WUNDER

Es kommt nicht selten vor, daß Christen selbst den Begriff des Wunders für überholt halten, andere aber wieder gierig nach angeblich wunderbaren Geschehnissen haschen. Diese beiden Extreme haben eine gemeinsame Quelle, die durch eine gewisse, lange Zeit hindurch vertretene Apologetik noch gefördert wurde: Man sah in den Wundern nur eine Herausforderung an die Naturgesetze und vergaß ihre eigentliche Bestimmung, ,,der Einsicht aller zugängliche" Zeichen zu sein.

Die Bibel selbst erkennt überall die Hand Gottes, die den Seinigen seine Macht und Liebe offenbart. Das von Gott geschaffene All mit seiner feststehenden Ordnung (Jr 35, 36f) ist ebenso ein "Wunder" (Ps 89, 6) und ein ,,Zeichen" (Ps 65, 9) wie das außergewöhnliche Eingreifen Gottes in die Geschichte; dieses aber stellt seinerseits wieder einen neuen Schöpfungsakt dar (Nm 16, 30; Is 65, 18), selbst wenn der Historiker von heute dafürhält, daß es der Ordnung der Dinge entspreche und natürlich erklärbar sei. Ohne die moderne Unterscheidung zu kennen zwischen "providentiellen" Handlungen, einem außergewöhnlichen Zusammentreffen natürlicher Ursachen und einem göttlichen Eingreifen, das an die Stelle der natürlichen Wirkkräfte oder "causae secundae" tritt, konzentriert die Bibel den Blick des gläubigen Menschen auf das wesentliche Element, das allen unseren Kategorien gemeinsam ist: auf den religiösen Sinn der Geschehnisse. Auf diese Weise erkennt der hl. Augustinus mit den Augen des Glaubens im Einbringen der Ernte ebensosehr ein Zeichen der göttlichen Liebe und der göttlichen Macht wie in der wunderbaren Brotvermehrung; wenn er sie unterscheidet, so nur auf Grund des Gewöhntseins oder des Erstaunens auf seiten ihrer jeweiligen Nutznießer. Aus dieser Sicht heraus kommt den Einzelheiten nicht mehr jene Wichtigkeit zu, die wir ihnen so oft zubilligen. So stellen wir beispielsweise die Frage: Ist der Feigenbaum ,,plötzlich" vertrocknet (Mt 21, 19) oder erst später (Mk 11, 20)? Das ist völlig unwichtig; was von Belang ist, ist die Lehre, die sich hinter der symbolischen Handlung verbirgt.

I. Das Wunder im Alten Testament

1. Die Geschehnisse. Wenn wir von den fiktiven Wundern einzelner Bücher und Buchabschnitte, die auf den lehrhaften Charakter des Buches zurückzuführen sind (Jon, Tob, der dramatische Rahmen des Buches Job, die Haggada von Dn 1 - 6, die erbauliche Ausschmückung des 2. Makk usw.), sowie von den beiden Wundern absehen, die in der Isaiasgeschichte erwähnt werden (Is 37, 36f; 38, 7f), kommen nur in zwei wichtigen Momenten der heiligen Geschichte zahlreiche Wunder vor: bei Moses und seinem Nachfolger Josue, zur Zeit der Gründung und Landnahme des Gottesvolkes, und bei Elias und Elisäus, den Wiederherstellern des mosaischen Bundes. In die ihrer Substanz nach historischen Zyklen des Elias und Elisäus haben volkstümliche Ausgestaltungen Eingang gefunden (z. B. 2 Kg 1, 9 - 16), die von einem Zyklus zum anderen an Umfang zunehmen und oft nur geringen religiösen Gehalt aufweisen (z. B. 2 Kg 2, 23f; 6, 1 - 7). Die selbe Geschichtlichkeit ist auch bei den UEberlieferungen über die zehn Plagen AEgyptens und über die Wunder der Wüstenwanderung und der Eroberung Kanaans vorhanden trotz der sicherlich ziemlich weitgehenden Ausschmückung, die sie im Laufe der Jahrhunderte erfahren haben. Diejenigen, die sie unter Verwendung jener literarischen Arten niedergeschrieben haben, mit denen die Leser ihrer Zeit vertraut gewesen sind, haben auf diese Weise UEberlieferungen ineinander gearbeitet und die Erzählungen frei ausgewertet; doch haben sie deren religiösen Sinngehalt nie aus den Augen verloren: den Nachweis der schützenden Gegenwart des allmächtigen Gottes (Jos 24, 17) am Morgen der Geschichte des auserwählten Volkes. Deshalb bleiben diese UEberlieferungen trotz der epischen Darstellung, die sie kennzeichnet, von grundlegender Bedeutung, berichten sie doch von der Geburt Israels, einem Wunder schlechthin, für sich allein wert, zusammen mit der Schöpfung (Is 65, 17) mit der eschatologischen Neuwerdung verglichen zu werden (Is 43, 16 - 21).

2. Das Wunder als wirksames göttliches Zeichen

a) Das Alte Testament zeigt in den Wundern Offenbarungen Gottes und wirksame Zeichen seines Heiles auf. Die Ausdrücke, die sie bezeichnen, weisen auf diese Funktion hin: es sind ,,Zeichen" (hebr. ötot, griech. semeia, z. B. Ex 10, 1), ,,Zeichen und symbolische Wunder" (hebr. möph.tim, griech. terata, z. B. Dt 7, 19). Nun geht aber der Gebrauch dieser Wörter über den des Wunders hinaus, unter deutlichem Hinweis auf die Dimension eines Zeichens und eines Symbols, die sich hinter jedem religiösen Wunder verbirgt. Auf diese Weise sind der Sabbat (Ex 31, 13 - 17; Ez 20, 20), die Beschneidung (Gn 17, 11), die Geburt des Emmanuel (Is 7, 14), Vorhersagen auf kurze Sicht, ebenso viele ,,Zeichen", die Gott dem Menschen gibt, ja, der Prophet selbst kann ein ,,symbolisches Wunder" sein, denn seine Existenz versinnbildet das Wort Gottes, das durch sein Sosein wirksam ist (Is 8, 18; 20, 3; Ez 12, 6. 11; 24, 24. 27).

Dieses Wort wird durch die Wunderzeichen bekräftigt, weil diese in Form konkreter Geschehnisse das von den Herolden Gottes verkündete Heil offenbaren und diese als echte Boten Gottes ausweisen (Ex 4, 1 - 5; 1 Kg 18, 36ff; Is 38, 7f; Jr 44, 29f). Diese Unterordnung des Wunders unter das Wort unterscheidet die wahren Wunder von jenen Scheinwundern, die die Zauberer und falschen Propheten vollführen (Ex 7, 12. . .). Die vor allem durch das Gebet des Wundertäters kundgetane Bedeutung der Botschaft (1 Kg 18, 27f. 36f) ist das erste Zeichen, das über die Tatsächlichkeit des Wunders entscheidet (Dt 13, 2 - 6); dieses bekräftigt das Wort erst dann, wenn es in seinem Lichte beurteilt ist.

b) Von allen übrigen Zeichen unterscheiden sich die Wunder durch ihre Wirkkraft und ihren außerordentlichen Charakter. Auf der einen Seite verwirklichen sie in der Regel das, was sie bezeichnen: Dies war beim ersten Auszug der Fall, wobei Gott sein Volk mit Hilfe einer ganzen Reihe von Wundern befreit hat, aber auch beim neuen Auszug, der die Wirksamkeit seines Wortes offenbart (Is 55, 11; vgl. Vers 13). Auf der anderen Seite gehen diese Werke (Ps 77, 13; 145, 4) trotz aller natürlichen Geschehnisse, die dabei mitbeteiligt sein mögen (Regen, Trockenheit . . .), meist über das hinaus, was der Mensch in der Welt zu sehen gewohnt ist und was er selbst zu bewirken vermag. Deshalb ist das Wunder ein Zeichen, das in besonderer Weise geeignet ist, die Macht Gottes zu offenbaren; man bezeichnet es als Machterweis (Ex 15, 11), als Großtat (g.büra, Ps 106, 2), als etwas Gewaltiges (Ps 106, 21), als etwas Furchterregendes (Ex 34, 10), vor allem aber als etwas Wunderbares (pele', Ex 15, 11; niphla'öt, Ps 106, 7). Der letztgenannte Ausdruck meint Verwirklichungen, die dem Menschen ,,unmöglich" sind - wie die LXX zuweilen übersetzt -, die Gott allein zu vollbringen vermag (Ps 86, 10), die als solche seine Herrlichkeit offenbaren (Ex 15, 1. 7; 16, 7; Nm 14, 22; Lv 10, 3) und seine Heiligkeit (Ex 15, 11; Ps 77, 14; Lv 10, 3), d. h. seine Transzendenz, widerstrahlen.

Doch vernichtet die göttliche Macht nur die Sünder (Dt 7, 17 - 20; Mich 7, 15ff); für das Volk der Verheißungen (Dt 4, 37) sind seine Wunder Wohltaten, selbst dann, wenn sie prüfen und demütigen (8, 16), denn ,,Jahve ist Liebe in all seinen Werken" (Ps 145, 9). Letztlich aber sind die Wunder wirksame Zeichen und unverdiente Gaben (Dt 6, 10ff; Jos 24, 11ff) der Liebe Jahves (Ps 106, 7; 107, 8). Erst Jesus wird das All umfassende dieser erlösenden Liebe vollkommen offenbaren. Er wird dies tun, indem er die prophetische Tragweite der Wunder unterstreicht, die er selbst den Heiden zuteil werden läßt (Mt 8, 11f), gleichzeitig aber auch die Bedeutung jener Wunder enthüllt, die Elias und Elisäus einst an einer Sidonierin und an einem Syrer gewirkt haben (Lk 4, 25ff).

3. Das Wunder in seiner Beziehung zum Glauben

UEber das Staunen hinaus, das die Wunder erregen, zielen sie darauf ab, den Glauben mit allem, was dabei mitschwingt, zu begründen und zu stärken: Vertrauen dankbare Erinnerung (z. B. Ps 105, 5), Demut Gehorsam Furcht Gottes, Hoffnung Sie verblenden jene, die gleich dem Pharao (Ex 7, 13 ...) von einem unbekannten Gott nichts erwarten. Derjenige aber, der Gott bereits kennt und sein ganzes Vertrauen auf ihn allein setzt, entdeckt darin die Machttaten der göttlichen Liebe und eine Besiegelung der Sendung des Gottgesandten; dies aber führt ihn zum Glauben an sein Wort, zum Glauben an Gott selbst (Nm 14, 11).

Die ganze Größe dieses Glaubens bewundert Israel in Abraham der auf diesen Glauben hin die menschlich unmögliche Geburt eines Erben erlangt hat (Gn 15, 6; Röm 4, 18 - 22). Dieser Glaube liegt den Rückblicken des Deuteronomiums, der Propheten (z. B. Is 63, 7 - 14), der Psalmisten (z. B. Ps 77; 105 - 107), der Weisen zugrunde (z. B. Weish 10 - 19), die in den Wundern der Zeit der Brautschaft das Unterpfand neuer Großtaten aufzeigen und ihre erzieherische Bedeutung herausstellen (z. B. Dt 8, 3; Weish 16, 21). Diesem Glauben will Jahve Nahrung geben, wenn er Feste als ,,Denkmäler seiner Wunder" anordnet (Ps 111, 4). Dieser Glaube beseelt Isaias, wenn er sagt, daß nur mehr ein Wunder Juda retten kann (Is 37, 34f), aber auch Maria da ihr die Ankündigung der wunderbaren Empfängnis zuteil wird (Lk 1, 45).

Dieser Glaube hat dem Israel der Wüste gefehlt (Ps 78, 32), das auf die Prüfung die Gott ihm auferlegte, fleischlich reagierte (Dt 8, 2 usw.) und Jahve seinerseits ,,versuchte" (Ex 17, 2; Ps 95, 9), indem es sich anmaßte, Wunder zu fordern. Dieser Glaube hat dem Achaz, der sich mehr auf seine Bündnisse als auf den Gott der Wunder verließ (Is 7, 12), und dem Zweifler Zacharias gefehlt (Lk 1, 18ff). In allen diesen Fällen liegt ein Vergessen vor, daß Gott der Herr über den Menschen ist, ein Verkennen seiner Macht und seiner ungeschuldeten Liebe, ein Zweifel an seinem Worte: das Wunder wurde nicht als das aufgenommen, was es in Wahrheit ist, eine Gabe, und wurde nicht als Zeichen erfaßt.

II. Im Leben Jesu (780)

1. Die Geschehnisse

"Erneuere die Zeichen und wiederhole die Wunder", flehte Ben Sira zu Gott (Sir 36, 6) und brachte damit die Sehnsucht des ganzen nachexilischen Judentums zum Ausdruck, das von einer Heimkehr enttäuscht war, die sich als weniger glanzvoll erwies als die Ankündigung des neuen Auszuges hätte erwarten lassen. Jesus hat dieser Erwartung die Erfüllung gebracht, ihr aber alles genommen, was sie an Sensationshunger und Revanchelust in sich barg.

Im Gegensatz zu den Berichten vom Auszug gehen die der Evangelien auf Augenzeugen zurück und sind äußerst nüchtern. Schon durch ihre Natürlichkeit, durch das Fehlen jeglicher Anstrengung von seiten Jesu (womit die aus erzieherischen Gründen verwendeten Formeln, Berührungen, Salbungen, das stufenweise Vorgehen (Mk 8, 23ff), die zur symbolischen Handlung gehören, durchaus vereinbar sind), durch ihre religiöse Zielsetzung und ihre Gebets Haltung (die entweder ausdrücklich (Jo 11, 41f) oder einschlußweise vorhanden ist (Mk 6, 41; 7, 35; 9, 29; 11, 24) und jede Magie ausschließen, durch die Schwierigkeit, ohne sie den Glauben der Kirche zu erklären, durch ihre untrennbare Verbundenheit mit dem ganzen Verlauf der Verkündigung des Evangeliums, unterscheiden sich die Wunder von denen darin die Rede ist, wurzelhaft von den erfundenen Wunderberichten der apokryphen Evangelien, aber auch von jenen anderen, die die Legende den Rabbinen, Göttern (z. B. Asklepios) oder heidnischen Weisen (z. B. Apollonius von Tyana) aus der Zeit der Entstehung des Christentums zuschreiben. Jeder objektive Vergleich macht den historischen und religiösen Wert unserer Texte deutlich. Jesus hat durch tatsächliche und wirklich außerordentliche Taten vor seinem Volke ,,Zeichen gewirkt".

2. Die Wunder Jesu als wirksame Zeichen des messianischen Heiles

a) Jesus hat durch seine Wunder kundgetan, daß das von den Propheten angekündigte messianische Reich in seiner Person Tatsache geworden ist (Mt 11, 4f). Er lenkt die Aufmerksamkeit auf sich und auf die Frohe Botschaft vom Reiche, das er inkarniert; er weckt eine religiöse Bewunderung und Furcht, die die Menschen dazu bringen, sich zu fragen, wer er ist (Mt 8, 27; 9, 8; Lk 5, 8ff). Gleichviel, ob es sich um seine Macht handelt, Sünden zu vergeben (Mk 2, 5 - 12 par.), um seine Vollmacht über den Sabbat (Mk 3, 4f par.; Lk 13, 15f; 14, 3ff), um sein Messiaskönigtum (Mt 14, 33; Jo 1, 49), um seine Sendung durch den Vater (Jo 10, 36), um die Macht des Glaubens an ihn (Mt 8, 10 - 13; 15, 28 par.), stets ist es seine Sendung und seine Würde, die Jesus durch sie bezeugt, mit jener Reserve, die ihm die jüdische Hoffnung auf einen irdischen und nationalen Messias auferlegte (Mk 1, 44; 5, 43; 7, 36; 8, 26). Schon dadurch allein sind sie Zeichen, wie Johannes sagen wird.

Sie beweisen die Messianität und die Gottheit Jesu auf indirekte Weise, indem sie bezeugen, daß er wirklich das ist, was er zu sein vorgibt. Man darf sie also nicht von seinem Worte trennen, sie gehen mit der Verkündigung der Frohen Botschaft an die Armen Hand in Hand (Mt 11, 5 par.). Die Titel, die Jesus sich beilegt, die Vollmachten, die er für sich beansprucht, das Heil, das er verkündet, die Verzichtleistungen, die er fordert, diese sind es, deren göttlichen Ursprung die Wunder beweisen, und zwar für jeden, der die Wahrheit der Botschaft nicht von vornherein ablehnt (Lk 16, 31). Diese Botschaft steht also über den Wundern, wie das Wort Jesu über Jonas in Lk 11, 29 - 32 zu verstehen gibt. Diese Botschaft erweist sich als erstes und einzig notwendiges Zeichen (Jo 20, 23), auf Grund der unvergleichlichen persönlichen Autorität ihres Künders (Mt 7, 29) und auf Grund ihrer inneren Beschaffenheit, die sich dadurch auszeichnet, daß sie nicht nur die vorausgegangenen Offenbarungen erfüllt (Lk 16, 31; Jo 5, 46f), sondern auch dem Anruf des Geistes in ihren Hörern entspricht (Jo 14, 17. 26). Diese Botschaft muß erst die wahren Wunder von den falschen unterscheiden, bevor sie selbst in jenen ihre Bestätigung und ihre Illustration erhält (Mk 13, 22f; Mt 7, 22; vgl. 2 Thess 2, 9; Apk 13, 13). Hier gilt genauso wie im Deuteronomium: "Die Wunder erweisen die Lehre, die Lehre aber erweist die Wunder" (Pascal).

b) Ihr Zeugnis erbringen die Wunder nicht von außen her im Sinne von willkürlichen und auf Sensation berechneten Zeichen: sie sind eine Anfangsverwirklichung dessen, was sie bezeichnen, und sind das Angeld jenes messianischen Heiles das in das eschatologische Reich ausmündet. Deshalb bezeichnen die Synoptiker sie als Macht Erweise (dynameis: vgl. Mt 11, 20 - 23; 13, 54. 58; 14, 2). Denn Jesus zwingt durch seine Wunder, die er aus menschlichem Mitleid heraus wirkt (Lk 7, 13; Mt 20, 34; Mk 1, 41), aber noch mehr aus dem Bewußtsein heraus, der verheißene Knecht zu sein (Mt 8, 17), die Krankheit den Tod die feindselige Haltung der Natur gegen den Menschen, kurz die gesamte Unordnung, die ihre nähere oder entferntere Ursache in der Sünde hat (Gn 3, 16 - 19; vgl. Mk 2, 5; Lk 13, 3b und Lk 13, 2 - 3a; Jo 9, 3) und die dem Teufel den Zugriff auf die Welt erleichtert (Mt 13, 25), zum Rückzug. Deshalb lehnt er es ab, für den Satan (4, 2 - 7), für Böswillige (12, 38ff; 16, 1 - 4), für neiderfüllte (Lk 4, 23) oder frivole Menschen (23, 8f) unverdiente Wunderzeichen zu wirken, denen keine Heilsbedeutung zugekommen wäre; und es ist bedeutsam, daß kosmische Wunder - die übrigens allem Anschein nach mehr der prophetischen Bildwelt als der Geschichte entsprungen sind (Apg 2, 19f) - erst in dem Augenblick erwähnt werden, wo er, aufgefordert, durch ein Wunder sich selber zu retten, stirbt, um alle anderen zu retten (Mt 27, 39 - 54; vgl. 1 Kor 1, 22ff). Die Wunder, die er in Mt 17, 20 par. zu verheißen scheint, sind nur ein Bild für die Macht des Glaubens.

Auf diese Weise erhält die sehr häufige Verbindung von Heilungen und Teufelsaustreibungen erst ihren vollen Sinn (Mt 8, 16 usw.). Die Befreiung von Besessenen ist ein bevorrechteter Fall dieses Sieges des ,,Stärkeren" (Lk 11, 22) über den Satan, den alle Wunder auf ihre Art verwirklichen. In ihr tritt Jesus seinem Gegner unmittelbar in einem offenen Duell entgegen, das in der Wüste seinen Anfang genommen hat (Mt 4, 1 - 11 par.), am Kreuze in seine entscheidende Phase getreten ist (Lk 4, 13; 22, 3. 53) und erst beim Endgericht seinen Abschluß finden wird (Apk 20, 10), wobei aber die Niederlage des Teufels bereits evident ist (Mt 8, 29; Lk 10, 18). Die Teufelsaustreibung ist das wirksame Zeichen schlechthin für das Kommen des Gottesreiches (Mt 12, 28).

3. Das Wunder und der Glaube

a) Die Frohe Botschaft vom Reiche Gottes, das Jesus verkündet und als in seiner Person gegenwärtig erweist, muß der Mensch durch die Bekehrung und durch den Glauben in sich aufnehmen (Mk 1, 15). Die Wunder und Teufelsaustreibungen Jesu zielen daher darauf ab, auch diese zu bewirken. Korozain und Kapharnaum hätten sich auf Grund dessen, daß sie sie miterlebten, bekehren und zum Glauben gelangen sollen (Mt 11, 20 - 24 par.). Johannes weist nachdrücklich auf diese Tatsache hin und unterscheidet verschiedene Grade des Glaubens (Jo 2, 11; 11, 15; 20, 30f): UEber augenblickliche Begeisterung (2, 23 ff; 4, 48) und gewinnsüchtiges Interesse (6, 26) hinaus führen die "Zeichen" normalerweise zur Anerkennung Jesu als Gesandten Gottes (1, 2; 9, 16; 10, 36), Propheten (4, 19), Christus (7,13), Menschensohn (9, 35 - 38). Sich in seinem Glauben allzu stark darauf stützen ist ein Zeichen unvollkommenen Glaubens (10, 38; 14, 11): Das Wort Jesu, dessen Wahrheit jene Selbstlosigkeit verbürgt, die seinem Geiste der Sohnschaft entspringt (7, 16ff; 12, 49f), sollte genügen, wie es den Samaritanern (4, 41f) und dem königlichen Offizier genügt hat (4, 50), wie es denen genügen wird, die an sein Wort glauben werden, ohne den Auferstandenen mit Händen betastet zu haben (20, 29). Ein Grund mehr für die Unentschuldbarkeit derer (9, 41; 15, 24), die seine Wunder "gesehen" (6, 36; 7, 3; 15, 24), aber den Glauben verweigert haben (7, 5; 12, 37).

b) Wenn viele das " Zeugnis (Jo 5, 36) der Wunder ablehnen, so deshalb, weil die geistige Abgestumpftheit (6, 15. 26) oder ein auf das Gesetz pochender Hochmut (5, 16; 7, 49. 52; 9, 16), die Eifersucht (12, 11), die falsche Klugheit (11, 47f) sie verblendet haben (9, 39; 12, 40). Ihnen fehlt jene innere Bereitschaft und Aufgeschlossenheit Gott gegenüber, die bei den Synoptikern jenen Glauben darstellen, der dem Wunder vorausgehen muß (Mk 5, 36; 9, 23; 10, 52 usw.) und ohne die Jesus gleichsam ohnmächtig ist (Mt 13, 18). Wie sollten sie auch fähig sein, ,,die Zeichen der Zeit" zu deuten (Mt 16, 3), jene Menschen, die gleich dem Israel der Wüste und wie eben noch der Satan (4, 3 - 7) nur deshalb Zeichen verlangen, ,,um Jesus auf die Probe zu stellen" (16, 1), und seine Teufelsaustreibungen lieber dämonischen Kräften zuschreiben, als daß sie ihm eine übernatürliche Macht zugebilligt hätten? (Mk 3, 22. 29f par.) >> Verhärteten Herzen, die sich dem Worte verschließen, haben die Zeichen, die es begründen, nichts zu besagen. Doch wird dieses Geschlecht kein anderes Zeichen erhalten als das des Jonas (Mt 12, 39f). Jesus vereinbart sich mit seinen Gegnern auf den Tag der Auferstehung, d. h. auf den Tag des Zeichens, das am auffallendsten in Erscheinung tritt, aber auch von denen, die die Evidenz lieben, am leichtesten bestritten werden konnte, da die Mittel zu dessen Aufweis nur in direkter Art sein werden (das leere Grab, Erscheinungen vor einzelnen Menschen; vgl. Mt 28, 13ff; Lk 24, 11). Was die stärkste Stütze des Glaubens sein wird, sollte zuerst dessen entscheidenden Prüfstein bilden.

III. In der Kirche

1. Die Tatsachen

Dieses Zeichen der Auferstehung als Höhepunkt des neuen Auszuges (Jo 13, 1) gibt der Kirche, die damit ihren Anfang nimmt, den Schlüssel für die vorausgegangene Geschichte in die Hand und inauguriert eine neue Reihe von Zeichen, die die Menschen zu dem Glauben führen sollen, den es begründet, und die die Auferstehung von den Toten und die Fülle des Heiles ankünden, die es vermittelt (1 Kor 15, 20 - 28; Röm 4, 25).

2. Das Evangelium im Lichte des Ostertages

a) Die Auferstehung enthüllt der Kirche, in deren Verkündigung und in deren Katechese sie einen bedeutenden Platz ein nimmt, den vollen Sinn der vorausgegangenen Zeichen. Gemäß der Verkündigung haben sie Jesus ,,beglaubigt" (Apg 2, 22) und seine Güte kundgetan (10, 38): Themen, die die einzelnen Synoptiker der persönlichen Denkrichtung entsprechend entfalten, wodurch sie den Fortschritt der Reflexion der Kirche bezeugen. So hat man z. B. in dem dreifachen Bericht vom epileptischen Knaben verschiedene Zielsetzungen feststellen können: in Lk 9, 37 - 43 erscheint die Heilung vor allem als Wunder der Güte; Mt 17, 14 - 21 interessiert sich vor allem für die Transzendenz Jesu und für den Anteil, den die Jünger an der Macht Jesu erhalten; Mk 9, 14-29 preist den Sieg des Herrn des Lebens über den Satan im Rahmen eines Dramas, das schon die johanneische Symbolik erkennen läßt. Doch gibt es Fälle, in denen die neue Tiefe, die die einzelnen Begebenheiten im Lichte des Ostertages erhalten, noch klarer zutage tritt: Aus der Absicht der Verfasser heraus muß man das Bekenntnis der Gottessohnschaft, zu dem die Wunder führen, sicherlich in ihrem vollsten Sinne verstehen (Mt 14, 33; 27, 54) und bei einzelnen von ihnen den Hinweis auf kirchliche Wirklichkeiten erblicken: so z. B. bei der Brotvermehrung den Hinweis auf die Eucharistie und beim wunderbaren Fischfang den Hinweis auf das Apostolat (Lk 5, 1 - 11)

b) Der hl. Johannes geht noch weiter. Er deutet an, daß jene ,,Zeichen", die die Erfüllung des Auszuges von einst sind (Nm 14, 22) und ,,die Stunde des neuen Auszuges vorwegnehmen, schon etwas von jener ,, Herrlichkeit sichtbar werden lassen (Jo 2, 11; 11, 40), die bei der ,,Erhöhung" Jesu offenbar geworden ist (17, 5) und die das Aufleuchten jener Heilsmacht ist, die vom fleischgewordenen Worte ausgeht (1, 14). Jedes von ihnen stellt in Verbindung mit einer Rede einen Aspekt dieser reinigenden, verzeihenden, lebendigmachenden, erleuchtenden, auferweckenden Macht heraus (2, 6; 5, 14; 6, 35; 9, 5; 11, 25); einzelne symbolisieren sogar die Sakramente ( Taufe Eucharistie ..) die die Auswirkungen dieser Macht in der Kirche weitergeben und über die alten Zeichen, wie beispielsweise das Manna hinausgreifen (6, 32. 49f). Ja noch mehr, die Wunder sind Werke die der Vater dem Sohne zu vollbringen gegeben hat (5, 36), um die ganze Tiefe der Einheit des Sohnes mit dem Vater kundzutun (5, 17; 10, 37f; 14, 9f). Das Nachdenken über die ,,Zeichen" führt den Leser des Johannesevangeliums zum Glauben, daß Jesus, der Christus, der Sohn Gottes ist, und damit zur Erlangung des Lebens (20, 30f); der vollkommene Glaubende aber ist aufgerufen, sich noch höher zu erheben: in den Zeichen die "Werke" des Vaters und des Sohnes zu sehen und sich damit auf die Ebene der innergöttlichen Relationen zu begeben.

3. Die Zeit des Heiligen Geistes

a) Da Jesus ,,mit" seinen Aposteln war (Mt 28, 20), ist es nicht zu verwundern, daß sie, angefangen von den zahlreichen Wundern des Pfingsttages sein Erlöser handeln fortgesetzt haben (Apg 3, 1 - 10). Hatte er ihnen doch diese Macht fast im Sinne einer beständigen Einrichtung verheißen (Mk 16, 17f) und sie in deren Ausübung eingeführt (Mt 10, 8).

Die dynameis (Paulus), die sie vollbrachten, taten die Heils- Macht (dynamis) des auferstandenen Jesus konkret kund (Apg 3, 6. 12. 16; vgl. Röm 1, 4) und führten die Menschen durch die Beglaubigung der Künder des evangelischen Wortes zum Glauben (Mk 16, 20; 1 Kor 2, 4). Dadurch kam die notwendige Verbindung der Wunder mit dem Wort und der doppelte Aspekt ihrer Zielsetzung, der apologetische und der heilsbegründende, zum Ausdruck. Darin zeigte sich aber auch die Hierarchie der Zeichen: Die Bedeutung des Ohrenzeugen (Hebr 2, 3f), die Ausdauer (2 Kor 12, 12), die Zuversicht und die Uneigennützigkeit (1 Thess 2, 2 - 12) der Missionare gehen mit ,,den Zeichen und Wundern" Hand in Hand und unterscheiden die echten Boten Gottes von den falschen Propheten (Apg 8, 9 - 24; 13, 4 - 12); alles geschah durch die Kraft des Heiligen Geistes (1 Thess 1, 5; 1 Kor 2, 4; Röm 15, 19).

b) In den Anfängen der Kirche wirkte der Geist auch auf das vertrauensvolle Gebet einzelner Glaubender hin Wunder (vgl. Mt 21, 21f; Jak 5, 16ff): das Charisma der Wundergabe (Jo 14, 12), die aber auf die höheren Gaben der Unterweisung (1 Kor 12, 28f) und letztlich auf die Liebe, das größte Wunder des christlichen Lebens (13, 2), hingeordnet war. Diese Gabe wurde verliehen, während den Sakramenten z.T. dieselbe Aufgabe zukam (vgl. Mk 6, 13; Jak 5, 13ff); doch gab deren geistige Wirkkraft Zeichen Raum, die den Geist unmittelbarer auf die Auferstehung und die gesamte Wiederherstellung der Schöpfung ausrichteten (Röm 8, 19 - 24; Apk 21, 4).

Genau dasselbe gilt auch noch heute. Gewiß besitzt die Welt nunmehr das vielgestaltige moralische Wunder der Kirche, das sie zum Glauben_ zu führen vermag, ein Wunder, das vor allem im strahlenden Vorbild der Heiligen sichtbar wird, deren heroische und einigende Liebe das sicherste Zeichen der göttlichen Gegenwart ist (Jo 13, 35; 17, 21). Doch lenken nichtsdestoweniger auch heute noch genauso wie im Alten und im Neuen Testament physische Wunder unseren Blick auf das Wort und auf das endgültige Gottesreich, rufen sie auch heute noch Bekehrungen und Wiederbekehrungen hervor (Mt 18, 3), bringen sie auch heute noch die göttliche Liebe in lebendigem Tun zum Ausdruck. Freilich wird der Geist des Hochmuts und der Gottlosigkeit diese Sprache heute ebensowenig verstehen wie gestern; diese Sprache wird nur von denen verstanden, die wissen, daß "für Gott kein Ding unmöglich ist" (Gn 18, 14 = Lk 1, 37), und sich den Erfordernissen des Glaubens und der Liebe erschließen, wenn der religiöse Kontext des Geschehens auf Gott hinweist, der ,,ein Zeichen gewirkt hat". Heimsuchung