HIMMELFAHRT

Es ist Glaubenssatz, daß der auferstandene Christus in die Herrlichkeit eingegangen ist, doch liegt hier ein Geheimnis vor, das über die sinnenhafte Erfahrung hinausgeht und beispielsweise nicht in jene OElbergsszene allein eingefangen werden kann, wo die Apostel sahen, daß ihr Meister sie verließ, um zu Gott zurückzukehren. In der Tat drücken sich die heiligen Texte über den Sinn, den Zeitpunkt und die Art und Weise der Himmelfahrt Christi mit einer Vielfalt aus, deren Reichtum aufschlußreich ist. Wir werden versuchen, in ihrem Lichte die tiefe Wirklichkeit des Geheimnisses auf dem Weg über das Werden der Beschreibung seines Vorgangs zu erfassen.

1. Das Auf und Ab zwischen Himmel und Erde

Nach einer spontanen und allgemein verbreiteten Auffassung, die sich die Bibel zu eigen gemacht hat, ist der Himmel die Wohnung der Gottheit, so sehr, daß dieser Begriff zur metaphorischen Bezeichnung Gottes geworden ist. Die Erde sein Fußschemel (Is 66, 1), ist die Wohnstätte der Menschen (Ps 115, 16; Prd 5, 1). Um diese heimzusuchen, ,,steigt Gott daher vom Himmel ,herab'" (Gn 11, 5; Ex 19, 11ff; Mich 1, 3; Ps 144, 5) und ,,kehrt wieder dorthin zurück" (Gn 17, 22). Die Wolken bilden sein Gefährt (Nm 11, 25; Ps 18, 10; Is 19, 1). Der Geist den er entsendet, muß ebenfalls herabsteigen (Is 32, 15; Mt 3, 16; 1Petr 1, 12), ebenso das Wort das zu ihm zurückkehrt, wenn es sein Werk vollendet hat (Js 55, 10f; Weish 18, 15). Selbst die Engel die bei Gott im Himmel wohnen (1 Kg 22, 19;Jb 1, 6;Tob 12, 15; Mt 18, 10), steigen hernieder, um ihre Aufträge auszuführen (Dn 4, 10; Mt 28, 2; Lk 22, 43), und steigen hernach wieder empor (Ri 13, 20; Tob 12, 20); ein Auf- und Niedersteigen, das die Verbindung zwischen Himmel und Erde herstellt (Gn 28, 12; Jo 1, 51).

Für den Menschen ist das Emporsteigen zum Himmel von sich aus unmöglich. Vom Aufsteigen zum Himmel reden bedeutet dasselbe wie Unzugängliches zu erreichen suchen (Dt 30, 12; Ps 139, 8; Spr 30, 4; Bar 3, 29), vorausgesetzt, daß es sich nicht um die Anmaßung eines wahnwitzigen Hochmutes handelt (Gn 11,4; Is 14, 14; Jr 51, 53; Jb 20, 6; Mt 11, 23). Es bedeutet bereitssehr viel, daß die Gebete zum Himmel emporsteigen (Tob 12, 12; Sir 35, 16f; Apg 10, 4) und daß Gott den Menschen auf den Bergen begegnet, auf die er her niedersteigt, während sie dorthin emporsteigen, so auf dem Sinai (Ex 19, 20) oder auf dem Berge Sion (Is 2, 3 und 4, 5). Nur auserwählten Männern, wie Henoch (Gn 5, 24; Sir 44, 16; 49, 14) oder Elias (2 Kg 2, 11; Sir 48, 9-12; 1 Makk 2, 58), ist das Privileg zuteil geworden, durch göttliche Macht in den Himmel entrückt zu werden. In Dn 7, 13 gelangt der Menschensohn bis zum Hochbetagten, was gleichfalls an ein Emporsteigen denken läßt, obwohl dessen Ausgangspunkt geheimnisvoll bleibt und die Wolken des Himmels hier vielleicht nicht ein Gefährt, sondern nur die Ausstattung der göttlichen Wohnstätte darstellen.

II. Die Auffahrt Christi in den Himmel

Von dieser biblischen Kosmologie her gesehen, muß der durch die Auferstehung zur Rechten Gottes erhöhte Jesus (Apg 2, 34; Röm 8, 34; Eph 1, 20f; 1 Petr 3, 22; vgl. Mk 12, 35 ff par.; 14, 62 par.), wo er als König thront (Apk 1, 5;3, 21;5, 6;7, 17), zum Himmel ,,aufgefahren" sein. Und in der Tat erscheint seine Himmelfahrt in den ersten Glaubensaussagen weniger als ein für sich betrachtetes Phänomen denn als unvermeidbarer Ausdruck der himmlischen Erhöhung Christi (vgl. Apg 2, 34; Mk 16, 19; 1 Petr 3, 22). Mit dem Fortschreiten der Offenbarung und der zunehmenden Durchhellung des Glaubensinhaltes aber hat sie ein immer deutlicher hervortretendes theologisches und historisches Eigensein angenommen.

1. Herniedersteigen und Emporsteigen. Im ersten Morgenrot des Glaubens nur implizit vorhanden, wurde die Präexistenz Christi immer klarer erkannt, wobei seine biblische Präexistenz dazu mithalf, seine ontologische Präexistenz begrifflich zu erfassen. Vor dem Beginn seines Lebens auf Erden weste Jesus beim Vater als Sohn, Wort, Weisheit. Auf Grund dessen ist seine Auffahrt in den Himmel nicht bloß der Triumph eines in den göttlichen Rang erhobenen Menschen gewesen, wie eine noch in den Anfängen steckende Christologie nahelegen könnte (Apg 2, 22-36; 10, 36-42), sondern die Rückkehr in jene himmlische Welt, aus der er gekommen war. Johannes hat dieses Herabsteigen vom Himmel am klarsten zum Ausdruck (Jo 6, 33. 38. 41f. 5of. 58) und die Rückkehr der Himmelfahrt mit ihr in Verbindung gebracht (Jo 3, 13; 6, 62). Röm 10, 6f kann hier nicht als Beleg herangezogen werden, denn die Ortsveränderung, die hier auf das Herniedersteigen der Menschwerdung folgt, bezieht sich eher auf die Rückkehr aus dem Totenreiche als auf den Aufstieg in den Himmel. Eph 4, 9f dagegen bringt einen viel umfassenderen Aufstieg zum Ausdruck, da auf das Hinabsteigen in die unteren Regionen der Erde ein Wiederemporsteigen folgt, das Christus über alle Himmel emporführt. Dieselbe Höhe des Emporsteigens setzt der Hymnus in Phil 2, 6-11 voraus.

2. Ein Triumph kosmischer Ordnung. Noch ein weiteres Motiv mußte dazu beitragen, die Himmelfahrt als eine von der Auferstehung und vom Thronen im Himmel verschiedene Etappe der Verherrlichung zu verdeutlichen: das Bemühen, die kosmische Suprematie Christi klarer hervorzuheben. Als eine in Kolossä auftauchende Häresie Christus in der Hierarchie der Engelchöre einen untergeordneten Rang zuzuweisen drohte, brachte der hl. Paulus noch kategorischer zum Ausdruck, was er vom Triumph Christi über die himmlischen Mächte bereits gesagt hatte (1Kor 15, 24). Dabei weist er darauf hin, daß dieser Triumph Christi durch das Kreuz bereits Tatsache geworden ist (Kol 2, 15) und daß Christus nunmehr in den Himmeln thront über all jenen Mächten, welche immer diese auch sein mögen (Eph 1, 20f). An derselben Stelle zieht er Ps 68, 19 zum Beweis dafür heran, daß das Emporsteigen Christi über alle Himmel seine Besitzergreifung vom gesamten All gewesen ist, das er ,,erfüllt" (Eph 4, 10) und als Allherr und ,,Haupt zusammenfaßt" (Eph 1, 10). Es ist derselbe kosmische Horizont, der im Hymnus 1 Tim 3, 16 aufscheint. Hier folgt die Aufnahme in die Herrlichkeit auf deren Verkündigung an die Engel und an die Welt. Der Hebräerbrief seinerseits geht bei der gedanklichen Erfassung der Himmelfahrt Christi von seiner Perspektive einer himmlischen Welt aus, in der die Heilswirklichkeiten gegeben sind und der die Menschen entgegengehen. Um dort zur Rechten Gottes zu sitzen (Hebr 1, 3; 8, 1; 10, 12f; 12, 2), über alle Engel erhaben (1, 4-13; 2, 7ff), ist der Hohepriester als erster emporgestiegen, nachdem er die Himmel durchschritten hat (4, 14) und hinter den Vorhang (6, 19f) in das Heiligtum eingetreten ist, wo er vor dem Angesicht Gottes für uns einsteht (9, 24).

3. Zeitpunkt der Himmelfahrt. Die Himmelfahrt Christi, die sich als kosmisches Geschehen von seinem Hervorgang aus dem Grabe unterschied, mußte auch aus pädagogischen Gründen davon losgelöst werden, um den Menschen in der Zeit ein Ereignis zur Kenntnis bringen zu können, das sich ihrer Beobachtung entzog, aber auch im Hinblick auf die Periode der Erscheinungen des Auferstandenen. Gewiß steht nichts im Wege, ja alles erfordert sogar, daß der seinen Jüngern erscheinende Jesus zu diesem Zweck aus der Welt der Herrlichkeit zurückkehrte, in die er im Augenblick der Auferstehung eingegangen war; denn es ist schwer einzusehen, wo er sich in den zwischen den einzelnen Erscheinungen liegenden Zeiten aufgehalten haben sollte, und zudem bewies er ihnen auf diese Weise seinen bereits verherrlichten Zustand. Tatsächlich scheint Matthäus die Dinge auch so aufzufassen; er spricht zwar nicht von der Himmelfahrt, gibt aber durch die Aussage Jesu über die Macht, die ihm im Himmel und auf Erden gegeben ist, zu verstehen (Mt 28, 18), daß die Besitzergreifung vom himmlischen Thron zur Zeit der Erscheinung auf dem Berge Galiläas bereits stattgefunden hat. Johannes lehrt in anderer Form genau dasselbe: Wenn Jesus seinen Jüngern durch Maria Magdalena mitteilen läßt, daß er zum Vater auffährt (Jo 20, 17), so besagt dies, daß er bereits aufgefahren und wieder herabgestiegen sein wird, wenn er ihnen noch am selben Abend erscheinen wird (20, 19). Diese einige Stunden umfassende Zwischenzeit zwischen Auferstehung und Himmelfahrt ist durchaus pädagogisch und ermöglichte es Jesus, Maria Magdalena zu verstehen zu geben, daß er in einen neuen Zustand eingeht, in dem die Beziehungen von einst (vgl. 20, 17 und 11, 2; 12, 3) vergeistigt sein werden (6, 58 und 62).

In anderen Texten wird der Zeitpunkt der Himmelfahrt von dem der Auferstehung noch eindeutiger unterschieden: Lk 24, 5of, denen die Verse 13. 33. 36. 44 voraufgehen, erweckt den Eindruck, als sei die Himmelfahrt am Abend des Ostersonntags nach verschiedenen Gesprächen Jesu mit seinen Jüngern erfolgt. Im Schlußteil von Markus 16, 19, der zum guten Teil von Lukas abhängig ist, wird die Himmelfahrt im Anschluß an einige aufeinanderfolgende Erscheinungen erzählt, bei denen man nicht feststellen kann, ob sie an einem oder an mehreren Tagen stattgefunden haben. Nach Apg 1, 3-11 endlich hat Jesus erst nach Ablauf von 40 Tagen der Erscheinungen und Gespräche die Seinigen verlassen, um in den Himmel aufzufahren. Die von diesen drei Texten erzählte Himmelfahrt zielt offenbar darauf ab, die Periode der Erscheinungen abzuschließen. Was sie beschreiben will, ist nicht so sehr das nach einem variablen und unerklärlichen Aufschub erfolgte erste Eingehen Christi in die Herrlichkeit, sondern der letzte Abschied, der seine Erscheinungen auf Erden beendete. Gerade die Ungewißheit der Dauer des Aufschubs versteht sich besser von der Unbestimmtheit des Termins her. Die Zahl 40 ist in der Apostelgeschichte vermutlich nur im Hinblick auf die 50 Tage von Ostern bis Pfingsten gewählt worden; wenn Jesus endgültig in den Himmel zurückkehrt, so geschieht dies, um seinen Geist zu senden, der fortan bei seinen Jüngern seine Stelle einnehmen soll.

Die verschiedenartige Darstellung der heiligen Texte läßt uns also in diesem Geheimnis zwei zusammenhängende, aber wohl zu unterscheidende Aspekte erkennen: die himmlische Verherrlichung Christi, die mit seiner Auferstehung zusammenfiel, auf der einen Seite, und seinen letzten Abschied nach einer Periode von Erscheinungen auf der anderen Seite, einen Abschied und eine Rückkehr zu Gott, von denen die Apostel auf dem OElberge Zeugen gewesen sind und die das liturgische Fest der Himmelfahrt in besonderer Weise feiert.

4. Art und Weise der Himmelfahrt. Apg 1, 9 ist der einzige kanonische Text, der - so knapp dies auch geschehen mag - die Auffahrt Jesu in den Himmel beschreibt. Seine außerordentliche Zurückhaltung bestätigt, daß er nicht darauf abzielt, das erste Eingehen Christi in die Herrlichkeit zu schildern. Dieses nüchterne Bild verdankt weder den Apotheosen heidnischer Helden, wie Romulus oder Mithras, auch nur das Geringste, noch auch dem biblischen Vorbild der Himmelfahrt des Elias Indem es die stereotyp gewordene Wolke der Theophanien in Erscheinung treten läßt und sich eines Engelswortes bedient, um die Szene zu erklären, verzichtet es darauf, eine realistische Schilderung des Geheimnisses von jenem zweifelhaften Geschmack zu bieten, wie gewisse Apokryphen sie erfunden haben, und beschränkt sich auf die wesentlichen Gegebenheiten, die dessen Sinn verdeutlichen. Nicht daß diese Szene, die eindeutig auf den OElberg lokalisiert wird, keine historische Erinnerung darstellt, noch daß Jesus seinen Jüngern keine bestimmte sinnenhafte Erfahrung seiner Rückkehr zu Gott zu gewähren vermocht hätte, doch hat der Bericht bestimmt nicht die Absicht, einen Triumph zu beschreiben, der sich de facto im Augenblick der Auferstehung ereignet hat; was er lehren will, ist, daß der Auferstandene nach einer bestimmten Zeit vertrauter Gespräche mit seinen Jüngern seine sichtbare Gegenwart von der Welt zurückgezogen hat, um diese erst am Ende der Zeiten wieder in Erscheinung treten zu lassen.

II. D ie Himmelfahrt als Präludium zur Parusie

,,Dieser Jesus, der von euch weg in den Himmel aufgenommen wurde, wird eben so wiederkommen, wie ihr ihn habt zum Himmel auffahren sehen" (Apg 1, 11). Dieses Engelwort erklärt nicht bloß den in knappe Worte gefaßten Bericht von der Himmelfahrt, sondern stellt auch einen tief greifenden Zusammenhang zwischen der Himmelfahrt Christi und seiner Wiederkunft am Ende der Zeiten her. Da diese auf sich warten läßt, bleibt der an sich - soweit dies ihn selbst betrifft - definitive Verbleib Christi im Himmel in der allgemeinen Heilsökonomie gleichsam nur eine vorübergehende Etappe; er bleibt dort den Augen der Menschen entzogen, bis er das letztemal erscheinen wird (Kol 3, 1-4), um die allgemeine Wiederherstellung durchzuführen (Apg 3, 21; 1 Thess 1, 10). In diesem Augenblick wird er wiederkommen, wie er hingegangen ist (Apg 1, 11), indem er auf den Wolken (Apk 1, 7; vgl. 14, 14ff) vom Himmel herabsteigt (1 Thess 4, 16; 2 Thess 1, 7), während ihm seine Auserwählten gleich den beiden Zeugen der Apokalypse (Apk 11, 12) gleichfalls auf Wolken (1 Thess 4, 17) entgegeneilen werden. Es ist stets dieselbe kosmologische Darstellung, die unserer menschlichen Vorstellung durchaus gemäß und im übrigen auf ein Minimum beschränkt ist.

Die letzte Aussage, die sich aus all diesen Themen ergibt, ist, daß der über den Tod triumphierende Christus bei Gott eine neue Art und Weise des Lebens inauguriert hat. Er ist als erster dorthin gelangt, um seinen Auserwählten einen Platz zu bereiten; denn er wird wiederkommen und sie gleichfalls dorthin führen, damit sie auf immer bei ihm seien (Jo 14, 2).

IV. Die Himmelfahrt in der christlichen Geistigkeit

In der Zeit des Harrens auf diesen Tag müssen die Christen durch den Glauben und die Sakramente mit ihrem verherrlichten Herrn vereint bleiben; sie, die schon jetzt mit ihm auferweckt ( Auferstehung sind und bereits ihren Platz im Himmel haben (Eph 2, 6), suchen ,,die Dinge, die droben sind", denn ihr wahres Leben ist ,,mit Christus in Gott verborgen" (Kol 3, 1ff). Ihre Heimat ist im Himmel (Phil 3,20). Die himmlische Wohnstätte, die sie erwartet und mit der sie schon jetzt überkleidet werden möchten (2 Kor 5, 1ff) ist nichts anderes als der verherrlichte Christus selbst (Phil 3,21), der ,,himmlische Mensch" (1 Kor 15, 45-49).

Daraus ergibt sich eine ganze Geistigkeit der Himmelfahrt, deren Grundlage die Hoffnung bildet, denn sie läßt den Christen schon jetzt aus der Wirklichkeit jener Welt heraus leben, in der Christus herrscht. Nicht daß er deshalb jener alten Welt, die ihm noch festhält, schon entrückt wäre, im Gegenteil, er hat die Aufgabe und die Macht, darin auf eine Art und Weise zu leben, die diese Welt jener Umwandlung und Verherrlichung entgegenführt, zu der Gott sie berufen hat.

Auferstehung