WORT

(menschliches)

Nach einer Auffassung, die der gesamten Antike gemeinsam war, sieht die biblische Welt im menschlichen Wort keinen leeren Schall, kein bloßes Verständigungsmittel im zwischenmenschlichen Bereich: das Wort bringt die Person zum Ausdruck, nimmt an ihrer Dynamik teil, ist mit einer Art Wirkkraft ausgestattet, daher seine Bedeutung für die Lebensführung. Je nach seiner Beschaffenheit bringt es dem, der es ausspricht, Ehre oder Schmach ein (Sir 5, 13); Tod und Leben liegen in seiner Gewalt (Spr 18, 25). Es bildet daher für die Bewertung des Menschen gleichsam den Prüfstein, der ihn zu erproben vermag (Sir 27, 4 - 7). Man versteht, daß die Lehrer der Weisheit seinen guten Gebrauch empfehlen und dessen Mißbrauch anprangern. Das Neue Testament wird in diesem Punkte nur die Lehre des Alten Testaments zu übernehmen haben.

1. Vom schlechten Gebrauch des Wortes. Da ist zunächst der Schwätzer, der sich verhaßt macht (Sir 20, 5 - 8), der Dummkopf, den man an den Entgleisungen seiner Zunge erkennt (20, 18ff), der falsche Freund, der nur ,,Worte, leer wie Wind':, als Trost zu bieten vermag (Jb 13, 12). Doch gibt es noch Schlimmeres: das Wort der Frevler, das ein Lauern auf Blut ist (Spr 12, 6). Der Weise soll sich vor übler Nachrede hüten (Sir 5, 14), denn die Zunge fordert mehr Opfer als das Schwert (Spr 12, 18; Sir 28, 17f). Die Worte des Ohrenbläsers werden oft ,,wie Leckerbissen" entgegengenommen (Spr 26, 22), doch schlagen sie grausame Wunden. Die Psalmisten klagen im Tone von Menschen, die viel gelitten haben, beständig über die üble Nachrede und die Verleumdung, deren Opfer sie sind (Ps 5, 10; 10, 7). Im Neuen Testament warnt der Jakobusbrief ebenso eindringlich vor den Fehltritten der Zunge (Jak 3, 2 - 12). Doch gibt es auch noch andere Gefahren, vor denen man sich in acht zu nehmen hat, vor allem vor unzüchtigen Reden (Sir 23, 12 - 21) und vor dem Meineid. Das mosaische Gesetz hat diesen untersagt (Ex 20, 7; Nm 30, 3; Dt 23, 22.. .); aus Furcht, aus Unbedachtsamkeit zu schwören, gibt der Sirazide den Rat, die Zahl der Schwüre einzuschränken (Sir 23, 7 - 11). Jesus aber hat ein Ideal der Aufrichtigkeit gelehrt, das den Schwur überflüssig macht (Mt 5, 33 .. .) und das die apostolische Kirche übernommen hat (Jak 5, 12; 2 Kor 1, 17f). Unter den Sünden des Wortes ist endlich noch zu erwähnen das abergläubische Vertrauen auf seine magische Wirksamkeit. Es war im Alten Orient weit verbreitet und auch der biblischen Umwelt nicht unbekannt (Worte der Verfluchung: Nm 22, 6; Worte von Totengeistern: Is 29, 4) und war vom Gesetz genauso wie alle übrigen Formen der Magie unter Todesstrafe verboten (Lv 20, 6. 27).

2. Vom guten Gebrauche des Wortes. Im Gegensatz zu den Sündern und den Toren müssen die Weisen ihre Worte wohl zu wählen verstehen. Ein Wort zur rechten Zeit, eine treffende Antwort, ist ein Schatz und eine Freude (Spr 15, 23; 25, 11), denn ,,es gibt eine Zeit zu schweigen und eine Zeit zu reden" (Prd 3, 7). Man muß also im Reden zurückhaltend sein (Sir 1, 24), seine Worte mit Waage und Gewicht abwägen, seinen Mund mit einem Riegel versehen (Sir 28, 25; Ps 39, 2; 141, 3) und langsam zum Reden sein (Jak 1, 19). Zu dieser Vorsicht muß sich noch - wie bei der tugendhaften Frau - die Weisheit und die Güte gesellen (Spr 31, 26). Dann ist das menschliche Wort wie ein tiefes Wasser, ein sprudelnder Sturzbach, eine Quelle des Lebens (Spr 18, 4; vgl. Dt 32, denn der Mund spricht aus der Fülle des Herzens. Auf diese Weise vermag der gute Mensch seinem Herzen einen Schatz zu entnehmen (Lk 6, 45). Wenn er unter dem Einfluß des Heiligen Geistes spricht, vermag er seinen Bruder zu erbauen, zu ermahnen und zu trösten (1 Kot 14, 3), denn in diesem Falle dient sein menschliches Wort dem göttlichen Worte zum Ausdruck.

Lüge