OFFENBARUNG

Die Religion der Bibel gründet sich auf eine geschichtliche Offenbarung. Dieser Tatbestand räumt ihr inmitten der Religionen eine Sonderstellung ein. Einige von ihnen berufen sich in keiner Weise auf eine Offenbarung. Den Ausgangspunkt des Buddhismus bildet die rein menschliche Erleuchtung eines Weisen. Andere stellen ihren Inhalt als himmlische Offenbarung dar, schreiben aber deren Vermittlung einem legendären oder mythischen Gründer zu; dies gilt beispielsweise für den Hermes Trismegistos der hermetischen Gnosis. In der Bibel dagegen ist die Offenbarung eine geschichtlich greifbare Tatsache. Wir kennen ihre Vermittler, und ihre Worte sind uns entweder direkt oder in Form einer sicheren UEberlieferung erhalten geblieben. Vom Koran wäre dasselbe zu sagen. Doch ruht die biblische Offenbarung, abgesehen von den Zeichen, die sie beglaubigen, nicht auf der Unterweisung eines einzigen Stifters; sie entfaltet sich im Verlaufe von 15-20 Jahrhunderten, bevor sie in der Tatsache Christi, des Offenbarers schlechthin, ihre Vollendung erfährt. Glauben bedeutet für einen Christen die Annahme dieser Offenbarung, die durch die Geschichte an den Menschen herangebracht wird.

AT

Wozu aber bedurfte es dieser Offenbarung? Weil Gott über das Denken und Reden des Menschen unendlich erhaben ist (Jb 42, 3). Er ist ein verborgener Gott (Is 45, 15), um so unzugänglicher, als die Sünde den Menschen des vertrauten Umgangs mit ihm beraubt hat. Sein Ratschluss ist ein Geheimnis (vgl. Am 3, 7); er lenkt die Schritte des Menschen, ohne dass dieser den Weg verstünde (Spr 20, 24). Der Mensch, der den Rätseln seines Daseins gegenübersteht (vgl. Ps 73, 21f), vermag aus sich selbst heraus nicht die notwendige Klarheit zu gewinnen. Er muss sich an den wenden, ,,dem die verborgenen Dinge zugehören" (Dt 29, 28), damit er ihm diese undurchdringlichen Geheimnisse erschließe (vgl. Dn 2, 17f) und ihn ,,seine Herrlichkeit schauen" lasse (Ex 33, 18). Aber noch bevor sich der Mensch an Gott gewandt hat, hat dieser die Initiative ergriffen und als erster zu ihm gesprochen.

I. Wie Gott offenbart

1. Techniken der Vorzeit. Der Orient wandte gewisse Techniken an, um in die Geheimnisse des Himmels einzudringen: Wahrsagerei, Vorzeichen, Träume, Befragung des Loses, Astrologie usw. Das Alte Testament behielt lange Zeit hindurch einige von diesen Techniken bei, reinigte sie aber von ihren polytheistischen und magischen Beimengungen (Lv 19, 26; Dt 18, 10f; 1 Sm 15, 23; 28, 3), maß ihnen aber noch eine gewisse Bedeutung bei. Gott ließ sich zur unvollkommenen Mentalität seines Volkes herab und vertraute seine Offenbarung tatsächlich diesen traditionellen Kanälen an. Die Priester befragten ihn durch die Urim und Tummim (Nm 27, 21; Dt 33, 8; 1 Sm 14, 41; 23, 10ff) und erteilten auf dieser Grundlage Wahrsprüche (Ex 18, 15f; 33, 7-11; Ri 18, 5f). Josef besaß einen Becher, aus dem er zu weissagen pflegte (Gn 44, 2. 5), und war erfahren in der Auslegung von Träumen (Gn 40 - 41). Denn man nahm an, die Träume enthielten Hinweise des Himmels (Gn 20, 3; 28, 12-15; 31, 11ff; 37, 5-10), und dies bis in ziemlich späte Zeit hinein (Ri 7,13f; 1 Sm 28, 6; 1 Kg 3, 5-14). Doch unterschied man in zunehmendem Maße zwischen solchen, die Gott den echten Propheten schickt (Nm 12, 6; Dt 13, 2), und solchen der Berufswahrsager (Lv 19, 26; Dt 18, 20), gegen die die Propheten (Is 28, 7-13; Jr 23, 25-32) und die Weisen (Prd 5, 2; Sir 34, 1-6) zu kämpfen hatten.

2. Die prophetische Offenbarung. Diese Techniken können zur Zeit der Propheten im allgemeinen als überholt gelten. Bei ihnen vollzieht sich die Erfahrung der Offenbarung auf zweifache Art und Weise: durch Gesichte und durch das Hören des göttlichen Wortes (vgl. Nm 23, 3f. 15f). Die Gesichte würden an sich rätselhaft bleiben, und selbst ein Prophet vermöchte weder die göttlichen Wirklichkeiten noch den künftigen Ablauf der Geschichte unmittelbar zu schauen Was er schaute, blieb in Symbole gehüllt, die teils dem gemeinsamen Schatze der orientalischen Religionen entnommen waren (z. B. 1 Kg 22, 16; Is 6, 1ff; Ez 1), teils Neuschöpfungen darstellten (z. B. Am 7, 1-9; Jr 1, 11ff; Ez 9). Auf jeden Fall bedurfte es des Wortes Gottes, um zu diesen symbolischen Gesichten den Schlüssel zu liefern (z. B. Jr 1, 14ff; Dn 7, 15-18; 8, 15 . . .). In den meisten Fällen aber kommt den Propheten das Wort Gottes zu, ohne dass es von irgendeinem Gesicht begleitet wurde, ja selbst ohne dass sie zu sagen vermochten, auf welche Weise es ihnen zugekommen ist (z. B. Gn 12, 1f; Jr 1, 4f). Solcherart ist jene grundlegende Erfahrung, die im Alten Testament die Offenbarung kennzeichnet.

3. Die Reflexion der Weisheit. Zum Unterschied von den Propheten stellen die Weisen ihre Lehre nicht als das Ergebnis einer unmittelbaren Offenbarung dar. Die Weisheit beruft sich auf die menschliche UEberlegung, auf die Vernunft, auf das Urteilsvermögen (Spr 2, 1-5; 8, 12. 14). Indes ist sie eine Gabe Gottes (2, 6), denn alles Wissen stammt von einer transzendenten Weisheit (8, 15-21. 32-36; 9, 1-6). Ja noch mehr, jene Gegebenheiten, mit denen sich diese von Gott gelenkte Reflexion beschäftigt, gehören mit Fug und Recht zur göttlichen Offenbarung: die Schöpfung die auf ihre Art den Schöpfer kundmacht (vgl. Ps 19, 1; Sir 43); die Geschichte, die seine Wege erkennen lässt (Sir 44 - 50, abgesehen von den geschichtlichen Büchern); die Heilige Schrift die das göttliche Gesetz und die Worte der Propheten enthält (Sir 39, 1ff). Eine solche Weisheit ist also keine menschliche Angelegenheit, sie ist selbst eine Art und Weise der Offenbarung, die die prophetische Art weiterführt; denn die göttliche Weisheit, die sie lenkt, ist gleich dem Geiste eine transzendente Wirklichkeit, ein ,,Widerstrahl der Wesenheit Gottes" (Weish 7, 15-21); deshalb ist das Licht, das sie den Menschen vermittelt, das einer übernatürlichen Erkenntnis (Weish 7, 25f; 8, 4-8).

4. Die Apokalypse. Gegen Ende des Alten Testaments vereinigten sich Prophetie und Weisheit zur apokalyptischen Literatur, die per definitionem eine Offenbarung göttlicher Geheimnisse ist. Diese Offenbarung wird mit der Weisheit ebenso in Zusammenhang gebracht (Dn 2, 23; 5, 11. 14) wie mit dem göttlichen Geist (Dn 4, 5f. 15; 5, 11. 14). Ihre Quellen können Träume und Gesichte bilden; doch kann sie auch von einer Betrachtung der Heiligen Schrift ausgehen (Dn 9, 1ff). Jedenfalls ist es das Wort Gottes, das mit Hilfe übernatürlicher Erkenntnis den Schlüssel zu diesen Träumen, zu diesen Gesichten, zu diesen heiligen Texten liefert.

II. Was Gott offenbart

Der Gegenstand der Offenbarung ist stets religiöser Natur. Er belastet sich weder mit kosmologischen Erörterungen noch mit metaphysischen Spekulationen, mit denen die heiligen Bücher der meisten alten Religionen angefüllt sind (so die indischen Vedas und die Werke der Gnosis oder auch einige jüdische Apokryphen). Gott tut seine Ratschlüsse kund, die dem Menschen die Wege des Heiles weisen; er offenbart sich selbst, damit ihm der Mensch begegnen könne.

1. Gott offenbart seine Ratschlüsse. Der Mensch, der einem sündhaften Geschlechte entstammt, weiß nicht einmal genau, was Gott von ihm will. Gott offenbart ihm daher Regeln des Verhaltens, sein Wort nimmt die Form einer Unterweisung und eines Gesetzes an (Ex 20, 1...). Auf diese Weise besitzt der Mensch ,,geoffenbarte Dinge", die er in die Tat umsetzen muss (Dt 29, 28). Der ganze Wert des Gesetzes beruht auf diesem göttlichen Ursprung, der es über die juridische Ebene emporhebt und es für die religiösen Seelen zu einer Quelle der Freude werden lässt (vgl. Ps 119, 24. 97.. .). Gleicherweise bilden auch die Einrichtungen des Volkes Gottes den Gegenstand der Offenbarung: soziale (Nm 11, 16f) und politische Einrichtungen (1 Sm 9, 17) ebenso wie kultische Einrichtungen (Ex 25, 40). Sosehr diesen Einrichtungen wie dem gesamten Statut des Volkes Gottes im Alten Testament ein Charakter des Vorübergehenden anhaftet, eignet ihnen doch im Hinblick auf die Vollendung des Heiles im Neuen Testament ein positiver Sinn, sind sie doch dessen prophetische Vorausdarstellung ( Typos .

Zweitens offenbart Gott seinem Volke den Sinn jenes Geschehens, das es zu durchleben hat. Diese Geschehnisse bilden das sichtbare Material des Heils- Ratschlusses sie bereiten auf dessen endgültige Verwirklichung vor und sind bereits dessen Vorausdarstellung. Aus diesen beiden Gründen haben sie eine geheime Seite, die das menschliche Auge nicht zu entdecken vermag; Gott aber ,,tut nichts, er hätte denn seinen Plan den Propheten, seinen Knechten, geoffenbart" (Am 3, 7). Historiker, Propheten, Psalmisten, Weise, sie alle bemühen sich um dieses religiöse Verständnis der Geschichte, das aus der Begegnung zwischen dem göttlichen Wort und den von Gott gewollten und gelenkten Tatsachen erwächst. Die Tatsachen beglaubigen das Wort und führen den Menschen zum Glauben denn sie haben den Wert von Zeichen (Ex 14, 30f). Das Wort erhellt die Tatsachen, die es aus der Banalität des Alltäglichen und aus dem rein Zufälligen herausnimmt (z. B. Jr 27, 4-15; Is 45, 1-6), um sie in einen ganz bestimmten Plan einzufügen.

Endlich offenbart Gott in wachsendem Maße das Geheimnis der ,,Endzeit". Sein Wort ist >> Verheißung Auf Grund dessen weist es über die unmittelbare Gegenwart und selbst über die nächste Zukunft hinweg auf das Ziel und Ende seines Heilsplanes hin. Es offenbart die Zukunft des davidischen Geschlechtes (2 Sm 7, 4-16), die künftige Herrlichkeit Jerusalems und des Tempels (Is 2, 1-4; 60; Ez 40-48), die unerhörte Aufgabe des Leidensknechtes (Is 52, 13-53, 12) usw. Dieser Aspekt der prophetischen Offenbarung vermittelt den Menschen ein Vorauswissen in bezug auf das Neue Testament, das teilweise noch bildhaft verschleiert ist, aber schon die Züge des eschatologischen Bundes erahnen lässt.

2. Gott offenbart auf Grund dessen, was er hienieden vollbringt, auch sich selbst. Schon seine Schöpfung lässt ihn in seiner Weisheit und Allmacht erkennen (Jb 25, 7-14; Spr 8, 23-31; Sir 42, 15 - 43, 33). Sie ist von Zeichen durchwirkt, die es gestatten, ihn symbolisch darzustellen: in Wolken gehüllt (Ex 13, 21), lodernd wie Feuer (Ex 3, 2; Gn 15, 17), im Donner des Gewitters seine Stimme erhebend (Ex 19, 16), sanft wie ein leiser Windhauch vorüberziehend (1 Kg 19, 2f)... Diese Zeichen, die auch die Heiden wahrnehmen konnten, wurden von diesen oft im gegenteiligen Sinne ausgelegt (Weish 13, 1f). Die Offenbarung aber erlaubte es dem Volke Gottes, fortan auf dem Weg über die Größe und Schönheit der Geschöpfe per analogiam auf den Schöpfer zu schließen (Weish 13, 3ff). In besonders spezifischer Art und Weise aber offenbart sich Gott durch die Gescheite Israels. Sein Handeln zeigt, wer er ist: der furchtbare Gott, der richtet und kämpft; der mitfühlende Gott, der tröstet (Is 40, 1) und heilt; der starke Gott, der rettet und siegt . . . Seine biblische Definition (Ex 34, 6f) ist nicht das Ergebnis einer philosophischen Spekulation, sie ist das Ergebnis einer erlebten Erfahrung. Und diese konkrete, im Verlauf der Jahrhunderte vertiefte Erkenntnis bestimmt die Haltung, die die Menschen ihm gegenüber einnehmen müssen: Glaube und Vertrauen, Furcht und Liebe. Eine aus mehreren Komponenten bestehende Haltung, die jene Haltung berichtigt und ergänzt, die der religiöse Mensch spontan einnehmen würde. Denn Gott ist Schöpfer und Lenker, König und Herr; Israel gegenüber aber erweist er sich auch als Vater und Bräutigam. Auf diese Weise muss sich die religiöse Furcht die wir ihm schulden, mit einer herzlichen Liebe ( Frömmigkeit paaren (Os 6, 6), die bis zur mystischen Vertrautheit führen kann.

Darf man noch weiter gehen und sagen, Gott offenbare im Alten Testament das innerste Geheimnis seines Seins? Hier treten wir in den Bereich des Unaussprechlichen ein. Das Alte Testament kennt ein geheimnisvolles Sichkundtun des Engels Jahves, wo der unsichtbare Gott gewissermaßen eine den Sinnen erfassbare Gestalt annimmt (Gn 16, 7; 21, 17; 31, 11; Ri 2, 1). Es kennt die Gesichte Abrahams, eines Moses, eines Elias, eines Michäas ben Jimla, eines Isaias, eines Ezechiel, eines Zacharias... Doch hüllt sich die göttliche Herrlichkeit dabei stets in Symbole: in die kosmischen Symbole des Feuers oder des Gewitters, in Symbole, die das Königtum Jahves zum Ausdruck bringen (1 Kg 22, 19; Is 6, 1ff), in von der babylonischen Kunst inspirierte Symbole (Ez 1). Jedenfalls wird Jahve selbst niemals beschrieben (vgl. Ez 1, 27f); sein Antlitz wird niemals geschaut (Ex 33, 20), nicht einmal von Moses, der ,,von Mund zu Mund" mit ihm sprach (Ex 33, 11; Nm 12, 8), und die Menschen verhüllen sich unwillkürlich das Angesicht, um ihre Augen nicht auf ihn zu richten (Ex 3, 6;1 Kg 19, 9f). Moses würdigte er der höchsten Offenbarung, der seines Namens (Ex 3, 14). Doch ließ diese das Geheimnis seines Seins unangetastet, denn seine Antwort: ,,Ich bin derjenige, der ist", oder ,,Ich bin, der ich bin", kann als Geheimnis Aussage gewertet werden: Israel wird den Namen seines Gottes nicht in der Weise erfahren, dass es Macht über ihn erhielte, wie die Heiden ihrer Umgebung Macht über ihre Götter hatten. Auf diese Weise verbleibt Gott in seiner absoluten Transzendenz, lässt aber die Menschen gleichzeitig bis zu einem gewissen Grade seinem Geheimnis nahekommen. Wenn sie auch noch nicht bis ins innerste Wesen Gottes einzudringen vermögen, so werden sie doch schon durch sein Wort durch das Wirken seiner Weisheit erleuchtet; sie werden durch seinen Geist geheiligt. In der ,,Endzeit" wird Gott noch mehr tun. Dann ,,wird sich seine Herrlichkeit offenbaren, und alles Fleisch wird sie schauen" (Is 40, 5; 52, 8; 60, 1). Erhabenste Offenbarung, deren Art und Weise im voraus nicht näher umschrieben wird. Erst die Verwirklichung wird kundtun, wie sie sich vollziehen wird.

NT

Die im Alten Testament begonnene Offenbarung findet im Neuen Testament ihre Vollendung. Statt aber durch viele Träger vermittelt zu werden, konzentriert sie sich nun in Jesus Christus, der zugleich deren Urheber und Gegenstand ist. Dabei gilt es drei Stadien zu unterscheiden. Im ersten Stadium wird sie durch Jesus selbst seinen Aposteln übermittelt. Im zweiten Stadium wird sie den Menschen durch die Apostel und im Anschluss an sie durch die Kirche unter Leitung des Heiligen Geistes vermittelt. Im dritten Stadium wird sie ihre endgültige Vollendung finden, wenn die unmittelbare Schau des Geheimnisses Gottes bei den Menschen die Glaubenserkenntnis ablösen wird. Zur Kennzeichnung dieser aufeinander folgenden Stadien verwendet das Neue Testament verschiedene Ausdrücke: offenbaren (apokalýptó), kundtun (phaneróó), erkennen lassen (gnórizó), erleuchten (phótízó), darlegen (exhégéomai), zeigen (deíknymi), oder ganz einfach sagen; die Apostel aber verkünden (kerýssó), lehren (didáskó) diese Offenbarung, die nunmehr das Wort das Evangelium das Geheimnis des Glaubens darstellt. Allen diesen Themen begegnen wir in den verschiedenen Gruppen der neutestamentlichen Schriften.

I. Die Synoptiker und die Apostelgeschichte

1. Die Offenbarung Jesu Christi

a) Offenbarung durch die Tatsachen. Selbst im Alten Testament blieb die Erkenntnis des Ratschlusses Gottes in Dunkel gehüllt; seine letzte Vollendung wurde zwar verheißen, aber nur in Vorbildern angedeutet. Erst das Kommen Christi hat die Schleier zerrissen und die Unklarheit der Verheißungen beseitigt. Denn erst das durch den Tod und die Auferstehung gekrönte historische Schicksal Jesu ließ den wirklichen Inhalt dieser Verheißungen durch deren tatsächliche Erfüllung zutage treten.

b) Offenbarung durch die Worte. Doch wäre die Offenbarung durch die Tatsachen unverstanden geblieben, wenn Jesus nicht durch seine Worte den Sinn seines Tuns und seines Lebens verdeutlicht hätte. In den Gleichnissen vom Reiche Gottes offenbarte er, ,,was verborgen war seit Grundlegung der Welt" (Mt 13, 35); während er dem Volk gegenüber seine Lehre noch in die Form von Symbolen hüllte, erschloss er seinen Jüngern das Geheimnis dieses Reiches (Mk 4, 11 par.), das den Endpunkt des Ratschlusses Gottes bildete, in aller Klarheit. Ebenso erschloss er ihnen den verborgenen Sinn der Heiligen Schrift und wies ihnen nach, dass der Menschensohn leiden, sterben und am dritten Tage auferstehen musste (Mt 16, 21 par.). Mit ihm geht die Offenbarung ihrer Vollendung entgegen: ,,Nichts ist verborgen, was nicht offenbar werden, nichts ist geheim, was nicht ans Licht kommen soll" (Mk 4, 22 par.).

c) Offenbarung durch die Person Jesu. UEber die Worte Jesu, über die Taten seines Lebens hinaus gelangen die Menschen bis an den geheimnisvollen Mittelpunkt seines Wesens heran; finden sie letztlich die göttliche Offenbarung. Jesus schließt das Reich Gottes und das Heil, das er verkündet, nicht nur in sich, sondern er ist die lebendige Offenbarung Gottes Als Sohn des lebendigen Gottes (Mt 16, 16) ist er der einzige, der den Vater kennt und ihn zu offenbaren vermag (Mt 11, 27 par.). Dem ,, Fleisch und Blut" dagegen bleibt das Geheimnis seiner Person unzugänglich. Es ist unmöglich, in dieses Geheimnis ohne eine Offenbarung des Vaters einzudringen (Mt 16, 17), die den Weisen und Klugen versagt, den Kleinen aber geschenkt wird (Mt 11, 25 par.). Diese innigen Beziehungen zwischen dem Sohne und dem Vater von denen das Alte Testament noch keine Kenntnis besaß, stellen den Höhepunkt der von Jesus gebrachten Offenbarung dar. Doch hüllt sich das Geheimnis des Sohnes noch immer in ein unansehnliches AEußeres: in das des Menschensohnes der die Aufgabe hatte, zu leiden (Mt 8, 31 ff par.). Selbst nach seiner Auferstehung offenbart sich Jesus der Welt nicht in seiner Herrlichkeit.

2. Die Mitteilung der Offenbarung

a) Die Offenbarung in der Kirche. Die Taten und Worte Jesu sind nur einer kleinen Anzahl von Menschen direkt bekannt geworden. Noch geringer war die Anzahl derer, die an ihn geglaubt haben und seine Jünger geworden sind. Nun war aber die Offenbarung, die er gebracht hat, für die ganze Welt bestimmt. Deshalb hat Jesus sie seinen Aposteln anvertraut mit dem Auftrag ( Sendung , sie den anderen Menschen mitzuteilen (vgl. schon Mt 10, 26f); sie sollten in die ganze Welt hinausgehen, um allen Völkern ( Heiden das Evangelium zu bringen (Mt 28, 19f; Mk 16, 15). Deshalb machte er sie am Tage nach seiner Auferstehung zu seinen Zeugen (Apg 1, 8). Nicht nur in dem Sinne, dass sie auf Grund dessen, dass sie ihn mit eigenen Augen gesehen und seine Worte gehört hatten, genau zu berichten vermochten, was er gesagt und getan hatte (vgl. Lk 1, 2), sondern in dem Sinne, dass Jesus ihr Zeugnis beglaubigt: ,,Wer euch hört, der hört mich" (Lk 10, 16). Die Apostelgeschichte zeigt auf, wie die Offenbarung Jesu Christi mit Hilfe dieser Zeugen in der Geschichte der gesamten Welt Fuß gefasst hat. Man sieht darin, wie sich das Wort von Jerusalem bis an die Grenzen der Erde ausgebreitet hat. Ein konkreter Aufriss, der die Tätigkeit der Kirche ankündigt als Fortsetzung der Tätigkeit der Apostel vom Pfingsttage an bis ans Ende der Zeiten.

b) Die Offenbarung und die Tätigkeit des Heiligen Geistes. Die Apostelgeschichte zeigt des weiteren auf, welch enger Zusammenhang zwischen der Mitteilung der Offenbarung in der Kirche und der Tätigkeit des Heiligen Geistes hienieden besteht. Dieser Geist ist am Pfingsttag ausgegossen worden, und er ist es, der die Gültigkeit des Zeugnisses der Apostel verbürgt (Apg 1, 8; 2, 1-21). In seinem Lichte erkennen die Apostel die volle Bedeutung der Heiligen Schrift, zugleich aber auch die der Existenz Jesu, und diesen beiden Objekten gilt von da an ihr Zeugnis (vgl. 2, 22-41). Wenn die Offenbarung den Menschen auf diese Weise bekannt gemacht wird, werden jene, die sich dem Heiligen Geiste erschließen, sie gläubig annehmen und sich durch ihre Taufe auf den Weg des Heiles begeben (2, 41. 47).

3. Der vollkommenen Offenbarung entgegen

Die von Jesus gegebene und von seinen Aposteln und von seiner Kirche mitgeteilte Offenbarung bleibt noch unvollkommen, denn die göttlichen Wirklichkeiten bleiben noch in Zeichen gehüllt. Doch kündigt sie jene Volloffenbarung an, die am Ende der Geschichte erfolgen wird. Dann wird sich der Menschensohn in seiner Herrlichkeit offenbaren (Lk 17, 30; vgl. Mk 13, 26 par.), und die Menschen werden von der ,,gegenwärtigen Welt" in die ,,zukünftige Welt" übergehen.

II. Die Briefe der Apostel

1. Die Offenbarung Jesu Christi

a) Offenbarung des Heiles. Während die Anspielungen auf die Worte Jesu in den Briefen der Apostel selten sind, nimmt die Tatsache Christi, und vor allem sein Tod und seine Auferstehung, darin eine zentrale Stellung ein. Denn in dieser Tatsache hat sich das Israel einst verheißene Heil geoffenbart. Christus ist jenes makellose Lamm das seit Grundlegung der Welt ausersehen, am Ende der Zeiten aber unsertwillen geoffenbart worden ist (1 Petr 1, 20). Er ist ein für allemal erschienen, um durch sein Opfer die Sünde zu tilgen (Hebr 9, 26). Durch dieses Erscheinen unseres Erlösers Christus Jesus ist die Gnade Gottes offenbar geworden (2 Tim 1, 10). In ihm ist jene Heils- Gerechtigkeit Gottes offenbar geworden, die vom Gesetz und den Propheten bezeugt wird (Röm 3, 21; vgl. 1, 17). In ihm ist das den früheren Geschlechtern verborgen gebliebene Geheimnis offenbar geworden (Röm 16, 26; Kol 1, 26; 1 Tim 3, 16). Gott hat es uns kundgetan (Eph 1, 9), wie er es auch den Mächten und Gewalten kundgetan hat (3, 10). Dieses Mysterium ist das letzte Geheimnis des Heilsratschlusses.

b) Offenbarung des Geheimnisses Gottes. Doch offenbart sich uns in Christus nicht nur das Geheimnis des Heiles, sondern auch das Wesen Gottes Die Schöpfung war eine erste Offenbarung seiner unsichtbaren Vollkommenheiten gewesen, die aber dem Geiste der sündigen Menschen bald wieder entschwunden war (Röm 1, 19ff). Dann hatte das Alte Testament eine wenn auch noch bruchstückhafte Offenbarung seiner Herrlichkeit gebracht. Zuletzt aber ,,ließ Gott die Erkenntnis seiner Herrlichkeit auf dem Antlitz Christi Jesu erstrahlen" (2 Kor 4, 6), damit die prophetische Ankündigung von Isaias 40, 5 erfüllend. Das ist die tiefste Bedeutung Christi, seines Tuns und seiner Person.

2. Die Mitteilung der Offenbarung

Die Apostel haben all dies nicht von sich aus verstanden, sondern dank einer inneren Erleuchtung, die ihnen dessen Verständnis vermittelt hat (vgl. Mt 16, 17). Der hl. Paulus hat sein Evangelium durch eine Offenbarung Jesu Christi erhalten, als es Gott gefiel, in ihm seinen Sohn zu offenbaren (Gal 1, 12. 16). Der Geist, der selbst die Tiefen Gottes erforscht, hat ihm den Sinn des Kreuzes geoffenbart, das die wahre Weisheit ist (1 Kor 2, 10). Das Geheimnis Christi ist ihm durch Offenbarung kundgeworden, so wie es allen Aposteln und Propheten durch den Geist geoffenbart wurde (Eph 3, 3ff).

Deshalb ist das Evangelium des Apostels ,,nicht nach menschlicher Art" (Gal 1, 11); als Echo des Wortes Gottes selbst ist es ,,eine Gotteskraft zum Heile für jeden, der glaubt" (Röm 1, 16). Indem er das Geheimnis des Evangeliums verkündet (Eph 6, 19), klärt der hl. Paulus alle darüber auf, welchen Heilsweg dieses Geheimnis vorsah, das einst verborgen gewesen, jetzt aber kundgetan wurde (3, 9f). Das ist der Sinn des Wortes der Apostel: Es vermittelt den Menschen die göttliche Offenbarung, um sie zum Glauben zu führen, der ihnen das Heil bringen wird.

3. Der vollkommenen Offenbarung entgegen

Doch wird auch die Zeit des Glaubens ein Ende finden. Seine Grundlage ist ,,das In-Escheinung-Treten der Liebe Gottes, unseres Erlösers", im irdischen Leben Jesu (Tit 3, 4). Seine Aufgabe dauert an, obwohl Jesus bereits in seine Herrlichkeit eingegangen ist. Doch wird er in dem Augenblicke ein Ende finden, da ,,unser großer Gott und Erlöser Christus Jesus in Herrlichkeit erscheinen wird" (Tit 2, 13; Lk 17, 30). Diese endgültige Offenbarung Jesu (1 Petr 1, 7. 13), dieses Erscheinen des Erzhirten (1 Petr 5, 4), ist der Gegenstand der christlichen Hoffnung (2 Thess 1, 7; 1 Kor 1, 7; vgl. Tit 2, 13). Denn wenn Christus, unser Leben, offenbar werden wird, dann werden auch wir mit ihm offenbar werden in Herrlichkeit (Kol 3, 4). Nach dieser eschatologischen Offenbarung der Kinder Gottes sehnt sich die ganze Schöpfung mit uns (Röm 8, 19-23). Diese Offenbarung ist ein Ereignis, das noch in Geheimnis gehüllt ist und unmöglich beschrieben werden kann; nach ihm aber wird an die Stelle des Glaubens das unmittelbare Schauen treten (1 Kor 13, 12; 2 Kor 5, 7).

III. Der hl. Johannes

In der johanneischen Sprechweise wird das Thema der Offenbarung vor allem durch das Zeitwort ,,kundtun" (phaneróó) ausgedrückt, doch leuchtet die Idee durch sämtliche Texte hindurch.

1. Die Offenbarung Jesu Christi

a) Das mit den Sinnen erfassbare Kundwerden Jesu. Im Mittelpunkt der Offenbarung steht die Person Jesu des im Fleische gekommenen Sohnes Gottes. Der Täufer Johannes hatte für ihn Zeugnis abgelegt, ,,damit er Israel kundwerde" (Jo 1, 31). ,,Er hat sich" in der Tat ,,kundgetan (1 Jo 3, 5. 8), d.h., er ist zum Gegenstand sinnenhafter Erfahrung geworden. Es war zwar kein aufsehenerregendes Sichkundgeben vor den Augen der Welt, wie seine Verwandten dies gewünscht hätten (Jo 7, 4), sondern ein fast verborgenes, paradoxes Sichkundtun, das in seiner Erhöhung am Kreuze gipfelte (Jo 12, 32), denn es zielte wesentlich auf die Hinwegnahme der Sünde und auf die Vernichtung des Werkes des Teufels ab (1 Jo 3, 5. 8). Erst nach seiner Auferstehung offenbarte sich Jesus in Herrlichkeit, aber auch da tat er dies nur vor seinen Jüngern (Jo 21, 1. 14).

b) Das Kundwerden Gottes in Jesus Christus. Das mit den Sinnen erfassbare Kundwerden Jesu hatte eine transzendente Tragweite, es war die erhabenste Offenbarung Gottes Eine Offenbarung durch die Worte Jesu: Er, der als Sohn Gott gesehen hat, hat den Menschen von Gott Kunde gebracht (Jo 1, 18), zunächst in verhüllten Ausdrücken, dann aber, am Abend vor seinem Hingang, offen und ohne Bildrede (16, 29). Eine Offenbarung durch sein Tun: Seine Wunder waren Zeichen, durch die er seine Herrlichkeit kundtat, damit man an ihn glaube (2, 11), denn diese Herrlichkeit war die des Eingeborenen vom Vater (1, 14). Auf diesem doppelten Wege hat er den Menschen den Namen Gottes kundgetan (17, 6), d. h. das Geheimnis seines Seins, und hat dadurch der gesamten Offenbarung des Alten Testaments die Krone aufgesetzt (vgl. 1, 17). Der Evangelist, der das Wort des Lebens gesehen, gehört, mit Händen betastet hat (1 Jo 1, 1), fasst den Inhalt seiner Offenbarung in die Worte zusammen: in Jesus hat sich das Leben geoffenbart (1, 2), in Jesus hat sich die Liebe Gottes zu uns geoffenbart (4, 9).

2. Die Mitteilung der Offenbarung

Die Offenbarung Jesu Christi ist nicht von allen Menschen angenommen worden.

Nicht nur deshalb, weil ihn nur eine begrenzte Anzahl von Menschen kennengelernt hat, sondern vor allem deshalb, weil deren Annahme eine innere Gnade erfordert: ,,Niemand kommt zu mir, wenn ihn der Vater, der mich gesandt hat, nicht sieht" (Jo 6, 44). Nun aber sind diejenigen, die "sich vom Vater belehren lassen" (6, 45), gering an Zahl. Viele fliehen das Licht und ziehen die Finsternis vor (3, 19ff), weil sie der Welt des Bösen angehören. Jesus hat daher den Namen des Vaters nur denen kundgetan, die der Vater selbst aus der Welt abgesondert hat, um sie ihm zu geben (17, 6). Diesen aber hat er eine Sendung übertragen, die Sendung, für ihn Zeugnis abzulegen (16, 27). Eine schwierige Aufgabe, die ein tiefes Verständnis für das voraussetzt, was Jesus gesagt und getan hat. Deshalb wird er ihnen nach seinem Weggang den Heiligen Geist senden, damit dieser sie in die volle Wahrheit einführe (16, 12ff). Dank diesem Geist wird das Zeugnis der Apostel allen Menschen die Kenntnis der Offenbarung Jesu Christi vermitteln, damit sie glauben und das Leben haben: ,,Das Leben hat sich geoffenbart, wir haben es gesehen und legen dafür Zeugnis ab" (1 Jo 1, 2); ,,wir haben gesehen und bezeugen, dass der Vater seinen Sohn gesandt hat, den Erlöser der Welt" (4, 14). Jeder Mensch, der dieses Zeugnis annimmt, kann gleich den ersten Zeugen ,,mit dem Vater und seinem Sohne Jesus Christus in Gemeinschaft treten" (1, 3f).

3. Der vollkommenen Offenbarung entgegen

Aber selbst auf dem Weg über das Geheimnis des fleischgewordenen Wortes kann die göttliche Herrlichkeit nur im Glauben erfasst werden. Der Mensch ,, bleibt in Gott", aber er hat das Ziel noch nicht erreicht. ,,Schon jetzt sind wir Kinder Gottes, aber noch ist nicht offenbar, was wir sein werden" (1 Jo 3, 2). Denn es wird ein Tag kommen, wo sich Christus in Herrlichkeit offenbaren wird, am Tage seiner Wiederkunft (vgl. 2, 28). Dann werden wir mit ihm offenbar werden und ,,werden Gott ähnlich sein, weil wir ihn schauen werden, wie er ist" (3, 2). Das ist der Gegenstand der christlichen Hoffnung 4. Die Apokalypse

Die Johannesapokalypse ist per definitionem eine Offenbarung (Apk 1, 1). Sie ist nicht mehr auf das irdische Leben Jesu zentriert, sondern auf seine endgültige Offenbarung ausgerichtet, zu der die Geschichte der Kirche und der gesamten Welt nur das Vorspiel sind. Als christliche Prophetie (1, 3) setzt sie die Offenbarung des Heiles durch das Kreuz und die Auferstehung Christi als bekannt voraus. In diesem Lichte liest der Seher die alten prophetischen Schriften in neuem Geiste (vgl. 5, 1; 10, 8ff). Da er nunmehr den Schlüssel hierzu besitzt, bedient er sich ihrer, um das Geheimnis Christi, angefangen von seiner Geburt (12, 5) und seinem Selbstopfer am Kreuze (1, 18; 5,6) bis zu seiner Wiederkehr in Herrlichkeit (19, 11 - 16), in seiner gesamten Entfaltung aufzuzeigen. Das Wesentliche seines Zeugnisses gilt diesem letzten Geschehen, diesem Kommen Christi, nach dem sich die Kirche sehnt (22, 17). Auf diese Weise ist sein Buch aus der Begegnung zweier gleicherweise verbürgten göttlichen Offenbarungen entstanden: aus jener Offenbarung, die die heiligen Schriften enthalten, und aus der Offenbarung Christi, der sie erfüllt hat. Indem der Seher jede dieser beiden Quellen der Glaubenserkenntnis durch die andere beleuchtet, fügt er ihnen eine letzte Ergänzung hinzu. Ihm verdankt die Kirche eine klare Sicht in bezug auf ihr historisches Schicksal, wobei die Verfolgung dem Siege Gottes über die Welt und über den Satan paradoxerweise als Mittel dient. Mitten in ihrer Prüfung schauen die Christen aus ihrem Glauben heraus bereits das himmlische Jerusalem, jener Zeit harrend, da es sich ihnen vollständig offenbaren wird (22, 2..). Auf diese Weise erhellt die Offenbarung Jesu Christi, der ,,gestern, heute und in Ewigkeit derselbe ist" (Hebr 53, 8), die gesamte Geschichte der Welt von ihren Anfängen bis zu ihrem Ende. Berg