DANKSAGUNG

Die Urwirklichkeit der biblischen Geschichte ist die ungeschuldete, in Fülle und unwiderruflich geschenkte Gabe Gottes. Die Begegnung mit Gott stellt den Menschen nicht nur dem Absoluten gegenüber:

sie bereichert ihn und verwandelt sein Leben. Die Danksagung erscheint als die Antwort auf diese sich unablässig weiter entfaltende Gnade die eines Tages in Christus zu ihrer vollen Blüte gelangen sollte. In der Danksagung wird der Mensch der Gaben Gottes inne; die Seele ist von Bewunderung über diese Hochherzigkeit erfüllt. Die freudige Anerkennung der göttlichen Größe ist ein entscheidender Zug der Bibel, weil sie ein grundlegendes religiöses Bekenntnis des Geschöpfes ist, das in einem Erheben voll Freude und Ehrfurcht etwas von Gott seiner Größe und seiner Herr lichkeit erfährt. Die größte Sünde der Heiden besteht nach dem hl. Paulus darin, daß sie Gott ,,weder Ehre noch Dank erwiesen haben" (Röm 1, 21). Und in der Tat stellt die Danksagung in der Unzahl von Hymnen, die die mesopotamische Frömmigkeit geschaffen hat, eine Ausnahme dar, während sie in der Bibel häufig und machtvoll aufbricht.

AT

1. Von einem Bunde zum andern. Die Danksagung des Alten Testaments kündet die des Neuen in dem Maße an, als sie stets nicht nur Anerkennung, sondern auch Sehnsucht nach der Zukunft und einer noch erhabeneren Gnade darstellt. Andererseits bricht die Danksagung erst in der Geburtsstunde des Neuen Testaments in voller Wirklichkeit durch und wird im Gebet und im Leben der Christen in einer Weise allgegenwärtig, wie sie dies bei den Gerechten von einst niemals gewesen war. Die biblische Danksagung ist also wesentlich christlich.

Doch ist sie dies nicht so ausschließlich, daß der Israelite, wie man eimnal geschrieben hat, im Alten Testament nur einen ,,Lobpreis ohne Danksagung" gekannt hätte. Wenn das Alte Testament die Fülle der Danksagung noch nicht gekannt hat, so deshalb, weil es auch die Fülle der Gnade noch nicht verkostet hat. Wenn der unittelbarere, mehr nach außen gerichtete Lobpreis im Alten Testament einen breiteren Raum einnimmt als die eigentliche, auf das Handeln Gottes, seine Absichten und seine Offenbarung bedachte Danksagung, so deshalb, weil sich der allmächtige Gott nur schrittweise geoffenbart hat und die ganze Größe seines Tuns und die Tiefe seiner Gaben erst allmählich enthüllt hat.

2. Die Ausdrucksweise. Der Danksagung in der Bibel nachspüren heißt gleichzeitig auch der Freude (Ps 33, 1 - 3. 21), dem Lobpreis und dem Jubel (Esr 3, 11; Ps 69, 31) und der Verherrlichung Gottes begegnen (Ps 50, 23; 86, 12). Genauer gesagt, ist die Danksagung das öffentliche Bekennen bestimmnter göttlicher Großtaten. Gott loben heißt seine Größe verkünden; ihm Dank sagen heißt die Wunder verkünden, die er wirkt, und für seine Werke Zeugnis ablegen. Die Danksagung geht Hand in Hand mit der Offenbarung Sie ist gleich sam deren Echo in den Herzen. Deshalb schließt sie nicht selten die Erwähnung der Versammlung der Gerechten oder der Völker in sich, die zum Zuhören aufgefordert (Ps 35, 18; 57, 10; 109, 30) oder zur Teilnahme eingeladen werden (Ps 92, 2ff; 105, 1f).

Im Hebräischen bringt vor allem das Wort tödä diese Nuance des begeisterten und dankbaren Bekennens zum Ausdruck, das wir im Deutschen meist mit einem viel ausdrucksärmeren und ziemlich ungenauen ,,danken" übersetzen. Jenes Wort, das die Danksagung des Alten Testaments am klarsten zum Ausdruck zu bringen und die damit gemeinte religiöse Haltung am genauesten wiederzugeben scheint, ist das der Segnung (hebr. bärak), das den wesentlichen geistigen ,,Austausch" zwischen Gott und Menschen ausdrückt. Die Antwort auf den Segen Gottes, der seinem Geschöpf das Leben und das Heil schenkt (Dt 30, 19; Ps 28, 9), ist jene andere Segnung, durch die der von dieser Macht und Hochherzigkeit emporgehobene Mensch dem Schöpfer danksagt (Dn 3, 90; vgl. Ps 68, 20.27; Neh 9,5...;I Chr 29, 1o).

3. Geschichte der Danksagung. Es gibt ein klassisches literarisches Schema der Danksagung, das vor allem in den Psalmen erkennbar ist und den Charakter der Danksagung als Reaktion auf ein Handeln Gottes sichtbar werden läßt. Das Bekennen der Dankbarkeit ob des erlangten Heiles entfaltet sich in der Regel in einer aus drei Teilen bestehenden ,,Darlegung" : Beschreibung der Gefahr, in die man geraten ist (Ps 116, 3), angsterfülltes Gebet (Ps 116, 4), Hinweis auf das wundervolle Eingreifen Gottes (Ps 116, 6; vgl. Ps 3o; 40; 124). Diese literarische Art bleibt in der ganzen Bibel dieselbe und gehorcht ein und der selben überlieferten Ausdrucksweise, die sich durch die Psalmen, Cantica und prophetischen Hymnen hindurch gleichbleibt.

Wenn die Danksagung ein und dieselbe ist, so deshalb, weil sie die Antwort auf ein und dasselbe Werk Gottes ist. Wenn dies auch nicht immer mit derselben Klarheit zutage tritt, so wird doch jeder besondere Hulderweis Gottes stets als ein Moment in einer großartigen, fortlaufend sich vollziehenden Geschichte empfunden. Die Danksagung trägt die biblische Geschichte und setzt sie in die eschatologische Hoff nung hinein fort (vgl. Ex 15, 18; Dt 32, 43; Ps 66, 8;96).

Die Danksagung inspiriert nicht bloß einige sehr alte literarische Stücke, die schon den gesamten Glauben Israels in sich vereinen: so das Canticum Mosis (Ex 15, 1 - 21) oder das Deboralied (Ri 5); sondern es ist sehr wohl möglich, daß dem Hexateuch und der gesamten Geschichte Israels ein kultisches Glaubensbekenntnis zu grunde liegt, das in Form einer Danksagung die Großtaten Jahves an seinem Volke verkündet. Auf diese Weise ist der wahre Glaube von allem Anfang an ein Bekenntnis in Form einer Danksagung. Diese Tradition entfaltet sich mehr und mehr, und zwar in dem Maße, als sich Israel der Hoch herzigkeit Gottes bewußt wird, und kommt in allen Bereichen zum Ausdruck: in der prophetischen Literatur ebenso (Is 12; 25; 42, 10 ... ; 63, 7. . .; Jr 20, 13) wie in den Priesterschriften (1 Chr 16, 8 . . .; 29, 10 - 19; Neh 9, 5 - 37) und in den großangelegten Kompositionen der letzten Schriften des Alten Testaments (Tob 13, 1 - 8; Jdt 16, 1 - 17; Sir 51, I - 12; Dn 3, 26 - 45. 51 - 90).

NT

Als Offenbarung und Gabe der Fülle der Gnade (vgl. Jo 1, 17) ist das Neue Testament in der Person des Herrn auch die Offenbarung der dem Vater im Heiligen Geiste dargebrachten vollkommenen Danksagung.

1. Die christliche Ausdrucksweise. Die Danksagung ist unzertrennlich verbunden mit dem Bekenntnis (griech. homologeö: Mt 11, 25; Lk 2, 38; Hebr 13, 15), dem Lobpreis (griech. aineö: Lk 2, 13. 20; Röm 15, 11), mit der Verherrlichung (griech. doxazö: Mt 5, 16; 9, 8) und in ganz besonderer Weise mit der Segnung (griech. eulogeö: Lk 1, 64. 68; 2, 28; 1 Kor 14, 16; Jak 3,9). Doch dringt nun ein neuer, dem Alten Testament eigentlich unbekannter Ausdruck (griech. eucharisteö, Eucharistie) in das Neue Testament ein (mehr als 6omal), der die Originalität und Bedeutung der christlichen Danksagung als Antwort auf die von Gott in Jesus Christus geschenkte Gnade (charis) bezeugt. Die christliche Danksagung ist eine Eucharistie ihr vollendeter Ausdruck aber ist die sakramentale Eucharistie, die Danksagung des Herrn, die dieser seiner Kirche geschenkt hat.

2. Die Danksagung des Herrn. Die erhabenste Tat des Herrn ist eine Danksagung gewesen: Das Opfer zu dem Jesus sein Leben gemacht hat, indem er es dem Vater geweiht hat, um die Seinigen zu heiligen (Jo 17, 19), ist unsere Eucharistie. Beim Abendmahl und am Kreuze offenbart Jesus das innerste Geheinmis seines ganzen Lebens und seines Todes: die Danksagung seines Sohnes Herzens. Es bedurfte der Passion und des Todes Jesu, um den Vater voll und ganz zu verherrlichen (Jo 17, 1), doch ist sein ganzes Leben eine beständige Danksagung gewesen, die er zuweilen ausdrücklich und feierlich ausgesprochen hat, um die Menschen dahin zu bringen, zu glauben und Gott durch und mit ihm Dank zu sagen (vgl. Jo 11,42). Den wesentlichen Gegenstand dieser Danksagung bildet das Werk Gottes, die messianische Verwirkhchung, die vor allem in den Wundern sichtbar wird (vgl. Jo 6, 11; 11, 41ff), die Gabe seines Wortes, das Gott den Menschen geschenkt hat (Mt 11, 25ff).

3. Die Danksagung der Jünger. Die Gabe der Eucharistie, die Christus seiner Kirche geschenkt hat, bringt eine wesentliche Wahrheit zum Ausdruck: Jesus Christus allein ist unsere Danksagung, wie er auch unser einziger Lobpreis ist. Er ist es in erster Linie, der dem Vater Dank sagt, die Christen aber tun es nach ihm und in ihm: per ipsum et cum ipso et in ipso. Wie im gesamten christlichen Beten ist Christus auch in der christlichen Danksagung das einzige Vorbild und der einzige Mittler (vgl. Röm 1, 8; 7, 25; 1 Thess 5, 18; Eph 5, 20; Kol 3, 17).

Im Bewußtsein der Größe der erhaltenen Gabe und dem Beispiele ihres Meisters folgend, machten die ersten Christen die Danksagung geradezu zum Leitfaden ihres neuen Lebens. Die Fülle, in der sie sich kundtut, hat etwas UEberraschendes an sich. Hierher gehören die Cantica von Lukas 1 und 2, die, gleich verschiedenen Cantica des Alten Testaments, aus der beständigen religiösen Betrachtung dessen, was geschehen war, hervorgegangen sind. Hierher gehören auch die spontanen AEußerungen der Danksagung der Apostel und der ersten Christengemeinden (Apg 28, 15; vgl. 5, 41; 21, 20; Röm 7, 25; 2Kor I, II; Eph 5, 20; Kol 3, 17; 1 Thess 5, 18). Hierher gehören vor allem die großen paulinischen Texte, die uns seine ,,beständige Danksagung" lebendig miterleben lassen (1 Kor 1, 4; Phil 1, 3; Kol 1, 3; 1 Thess 1, 2; 2, 13; 2 Thess 1, 13) und gelegentlich die feier- liche Form der Segnung annehmen (2 Kor 2, 3; Eph 1, 3). Das ganze christliche Leben, das ganze Leben der Kirche, ist für den hl. Paulus getragen und behütet von einer beständigen Verbindung von Gebet und Danksagung (1 Thess 3, 9f; 5, 17f; Röm 1, 8ff). Der Gegenstand dieser Danksagung aber bleibt bei aller Vielfalt der Ereignisse und der Zeichen derselbe, der die große Danksagung des Epheserbriefes ausfüllt:

das Reich Gottes, die Verkündigung des Evangeliums das Geheimnis Christi als Frucht der Erlösung in seiner Entfaltung in der Kirche Die Apokalypse weitet diese Danksagung auf die Dimensionen des ewigen Lebens aus. Im himmlischen Jerusalem wird die Danksagung nach Vollendung des messianischen Werkes zum reinen Lobpreis der Herrlichkeit, zur unverhüllten Schau Gottes und seiner ewigen Wunder. Bekenntnis