UNFRUCHTBARKEIT

Im ganzen Verlauf seiner Geschichte beweist das Gottesvolk eine tiefe Sehnsucht nach Fruchtbarkeit als Widerhall des von seinem Schöpfer ergangenen Auftrags. Die Unfruchtbarkeit, die sich ihr hindernd in den Weg stellt, ist eine Tatsache, die es nur gezwungen auf sich nimmt, gegen die es unaufhörlich kämpft und deren Sinn Gott ihm allmählich enthüllt.

I. Der Kampf gegen die Unfruchtbarkeit

1. Die Unfruchtbarkeit ist gleich dem Leid und dem Tod ein UEbel; scheint sie doch dem Befehl des Schöpfers zu widerstreiten, der die Fruchtbarkeit und das Leben will. Es ist eine Schande für das Weiterleben seines Namens nicht Sorge zu tragen. Daher die Klage Abrahams: ,,Was nützt mir ein an Sohnes Statt angenommener Knecht, wenn ich kinderlos sterbe?" (Gn 15, 2f.) Und Sara, seine Frau, fühlt sich durch die fruchtbare Magd gedemütigt (16, 4f). Rachel ruft ihrem Manne zu: ,,Gib mir Kinder! Sonst muß ich sterben!" (Gn 30, 1.) Jakob aber antwortet ihr zornig: ,,Stehe ich denn an Gottes Stelle, der dir die Mutterschaft versagt hat?" (Gn 30, 2.) Gott allein ist der Herr.

2. Dieses UEbel muß bekämpft werden. Dies tat denn Rachel auch. So wie einst ihre Schwiegermutter Sara getan hatte (Gn 16, 2), die das Recht dazu wahrscheinlich aus einer dem Codex Hammurabi entstammenden Gepflogenheit ableitete, gab auch sie ihrem Gatten eine ihrer Mägde, damit sie ,,auf ihre Knie gebäre" (Gn 30, 3 - 6). Dasselbe tat Lea, der nach der Geburt von vier Kindern für einige Zeit die Mutterschaft versagt blieb (30, 9 - 13). Auf diese Weise siegte der Mensch mit Hilfe eines Kunstgriffs über die Unfruchtbarkeit, indem er seinen Adoptivkindern dieselben Rechte einräumte wie jenen anderen, die aus seinen eigenen Lenden hervorgegangen waren.

3. Gott als Sieger über die Unfruchtbarkeit. Durch Kunstgriffe, gleichviel ob rechtmäßig oder nicht, gelang es dem Menschen zwar, das Versiegen des Lebensstromes zu überwinden, doch konnte er die unfruchtbare Frau nicht fruchtbar machen. Dies ist Gott vorbehalten, der dadurch ein noch größeres Geheimnis ankündigt. Der heilige Schriftsteller hat mit Absicht hervorgehoben, daß die Frauen der drei Stammväter des auserwählten Volkes unfruchtbar gewesen sind: Sara (Gn 11, 30; 16, 1), Rebekka (Gn 25, 21), Rachel (29, 35), bevor ihnen Nachkommenschaft zuteil wurde (vgl. z. B. 13, 2 - 5). Die breite Erzählung der Geburt Isaaks will sowohl das Geheimnis der ohne eigenes Verdienst geschenkten Auserwählung als auch das der fruchtbaren Gnade aufzeigen. Wie Paulus bei deren Auslegung sagen wird, muß der Mensch sein Unvermögen eingestehen und sich gläubig zu Gott bekennen, der die Macht hat, selbst aus der Wüste Leben erstehen zu lassen: Der Glaube siegt über den unfruchtbaren Tod und erweckt Leben (Röm 4, 18 - 24). Die Auserwählung ist ein unverdientes Geschenk, das Anna, die unfruchtbar gewesen, mit den Worten besingt (1 Sm 2, 1 - 11): ,,Die Unfruchtbare gebiert siebenmal, die Mutter zahlreicher Kinder aber welkt dahin" (2, 5).

II. Die Annahme der Unfruchtbarkeit

Gott ,,sucht" in der Tat die unfruchtbaren Frauen ,,heim" und beweist dadurch, daß die Menschen die Unfruchtbarkeit zu Unrecht als bloße Strafe betrachten. Gewiß ist sie dies in gewissem Sinne, denn Gott gab Jeremias den Befehl, ehelos zu bleiben, um dadurch die Unfruchtbarkeit des im Zustand der Sünde befindlichen Volkes zu versinnbilden (Jr 16). Und als die entlassene Gattin wieder Gnade gefunden hatte, durfte der Prophet sie mit den

Worten wieder aufrichten: ,,Juble, du Unfruchtbare, die nicht geboren... Zahlreicher sind die Söhne der Vereinsamten als die Söhne der Vermählten" (Is 54, 1). Durch das Bekenntnis seiner Schuld gestand Jerusalem ein, daß seine Unfruchtbarkeit nur ein Ausdruck seiner Trennung von Gott gewesen war. Es bereitete sieh auf eine neue, noch wundervollere Fruchtbarkeit vor: es zählt fortan auch die Heidenvölker zu seinen Kindern (vgl. Gal 4, 27).

Was sich aber auf dem Boden der Gemeinde als sinnvoll erwies, konnte auf dem Boden des persönlichen Lebens nur allmählich verstanden werden. Das Gesetz trat zwar für ,,die weniger geliebte Frau" ein (Dt 21, 15ff), verbot aber dem Eunuchen, Opfer darzubringen (Lv 21, 20), und stellte ihn damit auf die gleiche Stufe wie die Bastarde (Dt 23, 3ff); er war in aller Form vom Volke ausgeschlossen (Dt 23, 2). Es bedurfte der Katastrophe des Exils, um diese ausschließliche Wertschätzung der fleischlichen Fruchtbarkeit zu beseitigen. Nach der Rückkehr aus Babylon wurde ein völlig neuer Wahrspruch verkündet: ,,Der Eunuch sage nicht: Siehe, ich bin ein dürrer Baum. Denn so spricht Jahve: Den Eunuchen, die an meinem Bunde fest halten, werde ich Mal und Namen geben, besser als Söhne und Töchter; einen ewigen Namen gebe ich ihnen, der nicht getilgt wird" (Is 56, 3ff). Auf diese Weise kam der Mensch zur Erkenntnis, daß die physische Fruchtbarkeit nicht notwendig war, um - zumindest im Gedächtnis Gottes - weiterzuleben.

Bei den Weisen ist derselbe Fortschritt festzustellen. Sie bekunden zunächst einen etwas banalen, aber gesunden religiösen Sinn, wenn sie sagen: ,,Lieber ein Kind als 1000, und lieber kinderlos sterben als schlechte Söhne hinterlassen" (Sir 16, 1 - 4). Mit dem Glauben an ein Fortleben in Fülle und Herrlichkeit aber entdecken die Glaubenden, daß es eine echte geistige Fruchtbarkeit gibt, und bekennen sich dazu: ,,Selig die Unfruchtbare, wenn sie ohne Makel ist. Ihre Fruchtbarkeit wird offenbar werden, wenn die Seelen heimgesucht werden. Glücklich der Kinderlose, dessen Hand nichts Böses tat. Besser kinderlos sein und Tugend besitzen, denn die Unsterblichkeit heftet sich an mein Andenken" (Weish 3, 13f; 4, 1). Von da an heftet sich der Blick des Glaubenden nicht mehr ausschließlich auf die irdische Fruchtbarkeit, sondern er ist bereit, der Frucht jener Werke die die Tugend vollbringt und die Unsterblichkeit verleiht. einen Sinn zuzuerkennen; die Voraussetzung hierfür aber ist, daß das UEbel der Unfruchtbarkeit angenommen und um gewandelt wird.

III. Die freiwillige Unfruchtbarkeit

Während die Tochter Jephtes ihre ,,Jungfrauschaft" beweinte, weil sie dazu verurteilt war, kinderlos zu sterben (Ri 11, 37f) erhielt Jeremias den göttlichen Auftrag, ehelos zu bleiben (Jr 16, 1f); doch versinnbildete er dadurch noch einen negativen Aspekt: die schuldhafte Unfruchtbarkeit des Volkes (vgl. Lk 23, 29). Vorbildhaft aber kündigte das Alte Testament die fruchtbare Jungfräulichkeit auch schon positiv an. Das Zeichen, das Maria bei der Verkündigung gegeben wurde (Lk 1, 36f) war eben die wunderbare Schwangerschaft ihrer Base Elisabeth: Jene Frau, die durch ihre Unfruchtbarkeit (1, 7. 25) an die lange Geschichte jener unfruchtbaren Frauen erinnerte, die durch die Heimsuchung Gottes Fruchtbarkeit erlangt hatten, war für Maria das Zeichen für die angekündigte jungfräuliche Mutterschaft. Damit war mit Maria ein neues Zeitalter angebrochen, deren Frucht der Sohn Gottes selbst gewesen ist die Fülle aller Fruchtbarkeit In diesem neuen Zeitalter beruft Jesus ,,jene Ehelosen, die um des Himmelreiches willen der Ehe entsagen" (Mt 19, 12), zu seiner Nachfolge. Was einst als Fluch empfunden worden oder im besten Falle als ein UEbel ertragen worden war, dessen Frucht im Himmel reifen würde, wird in den Augen des hl. Paulus zu einem Charisma (1 Kor 7, 7). Während die Genesis sagt: ,,Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei" (Gn 2, 18), wagt der hl. Paulus unter entsprechenden Voraussetzungen zu sagen: ,,Es ist gut für den Menschen, daß er so bleibe" (1 Kor 7, 26), das aber heißt unverheiratet, allein, kinderlos. Als die freiwillige Unfruchtbarkeit bei diesem Stadium angelangt war, konnte sie in der Jungfräulichkeit ihre Vollendung finden. Fruchtbarkeit