BUND

Gott will die Menschen zu einem Leben der Gemeinschaft mit ihm führen. Diesen für die Lehre vom Heile grundlegenden Gedanken bringt das Thema des Bundes zum Ausdruck. Es beherrscht das gesamte religiöse Denken des Alten Testaments, doch vertieft es sich erst im Verlaufe der Zeit. Im Neuen Testament aber erhält es eine unvergleichliche Sinnfülle, denn hier spricht es das ganze Geheimnis Jesu Christi aus. Bevor der Bund die Beziehungen des Menschen zu Gott bezeichnet, gehört er der sozialen Erfahrung der Menschen an. Diese verbinden sich untereinander durch Bündnisse und Verträge. Hierher gehören Vereinbarungen zwischen gleichberechtigten Gruppen oder Personen zu gegenseitiger Hilfeleistung, wie Friedensbündnisse (Gn 14, 13; 21, 22 ff; 26, 28; 31, 43 ff; 1 Kg 5, 26; 15, 19), Bündnisse zwischen Brüdern (Am 1, 9), Freundschaftsbündnisse (1 Sm 23, 18), endlich auch die Ehe (Mal 2, 14). Hierher gehören auch Verträge zwischen ungleichen Partnern, wo der Mächtige dem Schwächeren seinen Schutz verspricht, während sich dieser zum Dienst für jenen verpflichtet: der alte Orient tätigte allenthalben solche Vasallenbündnisse, und die biblische Geschichte bietet uns hierfür mehr als ein Beispiel (Jos 9, 11 - 15; 1 Sm 11, 1; 2 Sm 3, 12 ff). In diesen Fällen kann die Anregung zu einem solchen Bund vom Schwächeren ausgehen; der Mächtige aber gewährt ihn nach eigenem Gutdünken und diktiert seine Bedingungen (vgl. Ez 17, 13f). Der Abschluss des Vertrages erfolgt in Form eines durch Brauch geheiligten Rituals. Die Partner verpflichten sich durch Eidschwur. Man teilte Tiere in gleiche Teile und schritt zwischen diesen Teilen hindurch, wobei man gegen die eventuellen UEbertreter Fluchformeln sprach (vgl. Jr 34, 18). Schliesslich wurde ein Gedenkzeichen errichtet: Man pflanzte einen Baum oder errichtete einen Stein, die als Zeugen des Paktes dienen sollten (Gn 21, 33; 31, 48 ff). Das ist jene Grunderfahrung, von der aus sich Israel seine Beziehungen zu Gott vorgestellt hat.

I. Der Sinaibund

Das Thema vom Bunde hat in das Alte Testament nicht erst in später Zeit Eingang gefunden; es steht vielmehr am Ausgangspunkt des gesamten religiösen Denkens. Das freigewordene Volk ist am Sinai mit Jahve einen Bund eingegangen; auf diese Weise ist der Jahvekult zu seiner Nationalreligion geworden. Bei dem in Frage stehenden Bund handelt es sich klarerweise nicht um einen Vertrag zwischen gleichberechtigten Partnern; er steht in Analogie zu den Vasallenbündnissen: Jahve entschliesst sich in souveräner Freiheit, Israel seinen Bund zu gewähren, und diktiert seine Bedingungen. Doch darf der Vergleich nicht zu weit ausgebaut werden, denn der Sinaibund gehört auf Grund dessen, dass Gott selbst daran beteiligt ist, einer besonderen Ordnung an. Vor allem aber offenbart er einen wesentlichen Aspekt des Heils Ratschlusses 1. Der Bund im Ratschlusse Gottes. In der Vision vom brennenden Dornbusch hat Jahve dem Moses seinen Namen, gleichzeitig aber auch seinen Ratschluss in bezug auf Israel geoffenbart: er wolle Israel aus AEgypten befreien, um es im Lande Kanaan anzusiedeln (Ex 3, 7 - 10. 16f), denn Israel sei ,,sein Volk" (3, 10), und er wolle ihm jenes Land geben, das er seinen Vätern verheissen habe (vgl. Gn 12, 7; 13, 15). Das setzt bereits voraus, dass Israel von seiten Gottes Gegenstand der Auserwählung und Träger einer Verheissung ist. Der Auszug hat die Offenbarung am Horeb in der Folge bestätigt: Gott bewies durch die tatsächliche Befreiung des Volkes, dass er der Herr und in der Lage ist, seinen Willen aufzuerlegen; deshalb beantwortet das befreite Volk das Ereignis mit seinem Glauben (Ex 14, 31). Nachdem dieser Punkt geklärt war, konnte Gott nunmehr auch seinen Bundesratschluss offenbaren: ,,Wenn ihr auf meine Stimme höret und meinen Bund beobachtet, dann werdet ihr unter allen Völkern mein besonderes Volk sein. Denn mein ist die ganze Erde. Ihr aber sollt mir ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk sein" (Ex 19, 5f). Diese Worte unterstreichen die Ungeschuldetheit der göttlichen Auserwählung Gott hat Israel ohne dessen Verdienst auserwählt (Dt 9, 4 ff), weil er es liebt und den seinen Vätern geleisteten Eidschwur halten will (Dt 7,6 ff). Nachdem er es von den heidnischen Völkern ausgesondert hat, behält er es sich ausschliesslich vor: Israel wird sein Volk sein, es wird ihm durch seinen Kult dienen, es wird sein Reich sein. Jahve aber sichert ihm dafür Hilfe und Schutz zu: Hat er es nicht schon beim Auszug ,,auf Adlerflügeln getragen und zu sich gebracht" (Ex 19, 4)? Nun aber erneuert er angesichts der Zukunft seine Verheissungen: Der Engel Jahves wird vor ihm herziehen, um ihm die Eroberung des Landes der Verheissung zu erleichtern; dort aber wird Gott es mit seinem Segen überhäufen und ihm Leben und Frieden schenken (Ex 23, 20 - 31). In diesem für den Ratschluss Gottes so bedeutsamen Zeitpunkt bestimmt also der Bund dessen gesamten künftigen Ablauf, ohne dass aber dessen Detail von Anfang an ganz geoffenbart worden wäre.

2. Die Bedingungen des Bundes. Zur selben Zeit aber, da Gott Israel seinen Bund gewährt und ihm Verheissungen schenkt, legt er ihm auch Bedingungen auf, die Israel einzuhalten hat. Die Berichte, die im Pentateuch verarbeitet sind, liefern mehrere Formulierungen dieser Bedingungen, die der Eigenart des Bundes angepasst sind und das Gesetz darstellen. Die erste bezieht sich auf den ausschliesslichen Kult Jahves und das Verbot des Götzendienstes (Ex 20, 3 ff; Dt 5, 7 ff). Als unmittelbare Folgerung daraus ergibt sich die Ablehnung jeglichen Kompromisses und jeglichen Bündnisses mit den heidnischen Völkern (vgl. Ex 23, 24; 34, 12 - 16). Doch folgt daraus auch, dass Israel sämtliche Anordnungen Gottes ( Wille entgegennehmen muß, die seine gesamte Existenz mit einem engmaschigen Netz von Vorschriften umhüllen: ,,Moses legte ihnen alles vor, was Jahve ihm aufgetragen hatte. Darauf antwortete das ganze Volk: Alles, was Jahve gesagt hat, werden wir beobachten!" (Ex 19, 7f.) Es war eine feierliche Verpflichtung, deren Respektierung das historische Schicksal Israels für immer bedingen sollte. Das Volk Jahves steht am Scheidewege: Wenn es >> gehorcht werden ihm die göttlichen Segnungen zuteil; wenn es sein Wort bricht, liefert es sich selbst dem Fluche aus (vgl. Ex 23, 20 - 33; Dt 28; Lv 26).

3. Der Bundesschluss. Der uneinheitliche Bericht vom Auszug enthält zwei verschiedene Ritualien des Bundesschlusses. Nach dem ersten nahmen Moses, Aaron und die AEltesten Israels in Gegenwart Jahves, den sie schauen durften, ein heiliges Mahl ein (Ex 24, 1f. 9 ff). Das zweite scheint eine in den Heiligtümern des Nordens erhalten gebliebene liturgische UEberlieferung wiederzugeben. Moses errichtete zwölf Stelen entsprechend der Anzahl der Stämme und einen Altar für das Opfer. Er brachte Opfer dar, goss einen Teil des Blutes auf den Altar und besprengte damit das Volk, um das Band zu verdeutlichen, das Jahve und Israel fortan miteinander verbinden sollte. Hierauf verpflichtete sich das Volk feierlich, die Bedingungen des Bundes einzuhalten (Ex 24, 3 - 8). In diesem Ritual spielt das Blut des Bundes eine wesentliche Rolle. Nachdem der Bund einmal geschlossen war, sollten verschiedene Gegenstände die Erinnerung daran wach erhalten und die Verpflichtung, die Israel eingegangen war, durch die Jahrhunderte bezeugen. Die Bundeslade ist ein Schrein, in dem die ,,Tafeln des Zeugnisses" (d. h. des Gesetzes) aufbewahrt wurden; sie ist das Erinnerungszeichen an den Bund, aber auch das Zeichen der Gegenwart Gottes in Israel (Ex 25, 10 - 22; Nm 10, 33 - 36). Das Zelt, in dem sie stand, der Vorläufer des künftigen Tempels war der Ort der Begegnung zwischen Jahve und seinem Volke (Ex 33, 7 - 11). Die Bundeslade und das Zelt der Zusammenkunft stellen - unbeschadet der anderen Kultorte - jene zentrale Kultstätte dar, in dem der Stämmebund Jahve die offizielle Huldigung des Volkes darbrachte, das er sich auserwählt hatte. Dadurch wurde das Band, das den israelitischen Kult für immer mit jenem Urakt verband, der die Nation begründet hat, dem Sinaibunde, deutlich. Dieses Band gibt den israelitischen Ritualien ihren besonderen Sinngehalt, trotz aller Entlehnungen, die man darin feststellen mag, wie auch das gesamte Gesetz seinen Sinn nur vom Bund her erhält, dessen Bedingungen es ausspricht.

4. Sinn und Grenzen des Sinaibundes. Der Sinaibund hat einen wesentlichen Aspekt des Heilsratschlusses ein für allemal geoffenbart: Gott will die Menschen an sich binden, indem er sie zu einer Kultgemeinde macht, die seinem Dienste ergeben, durch sein Gesetz geleitet und Träger seiner Verheissungen sein sollte. Das Neue Testament wird diesen göttlichen Plan in seiner Fülle verwirklichen. Diese Verwirklichung aber hat bereits am Sinai begonnen, doch blieb diese in mehr als einer Hinsicht missverständlich und unvollkommen. Obwohl der Bund ein freies Geschenk ( Gabe Gottes an Israel ist, scheint seine vertragliche Form den Heilsplan an das historische Schicksal Israels zu knüpfen; dies aber bringt die Gefahr mit sich, das Heil als die Belohnung für eine menschliche Treue erscheinen zu lassen. Zudem ließ sich seine Beschränkung auf ein einzelnes Volk mit der andernorts so klar ausgesprochenen Allgemeinheit des göttlichen Planes schlecht vereinbaren. Endlich brachte der zeitliche Einsatz der göttlichen Verheissungen (das irdische Wohlergehen Israels) auch die Gefahr mit sich, das religiöse Ziel des Bundes zu verschleiern: die Aufrichtung des Reiches Gottes in Israel und durch Israel auf der gesamten Erde. Trotz dieser Grenzen sollte der Sinaibund das weitere Leben Israels und die fernere Entfaltung der Offenbarung bestimmen.

II. Der Bund im Leben und Denken Israels

1. Die Bundeserneuerungen. Es wäre übertrieben, wenn man behaupten wollte, der Bund sei im israelitischen Kult jährlich erneuert worden. Doch sind uns im Deuteronomium Fragmente einer Liturgie erhalten geblieben, die eine Erneuerung dieser Art voraussetzen, bei der rituelle Fluchformeln gesprochen (Dt 27, 2 - 26) und das Gesetz feierlich verlesen wurde (Dr 31, 9 - 13. 24 - 27; 32, 45 ff). Doch ist dieser letzte Punkt nur für jedes siebte Jahr vorgesehen (31, 10) und seine Durchführung in alter Zeit nicht nachzuweisen. Leichter feststellbar ist dagegen eine tatsächliche Bundeserneuerung an gewissen entscheidenden Wendepunkten der Geschichte. So erneuert ihn Josue in Sichem, und das Volk nimmt seine Pflichten gegen Jahve neuerdings auf sich (Jos 8, 30 - 35; 24, 1 - 28). An den Bund Davids mit den AEltesten von Israel (2 Sm 5, 3) knüpft sich eine göttliche Verheissung: Jahve gewährt David und seiner Dynastie seinen Bund (Ps 89, 4f. 20 - 38; vgl. 2 Sm 7, 8 - 16; 23, 5), unter der einzigen Bedingung, dass der Sinaibund treu gehalten werde (Ps 89, 31 ff; 132, 12; vgl. 2 Sm 7, 14). Das Gebet und der Segen Salomos bei den Einweihung des Tempels beziehen sich auf diesen davidischen Bund, gleichzeitig aber auch auf den Sinaibund, dessen Wahrzeichen der Tempel hütet (1 Kg 8, 14 - 29. 52 - 61). AEhnliche Bundeserneuerungen erfolgten unter Joas (2 Kg 11, 17) und vor allem unter Josias, der nach dem deuteronomischen Ritual vorging (2 Kg 23, 1 ff; vgl. Ex 24, 3 - 8). Die feierliche Verlesung des Gesetzes durch Esdras erfolgte unter ganz ähnlichen Voraussetzungen (Neh 8). Auf diese Weise bleibt der Gedanke an den Bund jene Leitidee, die sämtlichen religiösen Reformen zugrunde lag.

2. Die prophetische Reflexion. Die Botschaft der Propheten berief sich beständig auf den Bund. Wenn sie einmütig die Treulosigkeit Israels seinem Gott gegenüber anprangern, wenn sie Katastrophen ankündigen, die das sündige Volk bedrohen, so geschieht das auf Grund des Sinaibundes, seiner Forderungen und des Fluches, der ihn sanktioniert. Um aber die Lehre vom Bunde in den Herzen ihren Zeitgenossen lebendig zu erhalten, hoben die Propheten von ihm neue Gesichtspunkte heraus, die die alte Tradition nur virtuell enthalten hatte. Ursprünglich erschien der Bund vor allem unter einem juridischen Gesichtspunkt: als ein Vertrag zwischen Jahve und seinem Volke. Die Propheten durchdringen ihn mit der ganzen Kraft des Gemüts und suchen in der menschlichen Erfahrung nach weiteren Analogien, um die gegenseitigen Beziehungen zwischen Gott und seinem Volk verständlich zu machen. Israel ist die Herde und Jahve der Hirt Israel ist der Weinberg und Jahve der Winzer. Israel ist der Sohn und Jahve der Vater Israel ist die Braut und Jahve der Bräutigam Diese Bilder, allen voran das letzte, lassen den Sinaibund als eine Sache der Liebe erscheinen (vgl. Ez 16, 6 - 14), der zuvorkommenden und ungeschuldeten Liebe Gottes, die Gegenliebe verlangt, die sich im Gehorsam bewähren muß. Die deuteronomische Geistigkeit erntet die Frucht dieser Vertiefung: Wenn sie unaufhörlich auf die Forderungen, Verheissungen. und Drohungen des Bundes verweist, so nur, um die Liebe Gottes um so stärker aufleuchten zu lassen (Dt 4, 37; 7, 8; 10, 15), die von Israel Gegenliebe erwartet (Dt 6, 5; 10, 12f; 11, 1). Das ist der Hintergrund, von dem sich fortan die Grundformel des Bundes abhebt: ,,Ihr seid mein Volk, und ich bin euer Gott!"

3. Die Synthesen der heiligen Geschichte. Ebenso wie für die Verkündigung der Propheten bildet die Lehre vom Bunde auch den Ausgangspunkt für die Reflexion der Historiker der heiligen Geschichte über die Vergangenheit Israels. Schon der Jahvist verknüpfte den Sinaibund mit dem älteren, von Abraham eingegangenen Bund, der den Rahmen für die ersten Verheissungen gebildet hatte (Gn 15). Die deuteronomistischen Schriftsteller verfolgen bei der Zeichnung der Geschichte von der Zeit des Moses bis zum Untergang Jerusalems (von Josue bis 2 Kg) keinen anderen Zweck als den Nachweis der Gültigkeit des Sinaibundes auf Grund der tatsächlichen Geschehnisse: Jahve hat seine Verheissungen erfüllt; doch hat ihn die Treulosigkeit seines Volkes gezwungen, auch die vorgesehenen Strafen über es zu verhängen. Darin liegt der Sinn des Unterganges der beiden Hauptstädte Samaria (2 Kg 17, 7 - 23) und Jerusalem (2 Kg 23, 26f). Als der priesterliche Historiker zur Zeit der Gefangenschaft den Plan Gottes von der Erschaffung der Welt bis zur mosaischen Zeit nachzeichnete, diente ihm der göttliche Bund als Leitfaden: Nach dem ersten Scheitern des Schöpfungsplanes und der Katastrophe der Sintflut erhält der Bund mit Noe einen allumfassenden Geltungsbereich (Gn 9, 1 - 17). Nach dem zweiten Niedergang und der babylonischen Sprachenverwirrung schränkt der Bund Abrahams den Plan Gottes auf die Nachkommenschaft des Patriarchen allein ein (Gn 17, 1 - 14). Nach der Prüfungszeit in AEgypten bereitet der Sinaibund durch die Gründung des Gottesvolkes die weitere Zukunft vor. Auf diese Weise erfasste Israel vom Sinaibund aus den Sinn seiner Geschichte.

III. Dem neuen Bunde entgegen

1. Der Bruch des Alten Bundes. Die Propheten haben durch den Hinweis auf die Verpflichtungen des am Sinai eingegangenen Paktes nicht nur die Lehre vom Bunde vertieft. Ihren Blick in die Zukunft richtend, haben sie das Drama des Volkes Gottes, das sich um diesen knotet, in seiner ganzen Grösse gezeichnet. Infolge der Treulosigkeit Israels (Jr 22, 9) ist der Alte Bund gleich einer Ehe die auf Grund des Ehebruchs der Gattin auseinandergeht (Os 2, 4; Ez 16, 15 - 43), in die Brüche gegangen (Jr 31, 32). Gott hat diesen Bruch nicht verschuldet, doch zieht er die Konsequenzen daraus: Israel wird in seiner Geschichte die gerechte Strafe für seine Untreue erleiden; darin liegt der Sinn seiner nationalen Prüfungen des Untergangs Jerusalems des Exils der Zerstreuung 2. Verheissung des Neuen Bundes. Trotz alldem aber besteht der von Gott geoffenbarte Ratschluss des Bundes unverändert weiter (Jr 31, 35 ff; 33, 20f). Deshalb wird am Ende der Zeiten ein Neuer Bund geschlossen werden. Osee schildert ihn unter den Zügen einer neuen Verlobung, die die Braut zur Liebe Gerechtigkeit Treue Erkenntnis Gottes führen und den Frieden zwischen dem Menschen und der gesamten Schöpfung wiederherstellen wird (Os 2, 20 - 24). Jeremias aber kündete an, dass dann die Herzen der Menschen verwandelt werden, weil das Gesetz Gottes in sie hineingeschrieben werden wird (Jr 31, 33f; 32, 37 - 41). Ezechiel verkündet die Schliessung eines ewigen Bundes, eines Bundes des Friedens (Ez 36, 26), der eine Erneuerung des Sinaibundes (Ez 16, 60) und des davidischen sein (34, 23f) und die Umwandlung der Herzen und die Gabe des göttlichen Geistes bringen wird (36, 26 ff). Auf diese Weise wird sich das seit jeher angekündigte Programm verwirklichen: ,,Ihr werdet mein Volk sein, und ich werde euer Gott sein" (Jr 31, 33; 32, 38; Ez 36, 28; 37, 27). In der Trostbotschaft nimmt dieser eschatologische Bund die Züge einer Hochzeit Jahves mit dem neuen Jerusalem an (Is 54): Es ist ein unwiderruflicher Bund gleich jenem, der Noe zugeschworen wurde (Is 54, 9f), ein Bund der David verheissenen Hulderweise (55, 3). Sein Werkmeister wird jener geheimnisvolle Knecht sein, den Jahve zum ,,Bunde des Volkes und zum Lichte der Heiden bestellt hat (42, 6; 49, 6 ff). Auf diese Weise erhält die Vision eine wunderbare Ausweitung. Der Ratschluss des Bundes, der die gesamte Menschheitsgeschichte beherrscht, wird am Ende der Zeiten seinen Höhepunkt erreichen. Im Bunde der Patriarchen, des Moses und Davids nur unvollkommen kundgeworden, wird er durch das Mittlertum des Knechtes Jahves eine vollkommene, innerliche und gleichzeitig allumfassende Verwirklichung finden. Gewiß wird die Geschichte Israels ihren weiteren Verlauf nehmen. In Anbetracht des Sinaibundes werden die jüdischen Einrichtungen den Namen eines heiligen Bundes tragen (Dn 11, 28 ff). Doch wird diese Geschichte in Wirklichkeit auf die Zukunft, auf den Neuen Bund, auf das Neue Testament, ausgerichtet sein.

NT

Mit der Wahl des Wortes diatheke zur UEbersetzung des hebräischen b.rit hat die LXX eine bedeutsame Entscheidung getroffen, die einen beträchtlichen Einfluss auf den christlichen Sprachgebrauch ausüben sollte. In der hellenistischen Rechtssprache bezeichnete dieses Wort jenen Akt, mit dem jemand über seine Güter verfügte (Testament) oder die Bedingungen festlegte, die er auferlegen wollte. Der Akzent liegt dabei weniger auf der juridischen Natur des Vertrages als auf der Autorität dessen, der dadurch den Verlauf der Ereignisse festlegt. Durch die Wahl dieses Wortes unterstrichen die griechischen UEbersetzer die göttliche Transzendenz, zugleich aber auch die Herablassung, die zur Entstehung des Volkes Israel und seines Gesetzes geführt hat.

I. Schliessung des Neuen Bundes durch Jesus

Das Wort diatheke begegnet uns in allen vier Berichten vom letzten Abendmahle, und dies in einem Kontext von einmaliger Bedeutung. Nachdem Jesus das Brot genommen und mit den Worten ausgeteilt hatte: ,,Nehmet hin und esset, das ist mein Leib", nahm er den Kelch mit Wein, segnete ihn und reichte ihn herum. Die kürzeste Formel ist uns in Markus erhalten: ,,Das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für viele vergossen werden wird" (Mk 14, 24); Matthäus fügt hinzu: ,,zur Vergebung der Sünden" (Mt 26, 28). Lukas und Paulus schreiben: ,,Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blute" (Lk 22, 20; 1 Kor 11, 25), und Lukas allein: ,,das für euch vergossen werden wird". Die Darreichung des Kelches ist eine rituelle Handlung. Die dabei gesprochenen Worte bringen sie mit jener Tat in Verbindung, die Jesus vollbringen wird: mit seinem freiwillig übernommenen Tod zur Erlösung der Vielen. Aus diesem letzten Zuge wird deutlich, dass sich Jesus als den Leidensknecht ( Knecht betrachtet (Is 53, 11f) und seinen Tod als ein Sühnopfer ( Opfer auffasst (vgl. 53, 10). Dadurch wird er zu jenem Mittler des Bundes, der die Trostbotschaft angekündigt hatte (Is 42, 6). Das ,,Blut des Bundes" erinnert aber auch daran, dass der Sinaibund im Blute geschlossen worden war (Ex 24, 8); an die Stelle der Tieropfer tritt ein neues Opfer, dessen Blut eine endgültige Verbindung zwischen Gott und den Menschen wirksam herbeiführt. Auf diese Weise erfüllt sich die von Jeremias und Ezechiel verkündete Verheissung vom Neuen Bunde; denn dank dem Blute Jesu werden die menschlichen Herzen verwandelt und wird der Geist Gottes ausgegossen. Der Tod Christi, der gleichzeitig Pascha , Bundes und Sühnopfer ist, wird die Erfüllung der Vorbilder ( Typos des Alten Testaments herbeiführen, die ihn auf mannigfache Weise angekündigt haben. Und da diese Tat fortan durch eine rituelle Handlung gegenwärtiggesetzt werden wird, zu deren Vollzug ,,zu seinem Andenken" ( Gedächtnis Jesus den Auftrag gegeben hat, werden die Gläubigen durch die gläubig vollzogene eucharistische Teilnahme aufs innigste in das Geheimnis des Neuen Bundes mit einbezogen und seiner Gnaden teilhaftig.

I. Christliche Reflexion über den Neuen Bund

1. Der hl. Paulus. Das Thema vom Bunde ist von Jesus selbst zum Herzstück des christlichen Kultes gemacht worden und bildet selbst dort, wo dies nicht ausdrücklich gesagt wird, den Hintergrund des gesamten Neuen Testaments. In seinen Beweisführung gegen die Judaisten, die die Beobachtung des im Sinaibunde erlassenen Gesetzes für notwendig erachteten, sagte der hl. Paulus, dass schon vor der Zeit, da das Gesetz gekommen ist, eine andere göttliche Verfügung (diatheke) gültig war, nämlich die dem Abraham gegebene Verheissung Das Gesetz hat diese Verfügung nicht ausser Kraft setzen können. Nun ist aber Christus die Erfüllung der Verheissung (Gal 3, 15 - 18). Daher erlangt man das Heil nicht durch die Beobachtung des Gesetzes, sondern durch den Glauben an ihn. Diese Schau der Dinge unterstreicht eine Tatsache: Der Alte Bund fügte sich seinerseits einer ungeschuldeten Heilsveranstaltung ein, einer Heilsveranstaltung der Verheissung, die Gott aus freien Stücken gegeben hat. Das Neue Testament aber stellt den Endpunkt dieser Heilsveranstaltung dar. Der hl. Paulus stellt nicht in Abrede, dass die am Sinai getroffene ,,Verfügung" von Gott gekommen ist: Die erneuerten ,,Bündnisse" bildeten eines jener Privilegien Israels (Röm 9, 4), von denen die Heiden bis dahin ausgeschlossen waren (Eph 2, 12). Wenn man aber diese Verfügung mit der von Gott in Christus geoffenbarten vergleicht, sieht man die ganze UEberlegenheit des Neuen Bundes über den Alten (Gal 4,24 ff; 2 Kor 3, 6 ff). Im Neuen Bund werden die Sünden hinweggenommen (Röm 11, 27); Gott wohnt unter den Menschen (2 Kor 6, 16); er wandelt die Herzen der Menschen um und legt seinen Geist in sie (Röm 5, 5 vgl. 8, 4 - 16). Es ist kein Bund des Buchstabens mehr, sondern ein Bund des Geistes (2 Kor 3, 6), der die Freiheit der Kinder Gottes mit sich bringt (Gal 4, 24). Er umfasst die Heiden ebenso wie das Volk Israel, denn das Blut Christi hat die Einheit des Menschengeschlechtes wiederhergestellt (Eph 2, 12 ff). Auf diese Weise umreisst der hl. Paulus mit Hilfe der Perspektiven der prophetischen Verheissungen, die er in Christus erfüllt sieht, ein allgemeines Bild von der Menschheitsgeschichte, dessen Leitfaden das Thema des Bundes bildet.

2. Der Hebräerbrief verbindet aus einer etwas anders gearteten Optik heraus die selben Elemente zu einer parallelen Synthese. Christus, der Hohepriester, ist durch das Kreuz in das Heiligtum des Himmels eingetreten. Dort für immer vor Gott wesend, legt er für uns Fürbitte ein und inauguriert unsere Vereinigung mit ihm. Auf diese Weise verwirklicht sich der von Jeremias angekündigte Neue Bund (Hebr 8, 8 - 12; Jr 31, 31 - 34); es ist ein ,,besserer Bund", und dies auf Grund der überragenden Qualität seines Mittlers (Hebr 8, 6; 12, 24); ein Bund, der gleich dem ersten im Blute besiegelt worden ist (Hebr 9, 20; Ex 24, 8), aber nicht mehr im Blute von Tieren, sondern im Blute Christi selbst, das für unsere Erlösung vergossen worden ist (9, 11f). Diese neue Heilsveranstaltung ist durch die vorausgegangene vorbereitet worden, hat diese aber hinfällig gemacht, und es wäre vergebens, sich an das zu klammern, was verschwinden muß (8, 13). So wie eine testamentarische Verfügung durch den Tod des Erblassers in Kraft tritt, hat uns auch der Tod Jesu in den Besitz des verheissenen Erbes gebracht (Hebr 9, 15 ff). Der Alte Bund war also unvollkommen, stand er doch auf der Ebene der Schatten und Vorbilder ( Typos und vermittelte die Begegnung des Menschen mit Gott nur in unvollkommener Weise. Der Neue Bund dagegen ist vollkommen, denn Jesus, unser Hoherpriester, verschafft uns für immer Zugang zu Gott (Hebr 10, 1 - 22). Tilgung der Sünden, Vereinigung des Menschen mit Gott: das ist das Ergebnis, das Jesus Christus erzielt hat, der,,kraft des Blutes eines ewigen Bundes zum grossen Hirten der Schafe geworden ist" (Hebr 13, 20).

3. Sonstige Texte. Ohne das Alte Testament ausdrücklich zitieren zu müssen, beschreiben die übrigen Bücher des Neuen Testaments die Früchte des Kreuzes Christi in Ausdrücken, die an das Thema vom Bunde erinnern. In viel tieferem Sinne als Israel am Sinai sind wir zu einem königlichen Priestertum und zu einem heiligen Volke geworden (1 Petr 2, 9; vgl. Ex 19, 5f). Dieses Privileg aber erstreckt sich fortan auf eine Gemeinde, der Menschen ,,aller Rassen, Sprachen, Völker und Nationen" angehören (Apk 5, 9f). Auf Erden sind der Verwirklichung des Neuen Bundes freilich noch Grenzen gezogen. Man muß ihn deshalb aus der eschatologischen Perspektive des himmlischen Jerusalem heraus betrachten; in dieser ,,Wohnung Gottes unter den Menschen" werden sie ,,sein Volk sein, er aber, der Gott-mit- ihnen, wird ihr Gott sein" (Apk 21, 3). Der Neue Bund vollendet sich in der Hochzeit des Lammes mit seiner Braut der Kirche (Apk 21, 2. 9). Am Ende der lehrhaften Entwicklung fasst also das Thema vom Bunde alle jene Themen nochmals zusammen, die vom Alten bis zum Neuen Bunde dazu gedient haben, die Beziehungen zwischen Gott und den Menschen zu umschreiben. Um deren Inhalt zu verdeutlichen, muß man von Kindschaft Liebe Gemeinschaft reden. Vor allem aber muß man sich auf jene Tat beziehen, durch die Jesus den Neuen Bund gestiftet hat, hat er doch durch die Hingabe ( Gabe seines Leibes und seines vergossenen Blutes aus den Menschen seinen Leib gebildet. Das Alte Testament hat diese Gabe Gottes noch nicht gekannt; doch haben seine Geschichte und seine Einrichtungen dessen Züge bereits - wenn auch noch undeutlich - skizziert, war doch schon damals alles auf den Bund zwischen Gott und den Menschen hingeordnet. Befreiung