TYPOS

Das griechische typos und das lateinische figura werden von den Theologen zur Bezeichnung der ureigensten Symbolik verwendet, der man in der Sprache der Bibel begegnet: für die Vorbilder. Die heiligen Bücher verwenden zu demselben Zwecke noch verschiedene andere Ausdrücke, die verwandte Gedankeninhalte meinen: antitypos (Nachbild eines typos), hypodeigma (Beispiel, weiterhin: Bild, das Zukünftiges ankündigt, Vorausdarstellung), paradeigma (Beispiel), parabole (Sinnbild), skia (Schatten), mimema (Nachahmung). Dem allgemeinen Sinngehalt nach sind alle diese Ausdrücke verwandt mit Bild (eikon), Modell (typos: 1 Thess 1, 7); doch besagen sie meist noch eine besondere Nuance im Sinne von Typus -Vorbild.

AT

Gleich jeder anderen religiösen Sprache bedient sich auch die Sprache des Alten Testaments häufig der Symbolik, ohne auf die nähere Bestimmung ihrer Natur und ihrer Quellen einzugehen. Doch sind jene grundlegenden Vorstellungen, von denen sich ihre Verwendung als Symbole herleitet, leicht zu identifizieren; und dies ist das einzige, was hier bedeutsam ist.

I. Urbildhafte Symbolik: das himmlische Vorbild und die irdischen Nachbilder

Gleich allen Religionen der Antike sieht das Alte Testament in der göttlichen Welt, in der himmlischen Welt jenen heiligen Prototyp, nach dessen Bild die irdische Welt aufgebaut ist. Gleich einem König thront Gott in einem himmlischen Palast (Mich 1, 3); er ist von einem Hofstaat umgeben, der ihm zu dienen hat (Is 6, 1ff) usw. Und da der Kult die Aufgabe hat, den Menschen mit Gott in Beziehung zu bringen, ist man bestrebt, darin jenes ideale Vorbild in einer Weise nachzuahmen, daß die himmlische Welt dem Menschen irgendwie nahegebracht wird. Auf diese Weise sind Jerusalem und sein Tempel die Nachahmung des himmlischen Palastes,

mit dem sie gewissermaßen identisch sind vgl. Ps 48, 1 - 4). Deshalb zeigt uns der Priesterkodex Gott, wie er dem Moses auf dem Sinai ein Modell zeigt, dem er das heilige Zelt nachgestalten soll (hebr. tabnit; griech. typos, Ex 25, 40, oder paradeigma, Ex 25, 9); dieses Modell ist gleichsam ein vom Architekten ausgearbeiteter Plan (vgl. 1 Chr 28, 11: tabnit: paradeigma), der von Gott nach seiner himmnlischen Wohnssätte erstellt wurde. Genauso ist der von Salomo erbaute Tempel nach Weish 9, 8 ,,das Nachbild (mimema) jenes heiligen Zeltes, das Gott schon von Anfang an bereitet hat"; diese urbildhafte Symbolik ist von der Ideenlehre Platos nicht weit entfernt. Folglich hat Plato hier eine Gegebenheit, die zum allgemeinen Bestand der religiösen UEberlieferungen des Alten Orients gehörte, nur philosophisch verarbeitet.

II. Eschatologische Symbolik: die Heilsgeschichte und deren Endvollendung

1. Die biblische Auffassung von der heiligen Geschichte. Die Mythologien der Antike haben dasselbe Prinzip der Urbildhaftigkeit auch auf die kosmischen Zyklen (Wiederkehr der Tage, der Jahreszeiten usw.) und auf die Grunderfahrungen der menschlichen Geschichte angewendet (Thronbesteigung eines Königs, Krieg usw.). Da wie dort sahen sie den irdischen Widerschein einer heiligen Geschichte, die sich vor aller Zeit abgespielt hat als urerster Archetyp jeden kosmischen Werdens und jeden menschlichen Handelns. Dieser in der Zeit in unendlicher Vielfalt abgewandelte Archetyp verlieh den irdischen Dingen ihre heilige Bedeutung. Deshalb wurde der Mythos im Kult durch ein rituelles Drama vergegenwärtigt, um die Menschen mit dem Tun der Götter in Beziehung zu bringen. Die biblische Offenbarung aber hat durch die Ausschaltung des Polytheismus jene einzige heilige Geschichte, die die heidnischen Nachbarvölker kannten, ihrem Inhaltes entleert: für sie entfaltet Gott nur in bezug auf seine Schöpfung eine Tätigkeit nach außen. Aus dieser neuen Perspektive heraus aber entdeckt sie eine andere Art von heiliger Geschichte, die dem Heidentum völlig unbekannt gewesen war:

die Geschichte des Heils- Ratschlusses Gottes, der sich in der Zeit in linearer, nicht aber zyklischer Weise entfaltet, und zwar von den ersten Anfängen an bis zu seiner vollen Verwirklichung, die am Ende der Zeiten, in der Eschatologie, erfolgen wird.

2. Der Sinn der Geschehnisse der heiligen Geschichte. Der Zielpunkt des Ratschlusses Gottes wird erst ganz offenbar werden, wenn er im eschatologischen Geschehen Gestalt annehmen wird. Indes hat Gott bereits begonnen, seinem Volke vom Boden der Geschehnisse seiner Geschichte aus eine wenn auch noch dunkle Erkenntnis davon zu vermitteln. Erfahrungen wie der Auszug die Bundesschließung am Sinai, die Inbesitznahme des Landes der Verheißung usw. waren keine sinnlosen Zufälle. Als Werke Gottes in der Zeit des Menschen tragen sie bereits das Gepräge jenes Zieles an sich, auf das Gott den Verlauf der Geschichte hinlenkt, und lassen dessen Züge immer deutlicher hervortreten. Deshalb vermögen sie auch dem Glauben des Volkes Gottes bereits Nahrung zu geben. Daher zeigen auch die Propheten in ihren eschatologischen Wahrsprüchen, die das Ende des Planes Gottes beschreiben, auf, daß dieses die vollkommenere Wiederholung der Erfahrungen der Vergangenheit bringen wird: einen neuen Auszug (Is 43, 16 - 21), einen neuen Bund (Jr 31, 31 bis 34), einen neuen Einzug in das Land der Verheißung mit einem neuen Jerusalem (Is 49, 9 - 23) usw. So besitzt die heilige Geschichte mir allen Elementen, aus denen sie besteht (Geschehnisse, Personen, Einrichtungen), das, was man als ihre eschatologische Symbolik bezeichnen kann: Als teilweise Offenbarung der Ratschlüsse Gottes auf einem noch unvollkommenen Boden zeigt sie in verschleierter Form, welchem Ziel und Ende dieser Plan Gottes entgegengeht.

3. Die Eschatologie und die Anfänge. Das selbe Prinzip wird in ganz vorzüglicher Weise auf den Beginn der heiligen Geschichte angewendet, auf die Schöpfung In der biblischen Offenbarung gibt es keine am Uranfang sich vollziehende Göttergeschichte mehr. An ihrer Stelle steht jener Urakt Gottes, durch den er seinen Plan inauguriert hat, von allem Anfang an aber auch jene Ziele enthüllend, die er hienieden zu verfolgen gedachte. Die Eschatologie als Schlußakt Gottes wird dessen Züge neuerdings an sich tragen. Nach den prophetischen Wahrsprüchen wird es nicht bloß einen neuen Auszug usw. geben, sondern auch eine neue Schöpfung (Is 65, 17); diese wird der ersten analog sein, weil sie demselben Plane dient, aber vollkommener sein als jene, weil sie jene Hindernisse beseitigen wird, die die Pläne Gottes zunächst scheitern ließen, die Sünde und den Tod Es sind infolgedessen auch dieselben Bilder der Vollkommenheit und des Glückes, in denen an beiden Enden der Zeit das ursprüngliche Paradies und das wiedergefundene Paradies beschrieben werden (vgl. Os 2, 20 - 24; Is 11, 5 - 9; 51, 3; 65, 19 - 25; Ez 36, 35).

Zwischen den beiden entfaltet sich jene heilige Geschichte, die vom Volk des Alten Bundes bewußt erlebt worden ist, da es deren Vollendung im Neuen Bunde erwartete.

4. Der Kult und die heilige Geschichte. Der Kult des Alten Testaments hatte nicht die Aufgabe, eine mythische Göttergeschichte in einem rituellen Drama zu vergegenwärtigen, um die Menschen daran teilnehmen zu lassen. Da aber die heilige Geschichte ein in der Zeit des Menschen vollzogenem Handeln Gottes bleibt, erhielten die liturgischen Feste mehr und mehr die Aufgabe, die Erinnerung an jene Großtaten, aus denen sie bestand, festzuhalten (und sie in diesem Sinne für den NT Glauben Israels zu aktualisieren). Der Sabbat wurde zu einem Gedächtnis der Schöpfung (Gn 2, 2f; Ex 31, 12ff); das Pascha zu einem Gedächtnis des Auszuges (Ex 12, 26f); das Pfingstfest zu einem Gedächtnis der Bundesschließung am Sinai (im nachbiblischen Judentum); das Laubhüttenfest zu einem Gedächtnis des Aufenrhalts in der Wüste (Lv 23, 42f). Da aber diese Geschehnisse der Vergangenheit andererseits wieder Vorzeichen des Endheiles waren, ist ihr kultisches Gedächtnis auch von einer Hoffnung getragen: Israel gedenkt der historischen Großtaten Gottes nur, um mit um so lebendigerem Glauben jenes eschatologischen Heiles zu harren, dessen Ankündigung sie in noch verschleierter Form - dem Raster der Geschichte eingefügt - gewesen sind.

III. Vorbildhaftigkeit im Bereiche des Sittlichen

Endlich kennt das Alte Testament auch eine sittliche Vorbildhaftigkeit, soferne Menschentypen der Vergangenheit Beispiele darstellen, die die göttliche Vorsehung zur Belehrung seines Volkes bestimmt hat. In diesem Sinne war Henoch ein Beispiel (hypodeigma) der Buße (Sir 44, 16). Beispiele dieser Art werden in den Weisheitsbüchern vielfach ausgewertet. Diese wirken vor allem dort besonders kraftvoll, wo sie sich auf die eschatologische Symbolik der heiligen Geschichte stützen, wie wir sie eben bestimmt haben (vgl. Weish 10 - 19).

Wie man sieht, ist die Lehre von den Vorausdarstellungen schon im Alten Testament sehr lebendig gewesen. Sie geht von einer Auffassung von der heiligen Geschichte aus, die der biblischen Offenbarung eigen ist, weist aber tiefgreifende Unterschiede von der bloß urbildhaften Symbolik auf, die das Alte Testament aber ebenfalls kennt und gelegentlich verwertet. Sie liefert den prophetischen Wahrsprüchen jene Sprache, mit deren Hilfe sie das Heilsgeheimnis im voraus beschreiben können. Auf diese Weise ist sie an die Dialektik der Offenbarung selbst gebunden. Das Neue Testament wird dies endgültig erweisen.

NT

1. Die Verhaltensweisen Jesu

Jesus ist sich bewußt, daß er die Zeit der Vorbereitung (Mk 1, 15) ihrem Ende zuführt und jenen Stand der Dinge hienieden inauguriert, der durch die Wahrsprüche der Propheten angekündigt worden war (vgl. Mt 11, 4ff; Lk 4, 17ff). Deshalb gewinnt die ganze heilige Geschichte, die zur Zeit, da der erste Bund Geltung besaß, abgelaufen ist, in den Handlungen, die er vollzieht, in den Einrichtungen, die er stiftet, in dem Drama, das er lebt, ihre endgültige Bedeutung. Deshalb bringt er sein Werk mit vollem Bedacht mit jenen vorbildhaften Elementen, die in dieser Geschichte enthalten sind, in Zusammenhang, um es zu bestimmen und verständlich zu machen. Die Gemeinde, die er gründet, wird sich eine Kirche nennen (Mt 16, 18), das aber heißt, eine Kultgemeinschaft analog jener des Israel der Wüste (vgl. Apg 7, 38). Diese Kirche wird auf zwölf Apostel aufbauen, deren Zahl an die Zahl der Stämme erinnert, die die grundlegende Struktur des Volkes Israel darstellten (vgl. Mt 19, 28). Ebenso wird auch das Abendmahl, das den Sinn seines Kreuzes enthüllt und dessen Realität unter sakramentalen Zeichen gegenwärtigsetzt, erst vom Pascha (Lk 22, 16 par.) und von der Bundesschließung am Sinai her (Lk 22, 20) voll verständlich. Das verheißene Brot des Lebens, das sein Leib ist, geht in seinen Wirkungen weit über das Manna hinaus, das dessen unvollkommenes Vorbild gewesen ist (Jo 6, 58). Diese Beispiele zeigen, wie Jesus die eschatologische Symbolik der heiligen Geschichte aufgreift und sie dazu verwendet, um das Geheimnis des Heiles, das sich am Ende der Zeiten erfüllt bar, konkret zu umschreiben, jenes Heiles, das in seiner Person und in seinem Leben inauguriert und dazu bestimmt gewesen ist, sich in der Geschichte seiner Kirche zu verwirklichen und in der Ewigkeit, wenn die Zeit des Menschen abgelaufen sein wird, seine Vollendung zu finden. Dadurch macht er verständlich, wie die Geschehnisse und die Einrichtungen des Alten Testaments in ihm ihren vollen Sinn erhalten, jenen Sinn, der bis dahin zum Teil noch verhüllt gewesen, nun aber durch das Ereignis, auf das sie abzielten, endgültig offenbar geworden ist.

II. Die Verwertung der biblischen Vorbilder

Gleich wie Jesus dies getan, bedienten sich auch alle heiligen Schriftsteller des Neuen Testaments unablässig des Vorbild-Prinzips, um einerseits nachzuweisen, daß sich das Geheimnis des Heiles ,,gemäß der Schrift" vollzieht, wie um es andererseits in einer Sprechweise zu umschreiben, die mit religiösem Sinngehalt gesättigt ist. Auf diese Weise überträgt Matthäus jenen ,,Gottes-Sohn" -Titel, mit dem Osee Israel bezeichnet hatte, auf Jesus (Mt 2, 15; vgl. Os 11, 1), während Johannes die Beschreibung des Pascha- Lammes auf Christus den Gekreuzigten anwendet (Jo 19, 36). In beiden Fällen bildet die Erfüllung der biblischen Vorbilder die Grundlage für die Erfüllung der Heiligen Schrift. In vielen Fällen nimmt also die lehrhafte Sprechweise des Neuen Testaments die historische Erfahrung des Volkes Israel zum Ausgangspunkt, sei es, daß schon die prophetischen Wahrsprüche ihre Gegebenheiten auf die Eschatologie bezogen und auf diese übertragen hatten (so in Apk 21, wo auf Is 62 zurückgegriffen wird), sei es, daß diese Anwendung der Texte den neutestamentlichen Verfassern zuzuschreiben ist (so in Pet 2, 9, wo auf Ex 19, 5f zurückgegriffen wird). Doch muß man auf den hl. Paulus und auf den Hebräerbrief warten, um das theologische Prinzip der Vorausdarstellung in aller Klarheit definiert zu finden.

III. Der hl. Paulus

Für den hl. Paulus stellen die Personen und Tatsachen der heiligen Geschichte Vorausdarstellungen (das ist nämlich der Sinn, den er dem Worte typos verleiht) des Geheimnisses Christi und christlicher Wirklichkeiten dar. Adam war von allem Anfang an eine Vorausdarstellung jenes anderen Adam, der kommen sollte (Röm 5, 14). In der Folge ereigneten sich die Geschehnisse des Auszuges im Sinne von Vorausdarstellungen: ,,vorbildweise" (1 Kot 10, 11); es sind ,,Bilder, die uns angehen, die wir am Ende der Zeiten leben" (1 Kot 10, 6); die durch diese typoi im voraus dargestellte Wirklichkeit ist unsere tatsächliche Teilnahme am Geheimnis Christi, die durch die christlichen Sakramente gewährleistet ist. Deshalb wird die Taufe in 1 Pert 3, 21 als antitypos der Sintflut bezeichnet. Aus dieser vorbildhaften Deutung der heiligen Geschichte ergibt mich geradezu zwangsläufig die sittliche Vorbildhaftigkeit: Die Bestrafung unserer Väter in der Wüste ist eine Lehre für uns (vgl. 1 Kor 10, 7ff) und kündet die endgültige Verdamnmis der treulosen Christen an; die Zerstörung Sodomas und die Errettung Lots sind ein Beispiel (hypodeigma) für die Gottlosen der Zukunft (2 Petr 2, 6); umgekehrt ist der Glaube Abrahams auch für uns höchst bedeutsam (Röm 4, 23), und zwar so sehr, daß jene, die gläubig sein wollen, ,,Söhne Abrahams" sind (Gal 3, 7).

Der hl. Paulus führt aber die Linien dieser Typologie noch weiter, und zwar im Sinne einer Allegorisierung einzelner Stellen der Heiligen Schrift, in denen er die Symbole christlicher Wirklichkeiten entdeckt. Ausdrücklich sagt er dies in Gal 4, 24, wo er auf die Christen überträgt, was die Genesis von Isaak, dem Sohne der Verheißung, sagt. Diese Allegorisierung deckt sich aber nicht einfach mit der sie begründenden Typologie; sie bleibt eine praktische Methode, die dazu verwendet wird, um die biblischen Texte auf einen anderen Gegenstand zu übertragen als denjenigen, den sie ursprünglich im Auge hatten, selbst wenn dabei sämtlichen darin erhaltenen Einzelzügen eine veränderte Bedeutung beigelegt werden muß. UEbrigens war sich der hl. Paulus bewußt, daß die biblischen Vorbilder Bilder gewesen sind, die hinter den nun mehr enthüllten Wirklichkeiten weit zurückblieben. Auf diese Weise war der jüdische Kult nur ein ,,Schatten der künftigen Dinge" (skia), während der Leib Christi die Wirklichkeit (soma) bildet (Kol 2, 17).

IV. Der Hebräerbrief

Beim hl. Paulus ist die eschatologische Symbolik, deren sich schon die prophetischen Wahrsprüche bedient hatten, in die Begriffspaare typos - antitypos und skia - soma eingeflossen. Im Hebräerbrief kreuzt sich diese eschatologische Symbolik mit jener urbildhaften Symbolik, die den orientalischen Religionen, dem Platonismus und dem Alten Testament gemeinsam gewesen ist. Auf diese Weise sind das Geheimnis Christi, das Opfer, das er vollendet, das Heil, das er gebracht hat, himmlische Dinge (Hebr 8, 5 ; 9, 23; 12, 22), die ihrer Natur nach ewig sind (5, 9; 9, 12; 13, 20), zugleich aber auch jene ,,künftigen Dinge"(6, 5; 10, 1),die sich erst am Ende der Zeiten vollzogen haben (9, 26). Dies sind die eigentlichen Wirklichkeiten (8, 2; 9, 24), die unsere Väter im Glauben, die Menschen des Alten Testaments, nur ersehnen konnten (11, 16. 20), während wir Christen durch den Empfang der Taufe bereits davon kosten dürfen (6, 4). Denn der erste Bund enthielt nur Vorausdarstellungen von ihnen (hypodeigma: 8, 5; 9, 23), Schatten (skia: 8, 5), Abzüge (antitypos: 9, 24) eines Modells, das damals im Himmel bereits vorhanden gewesen war, obwohl es hienieden erst durch Christus offenbar werden sollte. Diesem Modell (typos), das Moses auf dem Berge gezeigt wurde, als er das heilige Zelt er bauen sollte (8, 5 = Ex 25, 40; vgl. Apg 7, 44), ist das Opfer Christi, der als Hoherpriester der künftigen Güter in das himmlische Heiligtum eingetreten ist, um den Neuen Bund zu vollenden (9, 11f). Deshalb stellen die Wirklichkeiten der Kirche nicht mehr bloß einen Schatten (skia) der künftigen Güter dar, sondern ein Abbild (eikon), das deren gesamte Substanz enthält und es ermöglicht, daran in geheimnisvoller Weise teilzunehmen. Auf diese Weise wird die sakramentale Heilsveranstaltung des Neuen Bundes im Gegensatz zur alten Heilsveranstaltung und deren vorbildhaften Kult umschrieben.

In dieser technischen Sprechweise nimmt das Wort typos einen Sinn an, der jenem anderen entgegengesetzt ist, den der hl. Paulus damit verbunden hatte, da es nicht mehr die Vorausdarstellungen des Neuen Testaments im Alten Testament bezeichnet, sondern das Handeln Christi, der am Ende der Zeiten das Heilsereignis vollzieht. Darin liegt eine deutliche Spur von urbildhafter Symbolik, da sich das Alte Testament zum Geheimnis Christi genauso verhält wie die kultischen Dinge auf Erden zu ihrem himmlischen Archetyp. Da aber dieser Archetyp zugleich auch das Ziel der heiligen Geschichte darstellt, stellen die Dinge des Alten Testamentes kraft einer eschatologischen Symbolik dessen Nachbilder (antitypos) dar: In Christus, der der Zeit und der Ewigkeit zugleich angehört, überschneiden sich die Bezogenheit der Welt auf den Himmel und die Bezogenheit der vorbildhaften Geschichte auf ihren Endpunkt, oder besser gesagt, sie fallen in ihm zusammen.

An anderen Stellen aber kann man tatsächlich feststellen, daß der Verfasser des Briefes an die horizontale Dimension der Typologie ebenso denkt wie der hl. Paulus, wenn auch die Art und Weise seiner Darstellung vor allem die vertikale Dimension ins Licht rückt. Denn er entdeckt in den Geschehnissen des Alten Testaments die Vorausdarstellungen des Heilsgeschehens: Isaak auf dem Scheiterhaufen ist ein Symbol (parabole) des gestorbenen und auferstandenen Christus (11, 19). Die Ruhe des Landes der Verheißung, in die unsere Väter eingegangen sind, ist ein Symbol jener göttlichen Ruhe, in die uns die christliche Heilsveranstaltung einführt (4, 9f; vgl. 12, 23). Aus dieser eschatologischen Symbolik erfließt ganz von selbst eine sittliche Vorbildhaftigkeit: Die Hebräer in der Wüste sind für uns ein Beispiel (hypodeigma: 4, 11) des Ungehorsams, und ihre Bestrafung kündet jene Strafe an, die uns erwartet, wenn wir gleich ihnen untreu werden; umgekehrt aber sind die Heiligen des Alten Testaments für uns ein Beispiel des Glaubens (11).

Das Prinzip der Vorausdarstellungen, das im Alten Testament angedeutet, im Neuen Testament immer wieder aufgenommen und durch den hl. Paulus sowie den Hebräerbrief ausdrücklich (wenn auch mit nicht zu übersehenden Nuancen) umschrieben wird, ist daher der biblischen Offenbarung wesentlich, deren Entfaltung es verstehen hilft. Es läßt uns von einem Testament zum anderen die Kontinuität eines Glaubenslebens erkennen, das das Volk Gottes auf verschiedenen Ebenen geführt hat, deren erste die zweite, die auf sie folgen sollte, "vorbildweise" angekündigt hat. Ebenbild