KOENIG

Im Alten Orient war die Einrichtung des Königtums stets aufs innigste mit der mythischen Vorstellung eines Gottkönigtums verbunden, die Gemeinbesitz der verschiedenen Kulturen der damaligen Zeit gewesen ist. Auf Grund dessen stellte es eine heilige Einrichtung dar, die in mehr oder weniger hohem Grade zur Sphäre des Göttlichen gehörte. In AEgypten wurde der regierende Pharao als eine Inkarnation des Horus betrachtet; all sein Tun war also von Natur aus göttlich, und die kultischen Funktionen standen ihm von Rechts wegen zu. In Babylon war der König der Erwählte Marduks, den dieser mit der Herrschaft über die ,,vier Weltgegenden", d. h. über die gesamte Erde belehnte; er war daher nicht bloß der Träger der höchsten zivilen und militärischen Gewalt, sondern auch der Hohepriester des Staates. In beiden Fällen machte die königliche Funktion aus ihrem Träger den gebotenen Mittler zwischen Gott und den Menschen. Er hat diesen nicht nur die Gerechtigkeit, den Sieg und den Frieden zu gewährleisten, sondern alle göttlichen Segnungen - der Ertrag des Bodens und die Fruchtbarkeit bei Mensch und Tier mit inbegriffen - waren seiner Vermittlung zu danken. Auf diese Weise bildete die Einrichtung des Königtums mit den polytheistischen Mythologien und Kulten ein Ganzes. In späterer Zeit sollte das griechische und das römische Reich auf die ihnen zugrunde liegenden Vorstellungen zurückgreifen, als sie darangingen, ihre Herrscher zu vergöttlichen. Das ist der Hintergrund, von dem sich die biblische Offenbarung in ihrer ganzen Einzigartigkeit abhebt. Das Thema vom Reiche Gottes nimmt in beiden Testamenten einen sehr bedeutsamen Platz ein; das Thema des menschlichen Königtums entfaltet sich von der israelitischen Erfahrung aus und dient letztlich zur Umschreibung des Königtums Jesu Christi. In beiden Fällen aber machten die Begriffsinhalte einen radikalen Läuterungsprozeß durch, der sie mit der Offenbarung des einzigen Gottes in Einklang brachte. Im zweiten Punkte wurde sie sogar vollkommen umgewandelt. Einerseits wird das Königtum als zeitliche Einrichtung von allem Anfang an aus der Sphäre des Göttlichen herausgelöst; auf der anderen Seite wird das Königtum Christi am Ende der Lehrentwicklung einer ganz anderen Ordnung zugeeignet als der der politischen Welt.

AT

Das Königtum gehört nicht zu den grundlegendsten Einrichtungen des Gottes- Vol kes, das einen durch den Bund zusammengeschlossenen Stämmeverband bildet. Doch bestand es in Kanaan schon zur Zeit der Patriarchen (Gn 20) und bei den kleinen Nachbarvölkern schon zur Zeit des Aus- zuges und der Richter (Gn 35, 31- 39; Nm 20, 14; 21, 21. 33; 22, 4; Jos 10-11; Ri 4, 2; 8, 5). Als aber Israel die Königsvorstellung übernahm, um sie auf seinen Gott anzuwenden, zog es daraus für seine politischen Einrichtungen keinerlei Folgerungen: Jahve herrscht über Israel (vgl. Ri 8, 23; 1 Sm 8, 7; Ex 19, 6) auf Grund des Bundes, doch inkarniert kein menschlicher König seine Gegenwart inmitten seines Volkes.

I. Die Erfahrung des Königtums

1. Die Einführung des Königtums. Zur Zeit der Richter versuchte Abimelek in Sichem ein Königtum kananäischen Typs zu errichten (Ri 9, 1-7); doch stieß diese Einrichtung auf starken Widerstand (9, 8- 20) und scheiterte kläglich (9, 22- 57). Angesichts der philistäischen Gefahr aber erwachte in den AEltesten Israels der Wunsch nach einem König, ,,der sie richten und ihre Kriege führen sollte" (1 Sm 8, 19). Eine Einrichtung, die ihre zwei Seiten hatte und Israel in die Gefahr brachte, den ,,anderen Völkern" gleich zu werden (8, 5. 20); deshalb schreibt einer der beiden Berichte über die Einführung des Königtums Samuel eine ablehnende Haltung zu (8, 6; 10, 17ff; 12, 12). Wie dem auch sei, jedenfalls verlieh Samuel der neuen Einrichtung durch die Salbung Sauls (9, 16f; 10, 1) und durch die Durchführung seiner Inthronisierung (10, 20 bis 24; 11, 12-15) eine religiöse Weihe. Doch fügte sich die Monarchie in einen weiteren Rahmen ein, dessen Grundzüge nach wie vor die Bundesschließung festlegte; Saul ist gleich den Richtern ein charismatischer Führer, der vom Geiste Jahves geleitet wird (10, 6ff) und den heiligen Krieg zu führen hat (11). Deshalb folgte ihm auch David zunächst in Juda (2 Sm 2, 1-4), dann in Israel (5, 1ff) als erprobter charismatischer Führer nach. Indes tat die Monarchie mit ihm einen weiteren Schritt: Das Reich erhielt nach dem Vorbild der Nachbarreiche eine politische Organisation, vor allem aber machte die Prophetie Nathans die davidische Dynastie zu einer beständigen Einrichtung des Gottesvolkes als Trägerin der göttlichen Verheißungen (7, 5-16). Daher wird sich die Hoffnung des Gottesvolkes fortan an das davidische Königtum knüpfen, wenigstens im Süden des Landes (vgl. Nm 24, 17; Gn 49, 8-12), wo die Einrichtung stets ihre dynastische Form beibehielt. Im Norden dagegen waren die religiösen Kreise bestrebt, ihr eine charismatische Form zu erhalten, und man wird Propheten begegnen, die zur Bewerbung um das Königtum aufforderten (1 Kg 11, 26- 40; 2 Kg 9).

2. Die Funktionen des Königs. In Israel gehört der König im Gegensatz zu den umgebenden Kulturen nicht der Sphäre des Göttlichen an. Er bleibt genau wie die übrigen Menschen den Forderungen des Bundes und des Gesetzes unterworfen, wie die Propheten bei Gelegenheit immer wieder betonen (vgl. 1 Sm 13, 8-15; 15, 10 bis 30; 2 Sm 12, 1-12; 1 Kg 11, 31-39; 21, 17-24). Doch ist er eine geweihte Persönlichkeit, deren Salbung respektiert werden muß (1 Sm 24, 11; 26, 9). Von David an ist seine Stellung Gott gegenüber ein deutig umschrieben: Gott macht ihn zu seinem Adoptiv- Sohn (2 Sm 7, 14; Ps 2, 7; 89, 27f) und zum Träger seiner Vollmachten und stellt ihn virtuell über sämtliche Könige der Erde (Ps 89, 28; vgl. 2, 8-12; 18, 44ff). Hält er Gott die Treue, verheißt ihm dieser seinen Schutz. Er hat durch seine Siege über die äußeren Feinde den Wohlstand seines Volkes zu sichern (vgl. Ps 2o; 21) und im Innern dafür zu sorgen, daß die Gerechtigkeit herrsche (Ps 45, 4-8; 72, 1-7. 12ff; Spr 16, 12; 25, 4f; 29, 4. 14). Seine zeitlichen Aufgaben decken sich somit mit dem grundlegenden Ziel des Bundes und des Gesetzes Weiters übt er als Fürst des Gottesvolkes gelegentlich gewisse kultische Funktionen aus (2 Sm 6, 17f; 1 Kg 8, 14. 62f), die uns dazu berechtigen, von einem königlichen Priestertum zu sprechen (Ps 110, 4). Auf diese Weise krönte das Ideal des getreuen (Ps 101), gerechten und friedfertigen Königs gewissermaßen das gesamte nationale Ideal: die Ausübung der königlichen Macht sollte dieses Ideal tatsächlich verwirklichen.

3. Die beiden Seiten der Erfahrung des Königtums. Die historischen und prophetischen Bücher lassen indes die beiden Seiten der Erfahrung des Königtums erkennen. In genau demselben Maße, als die Könige dem für sie geltenden Ideale entsprachen, werden sie von den Propheten unterstützt und von den Historikern mit entsprechendem Lobe bedacht: so David (Ps 78, 70; 89, 20-24), Asa (1 Kg 15, 11 bis 15), Josaphat (1 Kg 22, 43), Ezechias (2 Kg 18, 3-7), Josias (2 Kg 23, 25). Der Ruhm Salomos aber ist schon zweifelhafterer Natur (1 Kg 11, 1-13). Doch sind auch die schlechten Könige in Israel (1 Kg 16, 25ff. 30-33) wie in Juda (2 Kg 16, 2ff; 21, 1-9) zahlreich. Denn das israelitische Königtum war vor allem im Norden stets der Versuchung ausgesetzt, sich dem Beispiel der es umgebenden heidnischen Monarchien anzuschließen, und dies nicht nur durch die Nachahmung des Despotismus (den Sm 8, 10-18 anprangert), sondern auch durch das Absinken in einen Götzendienst den übrigens die mythische Vorstellung vom Gottkönigtum noch begünstigte. Deshalb prangerte die prophetische Bewegung diese Irrwege unentwegt an und zeigte in den nationalen Katastrophen die von den Königen heraufbeschworenen Strafgerichte auf (vgl. Is 7, 10ff; Jr 21-22; 36-38; 2 Kg 23, 26f). Osee verurteilte die Einrichtung des Königtums als solche (Os 8, 4). Das Deuteronomium suchte ihm die rechten Wege zu weisen und warnte die Monarchen vor der Nachahmung der heidnischen Könige (Dt 17, 14- 20).

4. Die heidnischen Könige. In bezug auf die heidnischen Könige ist die Haltung der heiligen Bücher unterschiedlich. Gleich jeder irdischen Autorität haben sie ihre Macht von Gott: Elisäus greift sogar im Namen Gottes ein, um Hazael in Damaskus zur Revolte zu bewegen (2 Kg 8, 7-15; vgl. 1Kg 19, 15). Sie können im Hinblick auf das Volk Gottes providentielle Sendungen erhalten: Gott überträgt dem Nabuchodonosor die Herrschaft über den gesamten Orient, Israel mit inbegriffen (Jr 27); dann erweckt er den Kyros, um Babylonien niederzuwerfen und die Juden zu befreien (Is 41, 1-4; 45, 1-6). Alle aber bleiben seinen Forderungen unterworfen, und er verkündet seine Urteile, um ihren sakrilegischen Hochmut (Is 14, 3 bis 21; Ez 28, 1- 19) und ihre Gotteslästerungen zu bestrafen (Is 37, 21-29). Auch sie müssen sich zu gegebener Stunde vor seinem obersten Königtum und vor der Macht seines Gesalbten beugen (Ps 2; 79, 9ff).

II. Dem Königtum der Zukunft entgegen

1. Die prophetischen Verheißungen. Mehrere Propheten, die die Königserfahrung von einem rein religiösen Standpunkt aus beurteilten, haben sie schließlich als unheilvoll bewertet. Osee hat das Ende des Königtums angekündigt (Os 3, 4f). Jeremias hat den Verfall der davidischen Dynastie (vgl. Jr 21-22), der Isaias noch soviel Zuneigung entgegengebracht hatte, in aller Klarheit gesehen. Alle Propheten verweisen die vollkommene Verwirklichung jenes göttlichen Planes, der durch die Berufung Davids kundgetan worden und in einigen wenigen glücklichen Beispielen seine Vorausdarstellung gefunden hatte, in die Perspektive der ,,Endzeit". Isaias richtete im 8. Jahrhundert seinen Blick auf jenen König der Zukunft, dessen Geburt er begrüßte (Is 9, 1-6): Dieser wird dem Volke Gottes die Freude den Sieg den Frieden und die Gerechtigkeit bringen. Dieser vom Geiste Jahves beseelte Sproß Jesses wird die Gerechtigkeit in einem solchen Ausmaß zur Herrschaft bringen (vgl. 32, 1-5), daß das Land wieder zu einem irdischen Paradiese wird (11, 1-9). Michäas bekundet dasselbe Vertrauen auf sein Kommen (Mich 5, 1-5). Jeremias kündete in eben jener Stunde, da sich der Sturz der Dynastie vollzog, die künftige Herrschaft des gerechten Sprosses Davids an (Jr 23, 5f). Ezechiel bekennt sich im Grunde zum selben Glauben, stellt jedoch einen Wendepunkt dar. Er billigt dem neuen David, dem Hirten Israels, nur mehr den unauffälligeren Titel Fürst zu (Ez 34, 23f; 45, 7f); der Prophet greift also über die Königszeit zurück und sucht das Ideal Israels in der Theokratie der mosaischen Zeiten. Sosehr aber die Trostbotschaft ihre Hoffnung auf diese Theokratie gründete (vgl. Is 52, 7), so kündet sie deshalb nicht weniger eindeutig die Erfüllung der dem David gemachten Verheißungen an (Is 55, 3; vgl. Ps 89, 35-38).

2. In Erwartung der Verheißungen. Die Erfahrung mit dem Königtum fand im Jahre 587 ihr Ende. Aufs Ganze gesehen, hatte es in der Geschichte Israels nur eine vorübergehende Phase gebildet. Doch hatte sie sich dem Geiste zutiefst eingeprägt. Während des Exils litt man unter der Demütigung der Dynastie (Klgl 4, 20; Ps 89, 39- 52) und bat um deren Wiederherstellung (Ps 80, 18). Die Entsendung Zorobabels (Esr 3) ließ momentan die Hoffnung auftauchen, daß dieser ,,Sproß David," die nationale Monarchie wieder aufrichten würde (Zach 3, 8ff; 6, 9-14); doch war diese Hoffnung nur von kurzer Dauer. Das nachexilische Judentum reorganisierte sich in theokratischer Form, blieb aber der Gewalt heidnischer Könige unterworfen, die seine Autonomie großzügig beschützten (vgl. Esr 7, 1-26) und für die es offizielle Gebete verrichtete (6, 10; 1 Makk 7, 33). Je länger sich die nationale Prüfung hinauszog, um so mehr richteten sich die Blicke auf die von den Propheten angekündigte ,,Endzeit". Die Erwartung des Reiches Gottes bildete den Mittelpunkt der eschatologischen Hoffnung. Innerhalb dieses Rahmens aber nahm die Erwartung des Königs der Zukunft stets einen bedeutsamen Platz ein. Die alten Königspsalmen wurden auf ihn bezogen (Ps 2; 45; 72; 110), und in ihrem Lichte stellte man sich seine Herrschaft vor. Das Bild eines gerechten, siegreichen und friedfertigen Königs (Zach 9, 9f) zeichnete sich am Horizonte ab. Was die heidnischen Könige angeht, so beschreibt man bald deren Unterwerfung unter seine Herrschaft und deren Teilnahme am Kulte des wahren Gottes (vgl. Is 60, 16), bald kündigte man ihr Gericht und ihre Vernichtung an (Is 24, 21f), wenn sie sich gegen die Herrschaft Jahves erhoben (Dn 7, 17- 27).

3. An der Schwelle des Neuen Testaments.

Die Restauration der Monarchie durch die hasmonäische Dynastie zur Zeit, da sich die apokalyptische Strömung in die Erwartung eines wunderbaren Eingreifens Gottes flüchtete (vgl. Dn 2, 44f; 12, 1), lag nicht in der Linie der traditionellen Hoffnung. Sosehr die Revolte des Judas an die Ideologie des heiligen Krieges von einst anknüpfte (vgl. 1 Makk 3), so sehr erschien in der Folge die Zusammenballung der Macht in den Händen Simons (1 Makk 14) als eine Neuerung. Zudem machte sich die hasmonäische Dynastie rasch jene Gepflogenheiten und Regierungsmethoden zu eigen, die bei den heidnischen Königen in Ehren standen. Deshalb brachen die Pharisäer mit ihr, und dies aus Treue zum davidischen Königtum, dem der Messias entstammen sollte (vgl. die Psalmen Salomos). In Parallele dazu widersetzte sich die essenische Strömung einem Priestertum das sie für illegitim hielt, und harrte des Kommens der ,,beiden Messiasse Aarons und Israels" (des Hohenpriesters und des davidischen Königs, der diesem untergeordnet sein sollte). Indes ging die Macht nach den Hasmonäern auf die herodianische Dynastie über, die unter römischer Kontrolle regierte. Abgesehen von den Sadduzäern, die sich mit dieser Lage der Dinge abfanden, flammte die Erwartung des eschatologischen Königs im gesamten jüdischen Volke empor. Obwohl diese Erwartung ihre religiöse Zielsetzung beibehielt - die endgültige Herrschaft Gottes - , trug sie doch in der Regel einen ziemlich stark betonten politischen Akzent: Man erwartete vom Messias-König, daß er Israel von der Fremdherrschaft befreie.

NT

Den Mittelpunkt der neutestamentlichen Botschaft bildet das wesentlich religiöse Thema vom Reiche Gottes. Das in der Erfahrung Israels verwurzelte und auf die prophetischen Verheißungen gründende Thema des messianischen Königtums diente zwar nach wie vor zur Umschreibung der Sendung Jesu, des menschlichen Werkmeisters des Reiches Gottes. Doch entkleidete es sich völlig seiner politischen Färbung, um sich in die Volloffenbarung des Heiles einzufügen.

I. Das Königtum Jesu während seines irdischen Lebens

1. Ist Jesus ein König? Während seines öffentlichen Wirkens leistet Jesus der messianischen Begeisterung der Menge niemals auch nur den geringsten Vorschub, da diese allzusehr mit menschlichen Elementen und zeitlichen Hoffnungen verquickt war. Jesus widersetzte sich weder der Autorität des Tetrarchen Herodes, der trotzdem in ihm einen Rivalen erblickte (Lk 13, 31ff; vgl. 9, 7f), noch der des römischen Kaisers, dem man Steuer zu zahlen hatte (Mk 12, 13-17 par.); seine Sendung gehört einer anderen Ordnung an. Er widerspricht dem messianischen Glaubensakt des Nathanael nicht (,,Du bist der König von Israel" (Jo 1, 49); doch lenkt er seinen Blick auf die Parusie des Menschensohnes Als die Menge ihn nach der wunderbaren Brotvermehrung zum König machen wollte, entzog er sich ihr (Jo 6, 15). Einmal aber - es war beim feierlichen Einzug in Jerusalem - nahm er eine öffentliche Huldigung entgegen: In bescheidenem Aufzug im Sinne des Wahrspruches des Zacharias (Mt 21, 5; vgl. Zach 9, 9) ließ er sich als König von Israel huldigen (Lk 19, 38; Jo 12, 13). Aber gerade dieser Erfolg sollte die Stunde seiner Passion beschleunigen. Zuallerletzt aber - im Augenblick, da seine Passion schon begann - sprach er zu den Seinigen von seinem Reiche aus einer rein eschatologischen Perspektive heraus (Lk 22, 29f).

2. Die Passion und das Königtum Jesu. Das Verhör Jesu während seines religiösen Prozesses bezog sich auf seine Eigenschaft als Messias und Sohn Gottes. In seinem Zivilprozeß vor Pilatus dagegen stand sein Königtum zur Debatte; die Evangelisten nehmen dies zum Anlaß, um aufzuzeigen, daß seine Passion dessen paradoxe Offenbarung bedeutet. Von Pilatus befragt: ,,Bist du der König der Juden," (Mk 15, 2 par.; Jo 18, 33. 37), stellt Jesus diesen Titel nicht in Abrede (Jo 18, 37), weist aber darauf hin, daß sein Reich nicht von dieser Welt" ist (Jo 18, 36), so daß es die Macht des Cäsars nicht beeinträchtigen könne (vgl. Lk 23, 2). Auf das hin gingen die jüdischen Behörden in der Verblendung ihres Unglaubens so weit, dem Cäsar eine ausschließliche politische Macht zuzuerkennen, um das Königtum Jesu besser ablehnen zu können (Jo 19, 12-15). Dieses aber wird durch eben jene Gesten, die es verhöhnen, kundgetan: Die Soldaten begrüßen ihn nach der Geißelung mit dem Titel eines Königs der Juden (Mk 15, 18 par.); die Inschrift des Kreuzes lautet ,,Jesus von Nazareth, König der Juden" (Jo 19, I9ff par.); die Umstehenden bieten alles auf, um dieses Königtum lächerlich zu machen (Mt 27, 42 par.; Lk 23, 37); der rechte Schächer aber erkennt dessen wahre Natur und bittet Jesus, ,,seiner zu gedenken, wenn er in seinReich kommt" (Lk 23, 42). Und in der Tat wird Jesus die königliche Herrlichkeit zuteil werden, doch wird dies durch seine Auferstehung und durch seine Wiederkunft am Jüngsten Tage geschehen. Er, der gleich dem Thronprätendenten der Parabel gekommen ist, um das Königtum zu empfangen, von seinen Mitbürgern aber abgelehnt wird, wird nichtsdestoweniger mit dieser Würde bekleidet werden und zurückkehren, um Rechenschaft zu fordern und an seinen Feinden Rache zu nehmen (Lk 19, 12-15. 27). Am Kreuze aber wird dieses Königtum für alle jene offenbar, die die Dinge mit den Augen des Glaubens betrachten: Vexilla Regis prodeunt, fulget Crucis mysterium...

II. Das Königtum des auferstandenen Christus

1. Das schon jetzt bestehende Königtum des Herrn. Der auferstandene Christus ist in sein Reich eingegangen. Doch mußte er seinen Zeugen zunächst die Natur dieses messianischen Reiches verständlich machen, das so ganz anders ist als jenes, das sich die Juden erwarteten; es kam gar nicht in Frage, das Königtum zugunsten Israels wiederaufzurichten (Apg 1, 6); seine Herrschaft sollte durch die Verkündigung seines Evangeliums aufgerichtet werden (Apg 1, 8). Und doch ist er ein König, wie die christliche Predigt verkündet, die die prophetischen Schriften auf ihn anwendet: Er ist der König der Gerechtigkeit von Psalm 45, 7 (Hebr 1, 8), der Priester-König von Psalm 110, 4 (Hebr 7, 1). Er war es geheimnisvollerweise schon zu Beginn seines irdischen Lebens, wie die Evangelisten in der Kindheitsgeschichte hervorheben (Lk 1, 33; Mt 2, 2). Doch beeinträchtigt sein Königtum, das ,,nichr von dieser Welt ist" (Jo 18, 36) und das darin durch keine menschliche Monarchie vertreten wird, der Jesus seine Vollmachten übertrüge, das der irdischen Könige in keiner Weise. Die Christen werden zu dessen Untertanen, wenn Gott sie ,,der Herrschaft der Finsternis entreißt, um sie in das Reich seines Sohnes zu verpflanzen, in dem sie die Erlösung besitzen" (Kol 1, 13). Dies aber hindert sie nicht daran, sich den Königen dieser Welt zu unterwerfen und diese in Ehren zu halten (1 Petr 2, 13. 17), selbst wenn diese Könige Heiden sind; es genügt, daß sie als Träger der Autorität diese zur geistigen Autorirät Jesu nicht in Gegensatz bringen. Das Drama besteht darin, daß sie sich in Verwirklichung der Prophetie von Psalm 2, 2 zuweilen gegen diese erheben. Dies war schon bei der Passion der Fall (Apg 4, 25ff). Dies ist im gesamten Verlaufe der Geschichte der Fall, wo immer diese Könige mit Babylon buhlen (Apk 17, 2), dieses über sich herrschen lassen (17, 18) und dadurch am satanischen Königtum des Tieres Anteil nehmen (17, 12); in diesem Falle aber werden sie, von ihrer Macht berauscht, zu Verfolgern der Kirche und ihrer Söhne, gleich Babylon selbst, das sich im Blute der Martyrer Jesu wälzt (17, 6).

2. Christi Herrschaft bei der Parusie. In jenem symbolischen Gemälde der Endzeit, das die Apokalypse entwirft, beginnt die Endkrise mit einem Feldzug all dieser Könige gegen das Lamm Nachdem sie ihre Macht dem Tiere übertragen haben (Apk 17, 13), versammeln sie sich in Erwartung des großen Tages (16, 14); das Lamm aber wird sie besiegen (vgl. 19, 18f), denn ,,er ist der König der Könige und der Herr der Herren" (17, I4; 19, 1ff; vgl. 1, 5). Seine Parusie wird die machtvolle Offenbarung seiner Herrschaft und der Herrschaft Gottes sein (11, 15; 2 Tim 4, 1); nach dem Wahrspruch von Isaias 11, 4 wird der König, der Sohn Davids an diesem Tage den Antichrist durch die Offenbarung seiner Parusie vernichten (2 Thess 2, 8). Hierauf wird er die Herr schaft seinem Vater übergeben, denn nach dem Text von Psalm 110, 1 muß er herrschen, bis ihm Gott ,,alle seine Feinde zu Füßen gelegt hat" (Kor 15, 24f). Nach dem eschatologischen Krieg den er als Wort Gottes führen wird, wird er seine Feinde nach Psalm 2, 9 mit eisernem Zepter regieren (Apk 19, 15f). Dann wer den alle Martyrer, die hingerichtet wurden, weil sie sich geweigert hatten, das Tier anzubeten, auferstehen und an seiner Herrschaft teilnehmen (vgl. 1 Kor 15, 24) und mit ihm und mit Gott herrschen (Apk 20, 4ff; vgl. 5, 10). Auf diese Weise werden sie nach der Verheißung von Daniel 7, 22. 27 an der ewigen Herrschaft des Menschensohnes teilnehmen. Hatte nicht eben dies Jesus selbst beim letzten Abendmahle den Zwölfen verheißen: ,,Ich werde in meinem Reiche zu euren Gunsten verfügen, und ihr werdet auf Thronen sitzen, uns die zwölf Stämme Israels zu richten" (Lk 22, 29f; vgl. Apk 7, 4-8. 15)? Auserwählung