HEIDENVOELKER

In der Perspektive des Alten Testaments zerfällt das Menschengeschlecht in zwei Teile, denen die biblische Sprache bewußt verschiedene Bezeichnungen vorbehalten hat: auf der einen Seite Israel das Volk Gottes (`am = griech. laòs), dem die göttliche Auserwählung der Bund die >> Verheißungen gehören; auf der anderen Seite die Heidenvölker (Gojim = griech. èthne). Die Unterscheidung ist nicht nur völkischer oder politischer, sondern vor allem religiöser Natur. Die Heidenvölker sind diejenigen, die ,,Jahve nicht kennen" (Heiden), und gleichzeitig diejenigen, die am Leben seines Volkes keinen Anteil haben ( Fremde . Im Neuen Testament entfaltet und erweitert sich der Begriff des Volkes Gottes, das zur Kirche zum Leibe Christi, wird. Aber auch im Hinblick auf dieses neue Volk, das allen Menschen offensteht, erscheint die Menschheit noch in zwei Teile geteilt: die Juden und die Heidenvölker (vgl. Röm 1, 16; 15,7-12). Die Dialektik, die das Verhältnis zwischen Israel und den Heiden bestimmt, verleiht auf diese Weise dem gesamten Ablauf der Heilsgeschichte seinen Rhythmus. Auf der einen Seite fügt sich der Ratschluß Gottes dank der Erwählung und Aussonderung Israels in die Geschichte der Menschheit ein; auf der anderen Seite zielt dieser Ratschluß stets darauf ab, die gesamte Menschheit zu erlösen. Aus diesem Grunde schwankt die Perspektive beständig zwischen dem Partikularismus und dem Universalismus hin und her, bis Christus kommt, um Israel und die Heidenvölker in einem einzigen ,,neuen Menschen" zu vereinigen (Eph 2, 14ff).

AT

1. Das Geheimnis der Anfänge

Am Ausgangspunkt des Alten Testaments ergeht der Ruf Gottes an eine geteilte Welt, in der sich Rassen, Völker und Kulturen gegenüberstehen. Eine grundlegende historische Tatsache, die verschiedene Fragen aufrollt: Entsprach dies dem Willen Gottes? Wenn nicht, was war deren Ursache? Die Bibel will hierfür keine wissenschaftliche Antwort liefern, doch spürt sie diesem Geheimnis der Anfänge der menschlichen Gesellschaft trotzdem nach, um es mit dem Lichte der Offenbarung zu durchhellen.

1. Einheit und Verschiedenheit der Menschen. Die Einheit des Menschengeschlechtes bildet die stillschweigende Voraussetzung für die systematischen UEbersichten der Genesis. Gott hat das gesamte Menschengeschlecht von einem einzigen Prinzip ausgehen lassen (Apg 17, 26). Hierbei geht es nicht nur um die abstrakte Identität der Natur; hier geht es um die Einheit des Blutes:

Sämtliche Geschlechtsregister gehen von Adam und Eva aus; nach der Sintflut beginnen sie mit Noe von neuem (Gn 9, 18f). Indes bedeutet diese Einheit keine ununterschiedene Gleichförmigkeit. Die Menschen sollen sich mehren und die Erde erfüllen (Gn 1, 28); dies setzt ein fortschreitendes Sichauseinanderentwickeln der Völker und Rassen voraus, das die Heilige Schrift als Gottgewollt betrachtet (Gn 10; Dt 32, 8f).

2. Die sozialen Auswirkungen der Sünde. Der gegenwärtige Zustand der Menschheit entspricht jedoch nicht den göttlichen Absichten. Ist doch die Sünde in die Geschichte eingebrochen: Adam und Eva hatten davon geträumt, zu ,,werden wie Götter" (Gn 3, 5). Die im Lande Schinear lebenden Menschen aber wollten einen Turm bauen, ,,dessen Spitze in den Himmel ragen sollte" (11, 4). In beiden Fällen dieselbe sakrilegische Maßlosigkeit. In beiden Fällen aber auch dasselbe Ergebnis, das da und dort in einem göttlichen Strafurteil seinen Ausdruck gefunden hat (3, 14-24;11, 5-8). Die menschliche Beschaffenheit, so wie wir sie erleben, ist die praktische Folge davon. Deshalb mündet die Auseinanderentwicklung unseres Geschlechtes, die sich in einem Klima der Sünde vollzog, in mörderischen Haß (Kain und Abel: 4, 1-16) und in den Verlust der geistigen Einheit aus ( Sprachenverwirrung 11, 7ff). Das sind die Voraussetzungen, unter denen die Völker in die Geschichte hineingeboren werden, mit einem doppelten Makel behaftet: dem Götzen-Dienst, der sie von Gott losreißt, und dem Hochmut der sie zueinander in Gegensatz bringt. Das ist der Hintergrund jenes Bildes, von dem sich die Berufung Abrahams abhebt: wenn Gott ihn mitten aus den heidnischen Völkern herausgerufen hat (Jos 24, 2), so deshalb, um ihn zum Vater eines neuen Volkes zu machen, das sein Volk sein wird; aber auch deshalb, um schließlich alle Völker der Erde in ihm zu segnen (Gn 12, 1ff).

II. Israel und die Heidenvölker in der Geschichte

Israel weiß sehr wohl um seine natürliche Verwandtschaft mit verschiedenen Nachbarvölkern. Die Geschlechtsregister der Patriarchenzeit stellen diese Verwandtschaft fest: so bei Ismael (Gn 16), bei Madian (25, 1-6), bei Moab und den Ammonitern (19, 30-38), bei den Aramäern (29, 1-14) und bei den Edomitern (36). In der Makkabäerzeit suchen die Juden sogar verwandtschaftliche Beziehungen zu den Spartanern nachzuweisen (1 Makk 12, 7.21). Doch wird das Verhalten Israels den Heidenvölkern gegenüber durch Motive anderer Ordnung bestimmt, nämlich durch die Lehre vom Bunde und vom Ratschluß des Heiles.

1. Die Heidenvölker als Feinde Gottes

Auf Grund seiner nationalen Berufung ist Israel Hüter wesentlicher Werte: der Erkenntnis und des Kultes des wahren Gottes, der im Bund und in den Verheißungen beschlossenen Heilshoffnung. Nun aber bedrohen die Heidenvölker diesen Bestand in zweifacher Hinsicht: in Form politischer Unterwerfung und in Form religiöser Verführung.

a) Politische Bedrohung. Es gibt wenige Jahrhunderte, in denen Israels Existenz nicht bedroht gewesen ist. Die Heidenvölker lassen sich vom Hochmut und vom Begehren leiten; Prestigefragen und Gebietsansprüche führen zu Kriegen. Israel wird in den Wirbel der internationalen Politik mit hineingerissen und muß den ihm anvertrauten Bestand zäh verteidigen. Es hat die Knechtschaft AEgyptens erlebt. Dann brachten es die Kriege Jahves in Gegensatz zu den Kananäern, Madianitern, Philistern... Unter David änderte sich die Situation für einige Zeit (vgl. 2 Sm 8), und das israelitische Reich erfreute sich eines gewissen Ansehens. Bald aber ging es wieder abwärts, und dies auf Grund der Feindseligkeit und des Landhungers der kleinen Nachbarreiche wie des Macht Strebens der Großmächte AEgypten, Assyrien, Babylonien ( Babel - Babylon) ... Die ganze Königszeit ist ausgefüllt von diesen blutigen Auseinandersetzungen, deren wahres Antlitz zuweilen deutlich wird: gleich wie zur Zeit des Auszuges (Ex 5-14) suchen die hochmütigen Heidenvölker, die Anbeter falscher Götter, dem lebendigen Gott die Stirne zu bieten (2 Kg 18, 33ff; 19, 1-7. 12-19).

Dieselbe Haltung begegnet uns auch in der Spätzeit, da Antiochus Epiphanes darangeht, Judäa zu hellenisieren (1 Makk 1, 29-42). Von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet, waren die Beziehungen zwischen Israel und den Heidenvölkern nur auf dem Boden der Feindseligkeit denkbar.

b) Religiöse Verführung. Gegenüber dem Volke Gottes erweisen sich die anderen Völker auch als Vertreter des Heidentums, das bald seine verführerische, bald seine tyrannische Seite hervorkehrt. Götzendienerischen Ahnen entsprungen (Jos 24, 2), war Israel nur zu sehr geneigt, sie nachzuahmen. Zur Zeit der Richter neigte es zum kananäischen Götzen Dienst (Ri 2, 11ff). Salomo, der Erbauer des Tempels, errichtete auch für die Nationalgötter der Nachbarländer Heiligtümer (1 Kg 11, 5-8). Während der folgenden Jahrhunderte, da Assyrien die Oberhoheit ausübte, gesellten sich zu den kananäischen Kulten die assyrischen hinzu (2 Kg 16, 10-18; 21, 3-7; Ez 8). Zur Zeit der Makkabäer übte das griechische Heidentum seine ganze Anziehungskraft aus, das sich durch seine Kultur noch besonders empfahl und das Antiochus Epiphanes dem Lande gewaltsam aufzwingen wollte (1 Makk 1,43-61). Unter diesen Voraussetzungen versteht man erst die strengen Vorschriften des Deuteronomiums: Israel mußte sich von den fremden Völkern radikal absondern, um von ihrem Heidentum nicht angesteckt zu werden (Dt 7, 1-8).

2. Die Heidenvölker im Plane Gottes

Doch würde man fehlgehen, wollte man die Lehre des Alten Testaments über die Heidenvölker auf diese Haltung der Gegensätzlichkeit und der Absonderung beschränken. Jahve ist ein universaler Gott, dem sie alle ihren Ursprung verdanken. Schon wurden Erstlinge von ihnen Israel einverleibt, um Jahve einen echten Kult darzubringen.

a) Die Heidenvölker vor Jahve. Jahve hat alle Völker in seiner Hand, er läßt die Philister von Kaphtor und die Aramäer von Qir ebenso anrücken, wie er Israel aus AEgypten herausgeführt hat (Am 9, 7). Ein Wissen von großer Bedeutung, das jedem religiösen Nationalismus einen Riegel vorschieben mußte. Umgekehrt aber müssen sich auch die Heidenvölker bewußt bleiben, daß sie gleich Israel dem Gericht des alleinigen Gottes unterworfen sind (Am 1, 3 - 2, 3). In dieser doppelten Richtung bekennt sich bereits das Alte Testament zur Universalität des Heilsplanes Gottes. Die Aufgabe der Heidenvölker bleibt indes bei dessen Ablauf auf bestimmte Episoden beschränkt: In einem Falle vollziehen sie als Werkzeuge des göttlichen Zornes an Israel ein Strafgericht (Is 8, 6f; 10, 5; Jr 27); in einem anderen Falle erhalten sie gleich Kyros einen Auftrag zu dessen Errettung (Is 41, 1-5; 45, 1-6). Andererseits sind die menschlichen Werte, deren Träger sie sind, nicht zu verachten, sind sie doch an und für sich Gaben Gottes. Israel kann sie sich also zunutze machen; so nahmen die Hebräer auf ihrer Flucht verschiedene Wertsachen der AEgypter mit (Ex 12, 35f); so machten sie sich bei der Landnahme die Zivilisation Kanaans zu eigen (Dt 6, 10f); jede Epoche nahm neue Anleihen an der internationalen Kultur (vgl.1 Kg 5, 9-14; 7, 13f).

b) Die Erstlinge der Heidenvölker. Doch bleibt all dieses Mitwirken am Plane Gottes trotz allem äußerlich; die Heidenvölker erfreuten sich nicht jener göttlichen Vorrechte, die Israel besaß. Doch gab es hiervon Ausnahmen, denn einzelne von ihnen bringen Gott einen wahren Kult dar, den er wohlgefällig annimmt: so Melchisedech (Gn 14, 18ff), Jethro (Ex 18, 12), Naaman (2 Kg 5, 17) ... Einzelne von ihnen wurden dem Bundesvolke eingegliedert: so Thamar (Gn 38), Rachab (Jos 6, 25) und Ruth (Ruth 1, 16), denen wir in der Ahnenreihe Jesu begegnen (Mt 1, 2-5); weiters der Clan der Gabaoniten (Jos 9, 19-27) sowie die ansässigen Fremden die sich beschneiden ließen (Ex 12, 48f; Nm 15, 15f). Eine entfernte Ankündigung jenes Universalismus, für den Gott sein Volk allmählich erschloß.

IIL Israel und die Heidenvölker in der Prophetie

In diesem Bereich wurde die Perspektive der Prophetie nicht mehr von der Erfahrung bestimmt. Hier ging es um die ideale Verwirklichung des Ratschlusses Gottes, wie ihn die Propheten am Ende der Zeiten erahnen lassen. Je nach den Werten, die die Heidenvölker hierbei vertreten, scheinen sie in diesem Bilde bald in dem Sinne auf, daß das Gericht Gottes über sie ergehen wird, bald als Teilhaber seines Heiles 1. Das Gericht über die Heidenvölker. Die Wahrsprüche gegen die Heidenvölker gehören bei sämtlichen Propheten zum klassischen Bestande (Is 13-21; Jr 46-51; Ez 25-32). Diesen kam in der Frühzeit eine besondere Bedeutung zu, da die Vernichtung der heidnischen Bedrücker als die notwendige Voraussetzung für die Befreiung Israels erschien. Wenn sein Tag kommen wird, wird Gott den Gog, den König von MaGog, als Typus dieser blutigen Tyrannen zerschlagen (Ez 38-39). Er wird gegen alle feindlichen Mächte zum Kampfe antreten (Joel 4, 9-14; Zach 14, 1-6; 12ff), ihre Städte zerstören (Is 24, 7-13) und über ihre Könige zu Gericht sitzen (Is 24, 21f). Dieses Thema liegt sowohl der lehrhaften Geschichte Judiths als auch der Danielapokalypse zugrunde (vgl. Dn 7; 11, 21-45), dem die Verfolgung des Antiochus eine tragische Gegenwartsbedeutung verlieh.

2. Die Teilnahme der Heidenvölker am Heile. Doch hat diese Medaille auch eine Kehrseite. Denn das Endheil wird nicht das ausschließliche Erbteil Israels sein. Wenn die Sünde schon zu Beginn die Einheit des menschlichen Geschlechtes zerstört hat, soll die endliche Bekehrung der Völker deren Wiederherstellung bewirken. Sie werden nach Jerusalem kommen, um sich im Gesetze Gottes unterweisen zu lassen, und dies wird die Rückkehr zum all gemeinen Frieden bedeuten (Is 2, 2ff). Sie werden sich dem lebendigen Gotte zu wenden (Is 45, 14-17. 20-25) und sich an seinem Kulte beteiligen (Is 60, 1-16; 25, 6; Zach 14, 16). AEgypten und Assyrien wer den sich bekehren und Israel ihnen als Verbindungsland dienen (Is 19, 16-25). Jahve wird der Zerstreuung von Babel ein Ende bereiten und alle Völker und Zungen um sich versammeln (Is 66,18-21). Alle Völker werden ihn als König anerkennen, alle verbinden sich mit dem Volke Abrahams (Ps 47), alle werden Sion als ihre Mutter bezeichnen (Ps 87). Der Knecht Jahves übernimmt für sie ebenso wie für Israel die Rolle eines Mittlers (Is 42, 4. 6). Auf diese Weise wird es am Jüngsten Tage zum Aufbau eines einzigen Volkes Gottes kommen, das zum ursprünglichen Universalismus zurückfinden wird. Wenn das Gesetz Israels den Anschein einer gewissen Exklusivität erweckte, so greift die Prophetie doch sichtlich auf die weitgreifenden Perspektiven des von Uranfang gegebenen Geheimnisses zurück.

IV. Vorwegnahme des Kommenden

Das nachexilische Judentum als Erbe des Gesetzes wie der Propheten schwankt zwischen diesen beiden Tendenzen, die entgegengesetzten Erfordernissen entsprachen.

1. Die jüdische Exklusivität. Das erste Erfordernis war der Abschluß gegen das Heidentum: War nicht die verlockende Anziehungskraft seiner Geisteshaltung und seiner Kulte die Ursache aller UEbel der Vergangenheit gewesen? Deshalb vollzog sich die jüdische Restauration zur Zeit des Nehemias und des Esdras im Klima eines verstärkten Partikularismus (Esr 9-10; Neh 10; 13). Wenn die darauffolgende Zeit durch eine größere geistige Weite gekennzeichnet ist, so führte die Krise der Makkabäerzeit zu einem Rückgriff auf den religiösen Nationalismus, der noch 200 Jahre später in den Sekten der Pharisäer und Essener weiterleben sollte.

2. Das jüdische Proselytentum. Es ist ein Paradoxon, das aber aus den sich ergänzenden Erfordernissen des jüdischen Glaubens verständlich wird, daß sich die Gemeinde Israels um dieselbe Zeit mehr als je zuvor für die Heiden guten Willens er schloß. Man tadelte den religiösen Chauvinismus, von dem der Verfasser des Jonasbuches eine Karikatur gezeichnet hat. Man arbeitete für die Proselyten, die sich Israel anschließen wollten, ein offizielles Statut aus (Is 56, 1-8) und erzählte mit sichtlicher Genugtuung, wie es hierfür schon in der Vergangenheit verschiedene Beispiele gab: so bei der Moabiterin Ruth (Ruth 1, 16), beim Ammoniter Achior (Jdt 5, 5 - 6, 20). Vor allem zeichnete sich das alexandrinische Judentum durch seine Initiativen in dieser Richtung aus. Es übersetzte die Bibel ins Griechische und erarbeitete eine Apologetik, von der uns das Buch Baruch (Bar 6) und das Weisheitsbuch (Weish 13-15) einige Proben vermitteln. Israel ist sich also seiner Berufung bewußt geworden, ein Volk des Zeugnisses ein missionarisches Volk zu sein.

NT

I. Jesus und die Heidenvölker

Mit Jesus hat die Endzeit begonnen (Mk 1, 15). Man würde also erwarten, daß er schon zur Zeit seines öffentlichen Lebens den Weg des Universalismus beschritten hätte, wie ihn die prophetischen Wahrsprüche erschlossen harten. Nun aber stellen sich die Dinge nicht so einfach dar.

1. Sich scheinbar widersprechende Worte und Verhaltensweisen

a) Partikularistische Verhaltensweisen. Selbst wenn Jesus im Auslande weilt, geht er nicht über die Grenzen des Judentums hinaus, um die Frohe Botschaft zu verkünden und Wunder zu wirken: ,,Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt" (Mt 15, 24). ,,Es ist nicht recht, das Brot der Kinder zu nehmen und es den Hunden vorzuwerfen" (Mk 7,27). Desgleichen empfiehlt er den Zwölfen, da er sie auf Mission aus sandte ,,Nehmt euren Weg nicht zu den Heiden!" (Mt 10, 5f.)

b) Universalistische Perspektiven. Dagegen sparte Jesus nicht mit seiner Bewunderung für jene Fremden die an ihn glauben, während er den schlechten Willen dieser ,,verlorenen Schafe" heftig tadelt; man denke nur an den Hauptmann von Kapharnaum (Mt 8, 10 par.), an den aussätzigen Samariter (Lk 17, 17ff), an die kananäische Frau (Mt 15, 28) . . . Diese Menschen sind die Erstlinge der Heidenvölker im Reiche Gottes. Nun aber wird die weitere Entwicklung des Reiches Gottes ihre Zahl rasch anwachsen sehen; man wird von allen Seiten zum eschatologischen Gastmahl herbeieilen, während die Israeliten als angestammte Bürger des Reiches davon ausgeschlossen bleiben (Lk 13, 28f par.) . . . eine überraschende Perspektive, in der die einstige Situation der Juden und der Heidenvölker in bezug auf die Vorrechte des Bundes völlig verändert sein wird. Der Weinberg Gottes wird Israel weggenommen und anderen Winzern an vertraut werden (Mt 21, 43).

2. Lösung der Antinomie. Zwischen dem Partikularismus und zwischen dem Universalismus Jesu besteht kein Widerspruch. Doch paßt er sich aufeinander folgenden Phasen einer in Entwicklung begriffenen Situation an. Anfangs sucht Jesus Israel zu bekehren, um es aus einer Perspektive des völligen Universalismus zum Missionar des Reiches Gottes zu machen. Deshalb griff er über den Rahmen seines Volkes nicht hinaus. Nun aber machte die Verhärtung der Juden diesen Plan unmöglich. Auf das hin paßt Gott den Ablauf seines Heils- Ratschlusses diesem Tatbestand an: Jesus wird von seinem Volke verworfen und vergießt sein Blut ,,für die Vielen zur Vergebung der Sünden" (Mt 26, 28); dieses Opfer besiegelt den eschatologischen Bund und erschließt allen Menschen den Zutritt zum Reiche Gottes. Auf das hin vermag das menschliche Geschlecht zu seiner inneren Einheit zurückzufinden, da seine Verbindung mit Gott wiederhergestellt ist. Deshalb überträgt Jesus nach Vollendung seines Opfers durch seine glorreiche Auferstehung den Zwölfen eine weltumspannende Sendung das Evangelium allen Geschöpfen zu verkünden (Mk 16, 15), aus allen Völkern Jünger zu gewinnen (Mt 28, 19), bis an die Grenzen der Erde Zeugnis abzulegen (Apg 1, 8). Im Lichte des Ostertages wird der jüdische Partikularismus endgültig überwunden.

II. Die Verkündigung der Frohen Botschaft an die Heidenvölker (305)

1. Die Urgemeinde und die Heiden

a) Fortschreitende Ausbreitung der Kirche. Trotz der universalistischen Bedeutung des Pfingst Geschehens, wobei das Lob Gottes ,,in allen Sprachen" erklang (Apg 2, 8-11), beschränkte sich die Urgemeinde zunächst auf die Missionierung Israels. Von dort sollte das Heil ausgehen, um sich auf die gesamte Erde zu verbreiten. Unter dem Antrieb des Heiligen Geistes aber sprengte die Kirche diesen Kreis in wachsendem Maße: Philippus verkündete in Samaria die Frohe Botschaft (Apg 8); der hl. Petrus tauft den Hauptmann Cornelius, einen Proselyten, der Israel noch nicht durch die Beschneidung eingegliedert worden war (Apg 10). In Antiochien wird der Herr Jesus Griechen verkündet, die sich in großer Zahl bekehren (Apg 11, 20f). Die Berufung des hl. Paulus aber schenkte der Kirche jenes auserwählte Werkzeug, dessen sie zur Missionierung der Heidenvölker bedurfte (Apg 9, 15; 22,15.21; 26, 17), die die Propheten vorausgesagt hatten (Apg 13, 47; vgl. Is 49, 6).

b) Die Kirchenversammlung in Jerusalem. Diese Ausbreitung der Kirche warf eine grundlegende Frage auf: Mußten jene Heiden, die den Glauben annahmen, auf das jüdische Gesetz verpflichtet werden? Bei der Kirchenversammlung in Jerusalem vertrat der hl. Paulus den Standpunkt, daß man ihnen ein solches Joch nicht auferlegen dürfe (Apg 15, 1-5; Gal 2). Der hl. Petrus stimmte ihm bei, und der hl. Jakobus erklärte, daß die Bekehrung der Heiden der Heiligen Schrift entsprach (Apg 15, 7-19). Auf diese Weise zog man schließlich im Lichte der Erfahrung jene Konsequenzen, die im Kreuz und in der Auferstehung Jesu beschlossen lagen: In der Kirche als dem neuen Volke Gottes erhalten die Heidenvölker ein Statut, das mit dem für Israel geltenden völlig gleichlautete, und der hl. Paulus wurde in seiner besonderen Berufung als Apostel der Heiden bestätigt (Gal 2, 7ff).

2. Der hl. Paulus als Apostel der Heidenvölker

Das Apostolat des hl. Paulus respektierte indes jene Ordnung der Dinge, die sich aus dem Alten Bunde ergab. Stets verkündete er das Evangelium zuerst den Juden; er geht erst dann zu den Heiden, wenn er von jenen abgelehnt wurde (Apg 13, 45ff; 18, 5f; 19, 8ff; vgl. Röm 1, 16; 2, 10). Im übrigen aber ließ er über die Stellung der Heidenvölker dem Evangelium gegenüber keinerlei Zweifel aufkommen.

a) Die Stellung der Heidenvölker gegenüber dem Evangelium. Die dem Heidentum entstammenden Menschen sind ebenso wie die Juden Gegenstand des göttlichen Zornes (Röm 1, 18). Gott hat sich ihnen durch seine Schöpfung zu erkennen gegeben (1, 19f; Apg 14, 17), sie aber haben ihm die Anerkennung versagt (Röm 1, 21f); er hatte sie mittels des Gewissens sein Gesetz erkennen lassen (2, 14f), sie aber haben sich in Auswirkung ihres Götzendienstes ihren ungeordneten Leidenschaften überlassen (1, 24-32). Heute aber will Gott ihnen ebensolche Barmherzigkeit erweisen wie den Juden, wenn sie dem Evangelium Glauben schenken(1, 16; 3, 21-31; 10, 12). Den einen wie den anderen bringt der Glaube die Rechtfertigung: sind doch nach dem Zeugnis der Schrift jene die wahren Söhne Abrahams und Erben jenes Segens, der ihm verheißen wurde, die sich auf den Glauben berufen (Gal 3, 6-9). Das Volk, dem diese >> Verheißungen nunmehr zuteil werden, umfaßt sowohl Beschnittene wie Unbeschnittene, und auf diese Weise ist Abraham zum Vater vieler Völker geworden (Röm 4).

b) Die Juden und die Heiden in der Kirche. In Jesus Christus ist also die Einheit der Menschen wiederhergestellt worden. Es gibt weder Griechen noch Juden mehr (Gal 3, 28). Juden und Heiden sind miteinander versöhnt, seit die Scheidewand des Hasses zwischen ihnen gefallen ist. Sie bilden eine einzige neue Menschheit einen einzigen Bau, dessen Eck- Stein Christus ist, einen einzigen Leib dessen Haupt er ist (Eph 2, 11-22). Dieses Geheimnis der Einheit verwirklicht sich schon jetzt in der Kirche und wird im Himmel seine Vollendung finden. Doch bestimmt die alte Trennung der Menschheit in zwei Teile nach wie vor die Dialektik der heiligen Geschichte. Gott verwirft auf eine bestimmte Zeit das verhärtete Israel mit Ausnahme eines Restes dies geschieht, um den Heidenvölkern das Heil zu vermitteln, die dem Baumstumpfe Israel aufgepfropft werden (Röm 11, 1-24), und um die Eifersucht Israels zu erregen, das dadurch zur Erkenntnis seiner Schuld gelangen soll (11, 11). In einem zweiten Zeitabschnitt aber, wenn die Gesamtheit der Heidenvölker in die Kirche Aufnahme gefunden hat, wird ganz Israel auch seinerseits gerettet werden (11, 25-29). Die Wege Gottes münden auf das Endheil aller Heidenvölker aus, die zusammen mit Israel zu einem Volke Gottes verbunden werden (15, 7-12).

III. Die christliche Reflexion

1. Die Evangelien

a) Die Synoptiker. Alle drei ersten Evangelisten, die die Erinnerungen aus jener Zeit niedergeschrieben haben, da Jesus hienieden geweilt hat, zeigen - jeder auf seine Art - ihr Interesse für das Heil der Heidenvölker. Beim hl. Markus ist die gesamte Erzählung auf den Glaubensakt des heidnischen Hauptmanns unter dem Kreuze hingeordnet: ,,Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn" (Mk 15, 39). Bei Matthäus, der das Vorhandensein heidnischer Frauen im Stammbaume Jesu herausstellt (Mt 1, 2-6), offenbart sich dieser von Kindheit an als der König der Heidenvölker (2, 1-11). Er beginnt seine öffentliche Wirksamkeit im ,,Galiläa der Heiden" (4,15f); seine letzten Worte sind ein Befehl, den Heidenvölkern die Frohe Botschaft zu verkünden (28, 19). Beim hl. Lukas reicht der Stammbaum Jesu bis Adam zurück, dem Vater des gesamten Menschengeschlechts, das Jesus erlösen wird (Lk 3, 23-38). Deshalb begrüßt ihn der greise Simeon als ,,das Licht zur Erleuchtung der Heiden und zum Ruhme seines Volkes Israel" (2, 32). Endlich zeigt das Doppelwerk des Evangeliums und der Apostelgeschichte auf, wie das in Jerusalem durch das Opfer Jesu gewirkte Heil sich von dort ,,bis an die Grenzen der Erde" ausbreitet (Apg 1, 8).

b) Beim hl. Johannes tritt dieses Anliegen nicht so stark hervor, weil er vor allem an das Schicksal der ungläubigen Juden denkt Go 12, 37-43). Diese werden auf Grund ihrer Verhärtung aus dem Volke Gottes, das sie gewesen waren, zu einem Volke gleich allen anderen (11, 48ff; 18, 35). Dagegen kommen zu Jesus schon während seines irdischen Lebens Menschen voll des Glaubens, die die Erstlinge der Heidenvölker sind (4, 53; 12, 20-32). Sein Tod aber bewirkt schließlich die Versöhnung aller; er stirbt nicht nur für sein Volk, sondern um alle zerstreuten Kinder Gottes zu einer Einheit zusammenzufassen (11, 50ff).

2. Die Apokalypse

Die Apokalypse als christliche Prophetie wendet gleich den Propheten von einst ihr Augenmerk beiden Situationen der Heidenvölker im Hinblick auf den Plan Gottes zu:

a) Das Gericht über die Feindvölker. Gleich Israel sieht sich auch das neue Volk Gottes heidnischen Völkern gegenüber, die ihm feindselig gegenüberstehen (vgl. Apk 11, 1). Das ist der Sinn jener Tiere die sich von den Menschen anbeten lassen (13), und Babylons der Gotteslästerlichen Dirne, die sich am Blute der Martyrer berauscht (17).

Diese Mächte führen gegen Christus den eschatologischen Krieg (17, 13f; 19, 19; 20, 7ff), denn sie sind die Träger der Macht Satans Deshalb werden sie auch gerichtet und vernichtet (14, 6-11; 18). Sie werden im Kampf gegen Christus fallen (17, 14; 19, 15. 20f).

b) Die Errettung der sich bekehrenden Heidenvölker. Im Gegensatz zur sündigen Menschheit, die ihrem Untergang entgegengeht, steht die neue Menschheit, die durch das Blut des Lammes erlöst wird: es ist eine ungeheure Schar aus allen Völkern, Rassen, Stämmen und Sprachen (7, 9-17), die Gott als den König der Heidenvölker preisen (15, 3f) und auf immer im neuen Jerusalem wohnen werden (21, 24ff). Das Neue Testament schließt mit einem Ausblick der Hoffnung auf jene Zeit, da das erlöste Menschengeschlecht endlich seine Einheit wiederfinden wird: ,,O Rex gentium et desideratus earum, lapisque angularis, qui facis utraque unum: veni et salva hominem quem de limo formasti!" Apostel