STEIN

Wegen seines unerhört reichen Vorkommens in Palästina hat man dort den Stein stets bei der Hand, und er ist dem Geist des Hebräers stets gegenwärtig.

UEbrigens galt der feste, dauerhafte, schwere Stein schon in der Mentalität der ältesten Menschheit und in der allen Menschen gemeinsamen Symbolik als Zeichen der Kraft. Diese beiden Tatbestände zusammengenommen machen es verständlich, daß sich die Bibel Bilder bedient, die vom Stein in seinen verschiedensten Formen geliefert werden, um sie auf den Messias anzuwenden.

1. Die heiligen Steine und der Altar Christi. Der in den primitiven Religionen stark entwickelte Kult der heiligen Steine war in Israel verboten. Unter dem Einfluß des Götzendienstes der Nachbarvölker fehlte es jedoch nicht an UEbertretungen und erwiesen sich Warnungen als notwendig (Lv 26, 1; Dt 16, 22; Is 57, 6). Aus einer Umwelt hervorgegangen, die dem Götzen dienst ergeben war, wurde der Gebrauch der heiligen Steine beibehalten, denen aber nicht mehr magische, sondern symbolische Bedeutung zukam und die ihre Wirksamkeit von einem transzendenten Gott erhielten. So errichtete Jakob in Bethel eine heilige Stele (Gn 28, 16ff); so wurden Steine aufgestellt, die die zwölf Stämme darstellen sollten und die durch die Nähe des Altares geheiligt wurden (Ex 28, 10. 21; 24, 4); so wurden aus unbehauenen Steinen Altäre gebaut, durch die Gott die Erde berührt und heiligt (Ex 20, 25; vgl. Mr 23, 19).

Nun aber stellen alle diese heiligen Steine als mehr oder weniger wirksame Zeichen der göttlichen Gegenwart ebenso viele Vorbilder Christi dar, in dem Gott auf Erden gegenwärtig geworden ist. Im Neuen Testament nur andeutungsweise (vgl. Hebr 13, 10; 1 Kor 10, 18), bei den Kirchenvätern und in der Liturgie aber ausdrücklicher, wird nämlich Christus selbst mit dem Altar identifiziert.

2. Der Gedenkstein und die ewige Dauer des Bundes. Ohne daß der Unterschied zwischen dem heiligen Stein und dem Gedenkstein immer sehr klar zutage tritt, scheint es doch vor allem die Vorstellung des Unveränderlichen und Dauerhaften gewesen zu sein, die zur Aufstellung von Steinen geführt hat, die einen Vertrag bezeugen (Gn 31, 45 - 52) oder die Erinnerung an Tote verewigen sollten (Jos 8, 29; 2 Sm 18, 17); diese Vorstellung scheint sich insbesondere mir jenen Steinen verbunden zu haben, die an den Bund erinnern sollten, der zwischen Gott und seinem Volke geschlossen worden war (Jos 4, 7. 20 - 24; 24, 26), an jenen Bund, dessen Gesetz auf Tafeln aus Stein geschrieben worden ist (Ex 24, 12). Doch wurde das, was das Zeichen der ewigen Gültigkeit des Bundes sein sollte, durch die Berührung mit den Israeliten mir ihrem steinharten Herzen (Ez 11, 19) gewisser maßen entwertet, so daß es geradezu zum Zeichen dieser Herzenshärte und einer kalten AEußerlichkeit wurde. Um diesem Stande der Dinge zu begegnen, sollte das neue Gesetz nach der Vorhersage des Jeremias und Ezechiel (Jr 35, 33; Ez 11, 19; 36, 26) durch den Heiligen Geist in das Innere des Herzens aus Fleisch geschrieben werden (2 Kor 3, 3).

3. Der Felsen der Wüste und Christus der Erlöser. Der hl. Paulus hat in jenem Felsen der Wüste, dem Moses das Wasser entspringen ließ, Christus gesehen, dem das lebenspendende Wasser des Heiles entquillt (1 Kor 10, 4). Dadurch hat der hl. Paulus nicht nur an jene rabbinischen Auslegungen angeknüpft, die diesen Felsen mit Jahve identifizierten, der sein Volk begleitete, sondern er hat dadurch die gesamte Tradition des Alten Testaments weitergeführt. Denn die heiligen Schriftsteller des Alten Testaments haben immer wieder an dieses Wunder des Moses erinnert (Ps 78, 15; 105, 41; Weish 11, 4; usw.), weil sie darin mit vollem Recht die erbarmungsvolle Macht Jahves am Werke gesehen haben, die imstande ist, einem trockenen, unfruchtbaren und leblosen Felsen fruchtbringendes und lebenspendendes Wasser entquellen zu lassen; vielleicht haben sie in diesem Felsen auch das Bild Jahves gesehen, der seinen Segen in reicher Fülle spendet (vgl. im selben Sinne Ez 47, 1 - 12; Zach 14, 8; Apk 22, 1). Vielleicht ist es der hl. Johannes gewesen (Jo 19, 34; vgl. 7, 37), der den Gedanken angeregt hat, das Wasser aus dem Felsen und jenes Wasser des Heiles, das der Seite des toten Christus entströmt ist, miteinander zu vergleichen; jedenfalls ist dieser Gedanke von vielen Kirchenvätern ausdrücklich ausgesprochen worden.

4. Christus als Eckstein, die Christen als lebendige Bausteine. Das von Christus gebrachte Heil sollte auf dem Weg über Prüfungen und scheinbaren Mißerfolg verwirklicht werden: ,,Jener Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden", hatte bereits Ps 118, 22 an gekündigt. Christus, der von den Seinigen verworfen wurde, wie er es in der Parabel von den bösen Winzern vorhergesagt hatte, wurde zum Eckstein jenes heiligen Tempels, der in ihm zu einem herrlichen Bau zusammengefügt wird (Mt 21, 42 par.; 4, 11; 1 Petr 2, 4. 7; Eph 2, 20f). Die Gläubigen aber, die durch ihren Glauben auf diesem unerschütterlichen Steine ausruhen (Is 28, 16; Röm 9, 33; 1 Kor 3, 11; 1 Pert 2, 6), werden gleich lebendigen Steinen (1 Petr 2, 5) dem Bau der Wohnstätte Gottes eingefügt (Eph 2, 22).

5. Christus als Stein des Anstoßes und der Vernichtung. Durch die Offenbarung der Liebe und der Heiligkeit Gottes zwingt Christus den Menschen zur Wahl zwischen dem Licht und der Finsternis. Für die hochmütigen Ungläubigen wird er zu einem Stein des Anstoßes (Is 8, 14; Röm 9, 33; 1 Petr 2, 8), zu einem Felsen des AErgernisses. Die Feinde Christi aber werden schließlich zermalmt; denn das Bild von dem Stein, der verworfen, aber zum Ecksteine wird, wird in Lk 20, 17f noch weiter ausgeführt: ,,Wer auf diesen Stein fällt, wird zerschmettert werden; auf wen er aber fällt, den wird er zermalmen." Vielleicht liegt hier eine Anspielung auf jenen Stein von Dn 2, 34 - 45 vor, der den Messias und sein Reich symbolisiert, die über die Mächte dieser Welt triumphieren: ,,Plötzlich löste sich ein Stein vom Berge, ohne daß Menschenhand daran gerührt hätte, traf die Statue an ihren Füßen aus Eisen und Ton und zermalmte sie . . . Und der Stein, der die Statue getroffen hatte, wurde zu einem großen Berg, der die ganze Erde ausfüllte."

6. Die Edelsteine und das neue Jerusalem. Als eindrucksvollstes Zeichen jener herrlichen Umwandlung, die des neuen Jerusalems harrt, wird genannt, daß die heilige Stadt aus Edelsteinen erbaut sein wird (Tob 13, 16f; Apk 21, 10 - 21). Altar