tut dasselbe (Ez 36, 16 - 38), der Deutero-Isaias desgleichen (Is 55, 3; 54, 1 - 10). In dieser neuen Perspektive ist das Gesetz nicht abgeschafft, doch wird ihm ein neuer Platz zugewiesen: aus einer Bedingung der Verheissung ist es zu einem Gegenstand der Verheissung geworden (Jr 31, 33; 32, 39f; Ez 36, 27). Dies bedeutete eine grosse Neuerung; doch verkündeten die Propheten deren noch viele andere, die sich auf sämtliche Punkte der biblischen Offenbarung bezogen. Die prophetische Erfahrung erfasst sie alle, um sie alle zu erneuern. Durch ihre ganze Art zu leben wie durch ihre Lehre sind die Propheten die ersten in der Reihe derer, die Pascal die ,,Christen des alten Gesetzes" genannt hat.

4. Das endgültige Heute. Dieser Umbruch in den Heilsvorstellungen ist mit den Verhältnissen des Exils und der Heimkehr unzertrennlich verbunden, denn der Prophet umfasst die ewigen Wahrheiten und die konkreten Tatsachen, in denen sie sich kundtun, mit einem einzigen Blick; die einen wie die anderen werden ihm durch die Gnade seines Charismas geoffenbart, doch stellt unter jenen Erkenntnissen, die der Mensch von sich aus nicht zu gewinnen vermag, die der Zukunft einen besonderen und privilegierten Fall dar. Ihre Vorhersage nimmt verschiedene Formen an. Sie bezieht sich zuweilen auf nahe bevorstehende Geschehnisse, denen zwar geringere Bedeutung zukommt, deren Verwirklichung aber um so überraschender ist (Am 7, 17; Jr 28, 15f; 44, 29f; 1 Sm 10, 1f; vgl. Lk 22, 10 ff). Solche Vorhersagen sind, wenn sie einmal verwirklicht sind, im Hinblick auf die fernere Zukunft, der allein entscheidende Bedeutung zukommt, Zeichen. Diese Zukunft, diesem Ziel und Ende der Geschichte, bildet jenen wesentlichen Gegenstand, auf den die Prophetie ausgerichtet ist. Die Art und Weise, wie diese im voraus beschrieben wird, wurzelt stets in der Geschichte des fleischlichen Israel, hebt aber deren endgültige und allumfassende Bedeutung klar davon ab. Wenn die Seher das Heil an Hand der Geschehnisse beschreiben, die sie erleben, so gehört dies zur Begrenztheit ihrer Erfahrung; doch liegt es auch in der Tatsache begründet, dass die Zukunft in der Gegenwart bereits am Werke ist. Die Propheten verbinden die Gegenwart mit der Zukunft, weil diese das Heute schlechthin ist. Die Verwendung der Hyperbel macht deutlich, dass die Wirklichkeit alle in der unmittelbaren Gegenwart vorhandenen historischen Gegebenheiten überbieten wird. Diese Sprechweise soll uns weniger zur Bewunderung eines literarischen Gewandes veranlassen, als sich auf die Höhe eines absoluten Geschehens erheben. Dieses ist es, was die Apokalyptik, diese Offenbarung schlechthin, die dem politischen Tagesgeschehen weiter entrückt ist als die alte Prophetie, mir ihren zeitlichen Konstruktionen, mit ihren Zahlen mit ihren bildhaften Darstellungen im Auge hat (vgl. Dn). Sie läßt über die Geschichte der Gegenwart hinweg das absolute Geschehen, den Mittelpunkt, das Ziel und Ende der Geschichte erahnen.

NT

I. Die Erfüllung der Weissagungen

Das Neue Testament ist sich bewusst, die Verheissungen des Alten zu erfüllen Das Isaiasbuch, das schon eine ganze Summe der Prophetie darstellt, und vor allem die Lieder vom Knecht Gottes scheinen zwischen dem einen und dem anderen ein besonders bevorrechtetes Bindeglied darzustellen, da es zugleich mit der Erfüllung auch deren Art und Weise ankündigt. Deshalb entnehmen ihm die Evangelien jene Texte, die die schlechte Aufnahme schildern, die dem verwirklichten Heile zuteil geworden ist (Is 6, 9 wird zitiert in Mt 13, 14f; Jo 12, 39f und Apg 28, 26f; Is 53, 1 in Röm 10, 16 und Jo 12, 38; Is 65, 2 in Röm 10, 21). Denn wenn das Neue Testament gerne jene besonderen Züge des Lebens Jesu hervorhebt, die die Heilige Schrift erfüllt haben, so darf uns das die globale UEbereinstimmung ,,sämtlicher Propheten" (Apg 3, 18 - 24; Lk 24, 27) mit der Mitte der Geheimnisse: der Passion und der Auferstehung, nicht vergessen lassen. Die erstere wird mehrere Male als Gegenstand der Weissagungen für sich allein genannt (Mt 26, 54 - 56; Apg 3, 18; 13, 27); häufiger werden beide zusammen erwähnt. Die exegetische Unterweisung von Emmaus, die bei der Abfassung der Evangelien angewendet wurde, vereinigt alle Ausdrücke, deren Verwendung sich in den übrigen Büchern zerstreut findet, wo es sich um die Ankündigung des Geheimnisses Christi handelt: ,,die Propheten", ,,Moses und sämtliche Propheten", ,,sämtliche heiligen Schriften", ,,das Gesetz des Moses, die Propheten und die Psalmen" (Lk 24, 25. 27. 44; vgl. Apg 2, 30; 26, 22; 28, 23; Röm 1, 2; 1 Petr 1, 11; 2 Petr 3, 2 . .). Das gesamte Alte Testament wird zu einer Weissagung des Neuen, eine ,,prophetische Schrift" (2 Petr 1, 19f).

II. Die Prophetie in der neuen Heilsordnung

1. Um Jesus. Jesus erscheint sozusagen von einem ganzen Netz von Prophetismus umwoben, dessen Vertreter Zacharias (Lk 1, 67), Simeon (Lk 2, 25 ff), die Prophetin Anna (Lk 2, 36) und vor allem Johannes der Täufer sind. Es bedurfte der Anwesenheit des Johannes, um den ganzen Unterschied zwischen dem Prophetentum und seinem Objekte, nämlich Christus, sichtbar werden zu lassen. Alle betrachteten Johannes als einen Propheten. Und tatsächlich übersetzte er ja auch gleich den Propheten von einst das Gesetz in Ausdrücke lebendiger Existenz (Mt 14, 4; Lk 3, 11 - 14). Er kündet das unmittelbare Bevorstehen des Zornes und des Heiles an (Mt 3, 2. 8). Vor allem aber erkennt er als Prophet denjenigen, der da ist, ohne dass man ihn kennt, und weist auf ihn hin (Jo 1, 26. 31). Durch ihn legen sämtliche Propheten für Jesus Zeugnis ab: ,,Alle Propheten und das Gesetz haben bis auf Johannes geweissagt" (Mt 11, 13; Lk 16, 16).

2. Jesus. Obwohl sich das Verhalten Jesu von dem des Täufers Johannes deutlich abhob (Mt 9, 14), stellt man daran viele prophetische Züge fest. Er offenbart den Inhalt der ,,Zeichen der Zeit" (Mt 16, 2f) und kündet deren Ende an (Mt 24 - 25). Seine Haltung den allgemein anerkannten Werten gegenüber erneuert die Kritik der Propheten: strenger Tadel für die, die den Schlüssel in Händen haben, aber niemanden eintreten lassen (Lk 11, 52); Zorn gegen die religiöse Heuchelei (Mt 15, 7; vgl. Is 29, 13); Infragestellung des Wertes, Söhne Abrahams zu sein, dessen sich die Juden rühmen (Jo 8, 39; vgl. 9, 28); Klarstellung eines geistigen Erbes dessen Reichtum es schwierig machte, die Hauptlinien zu unterscheiden; Reinigung des Tempels (Mk 11, 15 ff par.; vgl. Is 56, 7; Jr 7, 11) und Ankündigung eines vollkommenen Kultes nach der Zerstörung des materiellen Heiligtums (Jo 2, 16; vgl. Zach 14, 21). Endlich - und dies ist ein Zug, der ihn in ganz besonderer Weise mit den Propheten von einst verbindet - sieht er, dass seine Botschaft abgelehnt wird (Mt 13, 13 ff par.), zurückgewiesen von jenem Jerusalem, das die Propheten gemordet hat (Mt 23, 37f par.; vgl. 1 Thess 2, 15). In dem Maße, als dieses Ende herannaht, kündet er es an und enthüllt dessen Sinn, ist selbst sein eigener Prophet, beweist dadurch, dass er der Herr seines Schicksals bleibt, dass er es freiwillig auf sich nimmt, um den in den Schriften niedergelegten Ratschluß des Vaters zu erfüllen. Einem solchen Gehaben gegenüber, das von Wunderzeichen begleitet wurde, versteht man, dass die Volksmenge Jesus spontan den Titel eines Propheten gegeben hat (Mt 16, 14; Jo 4, 19; 9, 17), womit in einzelnen Fällen der in der Heiligen Schrift angekündigte Prophet schlechthin gemeint war (Jo 1, 21; 6, 14; 7, 40). Jesus selbst legt sich diesen Titel nur gelegentlich bei (Mt 13, 57 par.), und dieser sollte auch im Denken der werdenden Kirche nur wenig Raum einnehmen (Apg 3, 22f). Denn die Persönlichkeit Jesu überbietet in jeder Weise die prophetische Tradition: Er ist der Messias der Knecht Gottes, der Menschensohn Die Autorität, die er von seinem Vater erhalten hat, ist daher auch ganz und gar die seinige; es ist die des Sohnes die ihn über die gesamte Folge der Propheten hinaushebt (Hebr 1, 1 ff). Er empfängt seine Worte vom Vater, doch ist er selbst, wie der hl. Johannes sagen wird, ,,das fleischgewordene Wort Gottes" (Jo 1, 14). Denn welcher Prophet hätte sich selbst jemals als Quelle der Wahrheit und des Lebens bezeichnen können? Die Propheten sagten: ,,Spruch Jahves". Jesus aber sagt: ,,Wahrlich, wahrlich, ich sage euch..." Seine Sendung und seine Person gehören also nicht mehr der gleichen Ordnung an.

3. Die Kirche. ,,Die Weissagungen werden eines Tages ein Ende nehmen", sagt der hl. Paulus (1 Kor 13, 8). Doch wird dies erst am Ende der Zeiten geschehen. Das Kommen Christi hienieden hat das Charisma der Weissagung keineswegs zum Erlöschen gebracht, sondern im Gegenteil erst dessen vorausverkündete Ausbreitung bewirkt. ,,Bestünde doch das ganze Volk aus Propheten", hatte Moses gewünscht (Nm 11, 29). Joel aber sah diesen Wunsch ,,am Ende der Zeiten" sich verwirklichen (Joel 3, 1 - 4). Am Pfingst Tage aber erklärt der hl. Petrus, dass diese Weissagung nunmehr ihre Erfüllung gefunden hat: Der Geist Jesu ist über alles Fleisch ausgegossen worden. Visionen und Weissagungen werden zum Gemeingut des neuen Volkes Gottes, und tatsächlich ist das Charisma der Weissagung in der apostolischen Kirche häufig anzutreffen (vgl. Apg 11, 27f; 13, 1; 21, 10f). Der hl. Paulus will, dass es in den von ihm gegründeten Kirchen nicht geringgeschätzt werde (1 Thess 5, 20). Er bewertet es höher als die Sprachengabe (1 Kor 14, 1 bis 5). Trotzdem legt er Wert darauf, dass man in geordneter Weise und zum Wohl der Gemeinde davon Gebrauch mache (14, 29 - 32). Dem Propheten des Neuen Testaments fällt zum Unterschied von dem des Alten Testaments nicht mehr bloss die Aufgabe zu, die Zukunft vorherzusagen; er ,,erbaut, ermahnt, tröstet" (14, 3), Aufgaben, die mit der Predigt nahe verwandt sind. Der prophetische Verfasser der Apokalypse enthüllt den sieben Kirchen ihren Zustand (Apk 2 - 3), genauso, wie dies die alten Propheten getan hatten. Der Kontrolle der anderen Propheten (1 Kor 14, 32) und den Weisungen seiner Vorgesetzten unterworfen (14, 37), ist der Prophet weit davon entfernt, darauf Anspruch zu erheben, der Mittelpunkt der Gemeinde zu sein (vgl. 12, 4 - 11) oder die Kirche zu leiten. Das echte Prophetentum wird dank den Regeln der Unterscheidung der Geister stets erkennbar bleiben. Hat nicht schon das Deuteronomium im Alten Testament in der Lehre der Propheten das Zeichen der Echtheit ihrer göttlichen Sendung gesehen (Dt 13, 2 - 6) Dies gilt auch jetzt noch, denn das Prophetentum wird mit dem apostolischen Zeitalter nicht erlöschen. Es würde schwer halten, die Sendung vieler Heiliger der Kirche zu verstehen ohne Bezugnahme auf das prophetisehe Charisma, das den vom hl. Paulus aufgestellten Regeln unterworfen bleibt. Auserwählung