AUSERWAEHLUNG

Ohne Auserwählung ist es unmöglich, dem Ratschluss und dem Willen Gottes im Hinblick auf den Menschen irgendein Verständnis abzugewinnen. Doch widerstrebt es dem sündigen Menschen, der sich von seinem Misstrauen gegen Gott und von seinem Neid gegen seine Brüder nicht heilen lassen will, stets, die Gnade und die Grossmut Gottes anzunehmen. Er schmäht sie, wenn sie einem anderen zuteil werden (Mt 20, 15), besitzt er sie aber, so überhebt er sich, als stellten sie einen Wert dar, der ihm auf Grund eigenen Verdienstes zustünde. Zwischen dem Zorne Kains gegen seinen Bruder (Gn 4, 4f) und dem Aufschrei des hl. Paulus, den die Sorge um seine Stammesbrüder quält (Röm 9, 2f) und der seine innere Not in den Dankesruf für die ,,unerforschlichen Ratschlüsse und unergründlichen Wege Gottes" (11, 13) ausklingen lässt, liegt der ganze lange Weg, der von der Sünde zum Glauben liegt, die ganze Erlösung, die gesamte Heilige Schrift.

AT

I. Die Erfahrung der Auserwählung

1. Die Tatsache. Die Erfahrung der Auserwählung ist die eines Schicksals, das sich von dem der anderen Völker unterscheidet, die Erfahrung einer besonders gearteten Stellung, die nicht auf ein schicksalhaftes Zusammentreffen besonderer Umstände oder auf eine Erfolgsserie menschlicher Bemühungen zurückzuführen ist, sondern auf eine bewusste und frei gewollte Iniative Jahves. Wenn auch das klassische Vokabular der Erwählung (hebr. bahar und seine Derivate) aus relativ später Zeit stammt, zumindest in diesem besonderen und genau umschriebenen Sinne, so ist doch das Bewusstsein dieser göttlichen Erfahrung ebenso alt wie die Existenz Israels als Volk Jahves. Es ist mit dem Gedanken des Bundes unlösbar verknüpft, dessen einzigartigen Charakter (ein Volk unter so vielen anderen Völkern) es zum Ausdruck bringt, zugleich aber auch dessen innerstes Geheimnis (das Von-Gott-erwählt-Sein) Auf diese Weise verleiht es ihm seine religiöse Tiefe, den Sinnanspruch eines Geheimnisses 2. Die ersten Bekenntnisse der göttlichen Erwählung finden sich schon in den Glaubensaussagen Israeli. Das Ritual der Erstlinge das uns in Dt 26, 1 - 11 vorliegt, enthält ein uraltes Credo, dessen Substanz die göttliche Initiative bildet, die die Hebräer aus AEgypten geführt hat, um sie in ein Land des Segens zu geleiten. Der Bericht von dem unter Josue zu Sichem geschlossenen Bund führt die Geschichte Israels auf eine Erwählung zurück: ,,Ich nahm euren Vater Abraham...." (Jos 24, 3) und unterstreicht, dass die Antwort auf diese Initiative nur eine Entscheidung sein kann: ,,Entscheidet euch, wem ihr dienen wollt!" (24, 15.) Möglicherweise stammen die Formulierungen der Bundesschliessung am Sinai: ,,Du wirst uns zu deinem Erbteil machen" (Ex 34, 9), ,,Ich werde euch unter allen Völkern als mir gehörig betrachten" (19, 5), aus späterer Zeit, doch findet sich der Glaube, den sie zum Ausdruck bringen, bereits in einem Wahrspruche Balaams ausgesprochen: ,,Wie kann ich verfluchen, wen Gott nicht verflucht?.....Siehe, ein Volk, das ganz für sich wohnt, es rechnet nicht zu den übrigen Völkern" (Nm 23, 8f), und in noch früherer Zeit im Deboralied, das abwechselnd die Wundertaten ,,Jahves, des Gottes Israels" (Ri 5, 3. 5. 11), und den Edelmut jener Kämpfer besingt, die sich ,,für Jahve" zum Opfer gebracht haben (Ri 5, 2. 9. 13. 23).

3. Die Auserwählung in ihrem steten Fortbestande. Alle diese Bekenntnisse bezeugen eine Geschichte und besingen den steten Fortbestand ein und desselben Ratschlusses Die Auserwählung des Volkes erscheint durch eine Reihe vorgängiger Erwählungen vorbereitet und entfaltet sich durch die Berufung immer neuer Erwählten.

a) Vor Abraham weiß das Schema der Menschheitsgeschichte zwar von einem besonderen Wohlgefallen Gottes (Abel, Gn 4, 4), von einer besonderen Bevorzugung (Henoch, Gn 5, 24), vom einzigartigen Falle Noes, dem ,,einzigen, den ich aus diesem Geschlechte vor mir gerecht erfunden habe" (7, 1), vom Segen, dessen Sem teilhaftig wurde (9, 26), kennt aber noch keine Auserwählung im eigentlichen Sinn. Indes setzt es diese beständig voraus. Zielt doch diese ganze Geschichte darauf ab, dass Gott, dessen Blick alle Generationen überschaut, aus der Mitte dieser Vielheit von Menschen, die die Beute der Sünde gewesen sind und davon träumten, bis ,,in den Himmel vorzudringen" (11, 4), eines Tages den Abraham erwählen wird, um ,,alle Völker der Erde" in ihm zu segnen (12, 3).

b) An den Patriarchen macht Gott die Fortdauer seines Erwählungsratschlusses sichtbar. Er hat sich ein Geschlecht auserwählt und hält diese Erwählung aufrecht. Innerhalb dieses Geschlechtes aber ist es nicht der natürliche Erbe, der seines Segens teilhaftig wird: Eliezer, Ismael, Esau oder Ruben; in jedem einzelnen Fall bezeichnet eine besondere Initiative Gottes seinen Erwählten: Isaak (Gn 18, 19), Jakob und Juda. Das Thema den gesamten Genesis bildet das paradoxe Aufeinandertreffen der normalen Auswirkungen der Anfangserwählung Abrahams und des Eingreifens Gottes, durch das er die Pläne des Menschen zunichte macht und auf diese Weise seine Treue zu seinen Verheissungen zugleich aber auch die souveräne Vorgängigkeit seiner Wahl bekundet. In diesen Erzählungen tritt ein durchgehender Zug der Auserwählung zutage. Während das Privileg des Erwählten - vom Menschen aus gesehen - die Ausschaltung jener, die nicht erwählt wurden, von selbst zur Folge hat, was der Refrain bezeugt, der die von den Vätern verkündeten Wahrsprüche kennzeichnet: ,,Deine Brüder sollen deine Sklaven sein!" (9, 25; 27, 29; 27, 40), macht das in den göttlichen Verheissungen ergehende Wort Gottes aus seinen Erwählten einen Segen für die ganze Welt (12,3; 22, 18; 26, 4; 28, 14).

c) Innerhalb des auserwählten Volkes wählt Gott sich beständig Menschen aus, denen er eine zeitlich begrenzte oder dauernde Sendung anvertraut; diese Wahl, die sie heraushebt und weiht, zeigt dieselben Züge wie die Erwählung Israels. Bei den Propheten tritt die Erwählung häufig in Form der Berufung zutage, eines direkten Anrufes Gottes, der eine neue Existenzweise erfordert und eine Antwort heischt. Der typische Fall hierfür ist Moses (Ex 3; vgl. Ps 106, 23: ,,sein Erwählter"), doch kennen Amos (7, 15), Isaias (8, 11), Jeremias (15, 16f; 20, 7) dieselbe Erfahrung; sie sind erfasst, aus ihrem gewohnten Leben, aus der menschlichen Gesellschaft herausgenommen und gezwungen worden, den Standpunkt Gottes zu vertreten und sich ihrem Volke entgegenzustellen.Auch die Könige werden erwählt; so Saul (1 Sm 10, 24), vor allem aber David, der von Jahve zur selben Zeit erwählt, da Saul verworfen wurde (1 Sm 16, 1); seine Erwählung war unwiderruflich und schloss seine Nachkommenschaft mit ein, die wohl bestraft, aber niemals verworfen werden sollte (2 Sm 7, 14 ff). Hier handelt es sich aber um keinen unmittelbaren Anruf mehr. Die göttliche Erwählung wurde dem König durch den Propheten mitgeteilt (1 Sm 10, 1),der von ihr durch das Wort Gottes erfährt (1 Sm 16, 6 - 12; Agg 2, 23), und mehr als einmal kommt es vor, dass Gott den König, den er erwählt hat, durch das Spiel der Geschehnisse auf den Thron gelangen lässt; wie dies bei Salomo der Fall war, der an Stelle des Adonias König wurde (1 Kg 2, 15). Doch handelt es sich dabei um eine wirkliche Erwählung (Dt 17, 15), und dies nicht nur auf Grund der königlichen Würde und des heiligen Charakters der Salbung sondern auch deshalb, weil die Erwählung des Gesalbten Jahves stets an den Bund Gottes mit seinem Volke geknüpft ist (Ps 89, 4) und die wesentliche Aufgabe des Königs darin besteht, Israels Treue zu seiner Erwählung aufrechtzuerhalten. Priester und Leviten waren ebenfalls Gegenstand einer Erwählung. Der Dienst, der ihnen anvertraut wurde, ,,vor Jahve zu stehen", setzt ein ,,Herausgenommensein" (Dt 10, 8; 18, 5) voraus, eine Existenzform, die sich von der des übrigen Volkes unterscheidet. Nun aber liegt dieser Weihe eine göttliche Initiative zugrunde. Gott hat die Leviten an Stelle der Erstgeborenen, die ihm von Rechts wegen zustanden (Nm 8, 16 ff), für sich bestimmt und dadurch gezeigt, dass seine Souveränität keine blinde und interessenlose Herrschaft bedeutet, sondern dass er auf die Tauglichkeit der ihm Geweihten Bedacht nimmt und dass er von ihnen einen freudige Zustimmung erwartet. Von Jahve auserwählt, sein Anteil und sein Erbteil zu sein, sollen die Leviten bestrebt sein, auch ihn als ihren Anteil und ihr Erbteil zu betrachten (Nm 18, 20; Ps 16, 5f). Und wenn zwischen der Erwählung der Priester und Leviten einerseits und der Israels andererseits ein Zusammenhang besteht, so auf Grund dessen, dass Jahve sein Volk dazu erwählt hat, zur Gänze ein ,,Reich von Priestern und ein heiliges Volk" zu sein (Ex 19, 6). Wie aber Jahve sein Volk auserwählt hat, so hat er auch das Land und die heiligen Stätten erwählt, die er für es bestimmt hat, denn er ist zum Unterschied von den Baalen Kanaans in seinem Handeln nicht an die Quellen und Berge gebunden. Wie ,,er den Stamm Juda erwählt hat", hat ,,er auch den Sions- Berg erwählt", weil er ihn liebt (Ps 78, 68), und hat ihn zu seinen Wohnstätte erkoren" (Ps 68, 17; 132, 13). Vor allem aber hat er den Tempel zu Jerusalem erwählt, ,,um dort seinen Namen wohnen zu lassen" (Dt 12, 5...; 16, 7 - 16).

II. Die Bedeutung der Erwählung

Das Deuteronomium, das, von der Wurzel bhr ausgehend, die Wortfamilie der Erwählung ausgebaut hat, hat auch deren Bedeutung herausgestellt.

1. Am Anfang der Erwählung steht eine ungeschuldete Initiative Gottes: ,,Dich hat Jahve, dein Gott, auserwählt" (Dt 7, 6), nicht aber hast du ihn erwählt. Die Erklärung für diese Gnade liegt in der Liebe Kein Verdienst, kein Gegenwert rechtfertigt sie, Israel ist das letzte der Völker, ,,doch ... Jahve hat euch geliebt" (7, 7f). Die Auserwählung stellt zwischen Gott und seinem Volk innige Beziehungen her: ,,Ihr seid Söhne" (Dt 14, 1). Doch hat diese Verwandtschaft nichts Naturhaftes an sich, wie dies im Heidentum bei den Beziehungen zwischen der Gottheit und ihren Gläubigen so häufig der Fall gewesen war, sie ist die Auswirkung der Erwählung Jahves (14, 2) und bringt die Transzendenz dessen zum Ausdruck, der stets ,,zuerst liebt" (1 Jo 4, 19).

2. Das Ziel der Auserwählung besteht darin, ein heiliges Volk zu begründen, das Jahve geweiht ist, ,,über alle Völker erhaben an Ehre, Ansehen und Ruhm" (Dt 26, 19), das die Grösse und Güte des Herrn auf sämtliche Völker ausstrahlt. Das Gesetz bildet vor allem mit Hilfe jener Schranken, die es zwischen Israel und den Heiden aufrichtet, das Mittel, um diese Heiligkeit sicherzustellen (7, 1 - 6).

3. Das Ergebnis dieser Auserwählung, die Israel von den übrigen Völkern absondert, ist dessen Verhaftung in ein Schicksal, das mit dem ihrigen kein gemeinsames Maß mehr besitzt: entweder ausserordentliches Glück oder beispielloses Unglück (Dt 28). Das Wort des Amos bleibt die Charta der Auserwählung: ,,Nur euch habe ich erwählt von allen Geschlechtern der Erde, darum ahnde ich an euch all eure Frevel" (Am 3, 2).

III. Die neue eschatologische Auserwählung

1. Auserwählung und Verwerfung. Die Strenge dieser Drohung aber enthält auch ein Motiv der Zuversicht: Wenn Gott sein Volk auf diese Weise bestraft, kann er auf es nicht verzichtet haben. Bestünde doch die schlimmste Möglichkeit darin, dass Gott die Erwählung zurücknähme und Israel sich unter den Völkern verlieren liesse. Bestand denn keine Gefahr, jene ,,Stadt zu verwerfen, die er auserwählt hatte, Jerusalem" (2 Kg 23, 27), nachdem er die sieben älteren Brüder verschmäht, um David zu erwählen (1 Sm 16, 7), und Ephraim verworfen hatte, um Juda zu erwählen (Ps 78, 67f)? Die Propheten, allen voran Jeremias, haben sich gezwungen gesehen, selbst diese Möglichkeit ins Auge zu fassen: Israel gleicht einem Silber, das man nicht mehr entschlacken kann und das man zum Kehricht wirft (Jr 6, 30; vgl. 7, 29). ,,Hast du Juda denn ganz verworfen?" (14, 19.) Die Antwort aber ist letztlich negativ: ,,Wenn der Himmel droben gemessen und der Grund der Erde unten erforscht werden kann, dann verwerfe auch ich Israels sämtliche Nachkommen" (Jr 31, 37; vgl.Os 11, 8; Ez 20, 32). Die treulose Braut ist zwar ,,wegen ihrer Sünden verstossen worden", Gott aber vermag die Frage zu stellen: ,,Wo aber ist der Scheidebrief eurer Mutter?" (Is 50, 1.) Die Auserwählung bleibt aufrecht, aber in einer neuen Form: ,,Jahve wird Jerusalem wieder erwählen" (Zach 1, 17; 2, 16) und ,,Israel von neuem erwählen" (Is 14, 1). Dies aber wird erst nach dessen Sünde und seinem Untergang in Form eines Restes geschehen, dessen Bildung aber nicht das Ergebnis eines Zufalls sein, sondern der Macht Gottes zu verdanken sein wird. Dieser Rest ist ein ,,heiliger Same" (Is 6, 13), ein ,,Spross" (Zach 3, 8), ,,jene 7000 Männer, die ihr Knie vor Baal nicht gebeugt haben" (1 Kg 19, 18) und die sich nach der Auslegung des hl. Paulus Gott selber vorbehalten hat (Röm 11, 4, wobei er hinzugefügt hat: ,,für mich").

2. Mein Erwählter. Diesem neuen Israel wird im Deutero-Isaias sehr häufig der Titel eines Erwählten gegeben (entweder ,,mein Erwählter" Is 41, 8; 43, 20; 44, 2; 45, 4, oder ,,meine Erwählten" 43, 10; vgl. 65, 9. 15. 22); ein überaus passender Ausdruck; um die schöpferische Initiative Gottes zu bezeichnen, der die Macht hat, mitten unter heidnischen Völkern ein Volk erstehen zu lassen, das sich dem Dienste des wahren Gottes weiht. Mitten in der Welt und ihrer Geschichte hat Gott sich dieses Volk auserwählt und richtet seine gesamte Weltregierung auf dieses hin aus: Er erwählt einen Kyros (45, 1) und macht ihn ,,um Israels, meines Erwählten, willen" zu einem Eroberer (45, 4). Als Herzstück dieses Werkes aber lässt Gott jene geheimnisvolle Persönlichkeit sichtbar werden, der er nur den Namen ,,mein Knecht" (42, 1; 49, 3; 52, 13) und ,,mein Erwählter" (42, 1) gibt. Er ist weder ein König noch ein Priester noch ein Prophet denn alle diese Erwählten sind zuerst Menschen, bevor sie sich ihrer Sendung bewusst werden; sie vernehmen den Anruf einer Berufung und erhalten eine Salbung Er aber hat den Anruf Gottes ,,vom Mutterleibe an" erfahren, und sein Name ist ihm nicht von Menschen gegeben, sondern von Gott allein genannt worden (49, 1). Sein gesamtes Dasein ist von Gott, es ist nichts als Erwählung, und deshalb ist es auch nichts anderes als Dienst und Weihe: Der Erwählte ist notwendigerweise der Knecht

NT

I. Jesus Christus, der Erwählte Gottes

Obwohl Jesus dieser Titel im Neuen Testament nur selten gegeben wird (Lk 9, 35; 23, 35; wahrscheinlich auch Jo 1, 34), wird er ihn stets in feierlichen Augenblicken gegeben, so bei der Taufe bei der Verklärung und bei der Kreuzigung, und erinnert stets an die Gestalt des Knechtes. Gott selbst bezeugt durch dessen Verwendung, dass er in Jesus von Nazareth jenes Werk seiner Vollendung zuführt, das er mit der Erwählung Abrahams und Israels begonnen hat. Er hat jenen einzigen Erwählten gefunden, der diesen Namen voll und ganz verdient, den einzigen, dem er sein Werk anvertrauen kann und der imstande ist, seine Absichten zu verwirklichen. Der Ruf des Isaias: ,,Dieser ist mein Erwählter", kündigt den Sieg Gottes an, in der Gewissheit, jenen bereits zu besitzen, der ihn niemals enttäuschen würde. Das Wort des Vaters, der von Jesus sagt: ,,Dieser ist mein Erwählter", enthüllt das Geheimnis dieser Gewissheit: Diesen Menschen, desselben Fleisches wie wir, hat er ,,vom Mutterschosse an" geheiligt und seinen Sohn genannt (Lk 1, 35) und schon ,,vor Erschaffung der Welt" dazu bestimmt, ,,alles in ihm als dem Haupte zusammenzufassen" (Eph 1, 4. 10; 1 Petr 1, 20). Christus allein ist der Erwählte Gottes, und alle anderen Auserwählten sind dies nur in ihm allein. Er ist der auserlesene Stein der einzige, der imstande ist, jenes Gebäude zu tragen, das Gott erbaut (1 Petr 2, 4 ff). Ohne dieses Wort jemals auszusprechen, ist sich Jesus seiner Erwählung aufs klarste bewusst. Er hat die Gewissheit, von anderswoher gekommen zu sein (Mk 1, 38; Jo 8, 14), einer anderen Welt anzugehören (Jo 8, 23), ein einzigartiges Schicksal, nämlich das des Menschensohnes auf sich nehmen und das Werk Gottes selber wirken zu müssen (Jo 5, 19; 9, 4; 17, 4). Alle Schriften bezeugen die Auserwählung Israels, Jesus aber weiß, dass alle diese Schriften auf ihn ausgerichtet sind (Lk 24, 27; Jo 5, 46). Doch bestimmt dieses Bewusstsein seinen Willen nur dazu, zu dienen und bis zum Ende zu erfüllen was erfüllt werden muß (Jo 4, 34).

II. Die Kirche als auserwähltes Volk

1. Die Erwählung der Zwölfe machte alsbald deutlich, dass Jesus sein Werk in einer Weise vollenden wollte, dass ,,jene, die er wollte, bei ihm wären" (Mk 3, 13f). Sie bilden bei ihm die Vertreter der zwölf Stämme des neuen Volkes dieses Volk aber verdankt seinen Ursprung der Erwählung durch Christus (Lk 6, 13; Jo 6, 70), die auf die Erwählung durch den Vater zurückgeht (Jo 6, 37; 17, 2). Am Ausgangspunkte der Kirche steht wie an dem Israels die Erwählung durch Gott: ,,Nicht ihr habt mich erwählt!" (Jo 15, 16; vgl. Dt 7, 6.) Die Erwählung des Matthias (Apg 1, 24) wie die des hl. Paulus (Apg 9, 15) beweist, dass Gott seine Kirche nur auf jene Zeugen aufbauen wollte, die er dazu bestimmt hatte (Apg 10, 41; 26, 16).

2. Die göttliche Auserwählung bleibt in der Kirche als lebendige Wirklichkeit weiterbestehen. Die christlichen Gemeinden und ihre Vorsteher treffen ihre Wahl und übertragen Aufgaben (Apg 6, 5), doch bestätigt diese Wahl nur die Wahl Gottes und lässt sich von seinem Geiste leiten (6, 3). Wenn die Zwölfe den Sieben die Hände auflegen (6, 6), wenn die Kirche von Antiochien Paulus und Barnabas aussondert, so auf Grund dessen, dass ihnen der Geist die bezeichnet, die er für sein Werk berufen hat (13, 1 ff). Das Vorhandensein der Charismen in der Kirche offenbart, dass die Erwählung niemals erlischt. Die Kirche, die diese besonderen Berufungen in sich vereinigt und zu einem Leibe zusammenfügt, ist auserwählt. Die Gabe des Glaubens die Annahme des Wortes sind weder aus der menschlichen Weisheit noch aus der Macht, noch aus der Geburt ableitbar, sondern nur aus der Erwählung durch Gott (1 Kor 1, 26 ff; vgl. Apg 15, 7; 1 Thess 1, 4f). Es ist nur natürlich, dass die Christen, die sich bewusst gewesen sind, ,,aus der Finsternis berufen zu sein, um ein auserwähltes Geschlecht ... ein heiliges Volk zu bilden (1 Petr 2, 9), sich einfach als die ,,Erwählten" bezeichnet (Röm 16, 13; 2 Tim 2, 10; 1 Petr 1, 1) und die beiden Ausdrücke ekklesia und eklekte, Kirche und Erwählte, miteinander verbunden haben, was aber nicht bloß aus Freude am Gleichklang geschehen ist (vgl. 2 Jo 13; Apk 17, 14).

III. Auserwählte und Verworfene

Das Neue Testament bezeichnet die Erwählten näherhin auch als die ,,Erwählten Gottes" und spricht damit den persönlichen Charakter und die Souveränität dieser Wahl aus (Mk 13, 20. 27 par.; Röm 8, 33). Indes spricht es in eschatologischen Zusammenhängen auch ganz einfach von den Auserwählten und meint damit jene, deren Erwählung jenseits aller Prüfungen gleichsam zu einer sichtbaren und offenkundigen Wirklichkeit geworden ist (Mt 22, 14; 24, 22. 24) gleich der zu ihr in Gegensatz stehenden Verwerfung. Das Alte Testament hat eine der Auserwählung vorausgehende Verwerfung gekannt, die Verwerfung dessen, der nicht auserwählt ist; doch hat diese Verwerfung etwas Vorläufiges an sich, da ja die Auserwählung Abrahams für alle Völker ( Heiden zum Segen werden sollte. Innerhalb der Auserwählung aber macht die nachträgliche Verwerfung der Schuldiggewordenen und der Unwürdigen die Verheissung nicht hinfällig, und die göttliche Erwählung ist unwiderruflich. In Jesus Christus erfüllt sich die Auserwählung Abrahams und endet die Verwerfung der Heidenvölker. In ihm sind Juden und Griechen versöhnt (Eph 2, 14 ff) und auserwählt worden, dazu bestimmt, ein einziges Volk zu bilden, ,,jenes Volk, das Gott sich erworben hat" (Eph 1, 11. 14); die Auserwählung hat alles erfasst. Doch ist es auch dann, ,,wenn man die Erkenntnis der Wahrheit bereits erlangt hat", noch möglich, ,,den Sohn Gottes mit Füssen zu treten... und das Blut des Bundes geringzuschätzen... und - furchtbare Möglichkeit - in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen" (Hebr 10, 26 - 31). Es gibt eine Möglichkeit der Verwerfung, die keine Aufhebung der Auserwählung bedeuten, wohl aber innerhalb der Erwählung selbst das Gericht des Erwählten Gottes zum Ausdruck bringt, der nicht alle als die Seinigen erkennt. Sein Wort: ,,Ich kenne euch nicht" (Mt 25, 12) hebt das ,,Ich habe euch erkoren" (Am 3, 2) der Auserwählung nicht auf, wohl aber bringt es den ganzen Ernst des Gotteswortes zum Ausdruck: ,,Deshalb werde ich an euch alle eure Missetaten ahnden." Diese Verwerfung aber gehört nicht mehr der Zeit, sondern der Eschatologie an; deshalb hat sie auch das jüdische Volk nicht getroffen. Gewiss gibt es in seiner Geschichte eine Sünde: Die Kinder Israels stiessen sich am auserwählten und von Gott gesetzten Stein (Röm 9, 32f) und haben seinen Erwählten verworfen. Doch bleiben sie ,,der Auserwählung nach (Gottes) Lieblinge um der Väter willen" (11, 28), und ihre Beiseitesetzung ist wie die der Heiden unter dem Alten Bunde nur zeitweilig und in die göttliche Planung mit einbezogen (11, 30f). Solange die Wiederkunft des Herrn nicht stattgefunden hat, bleibt der Aufruf zur Bekehrung in Geltung, bis jener Augenblick kommen wird, da sämtliche Heidenvölker in die Auserwählung einbezogen sind und ganz Israel seiner Erwählung neuerdings teilhaftig wird (11, 23 - 27). Abraham